Der Tragödie achtundzwanzigster Teil

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„Also, wer will anfangen?", fragte Nick in die Runde und wischte dabei einen Krümmel, der vor ihm auf den Überwurf gefallen war, mit der Hand zur Seite.

Ich hatte ihn ja gewarnt, dass es keine gute Idee war, auf seinem Bett zu Abend zu essen.

„Ich", antwortete Mae, bevor ich überhaupt darüber nachdenken konnte, ob es mir irgendeinen Vorteil einbringen würde, anzufangen. „Tammy, Wahrheit oder Pflicht?"

Ich zögerte kurz. „Pflicht."

Mae betrachtete mich einige Sekunden lang überlegend. Dann hielt sie mir ihr angebissenes Sandwich hin. „Hier, iss."

Ich sah sie argwöhnisch an. „Warum? Was ist damit?"

Ein kleines Lächeln huschte über ihr Gesicht. Mein Misstrauen wurde größer.
Immer noch vor sich hinlächelnd klappte sie die obere Brothälfte hoch, sodass ich den Belag sehen konnte:

Salat, Tomate, ein Streifen Hähnchenfleisch und – Ketchup.

„Ist das dein Ernst?", meine Stimme spiegelte meinen Grad an Genervt-sein recht gut wieder. Doch Mae grinste nur weiter und zuckte mit den Schultern.

Nick lachte und klopfte mir auf die Schulter.

„Ketchup nicht böse sein, Ketchup gut schmecken tut", versuchte er Meister Yodas Stimme zu imitieren.

Ich seufzte, ließ mir von Mae das Sandwich reichen und biss ab.
Mit großen Augen beobachteten die beiden mich erwartungsvoll, während ich kaute.
Ich schluckte runter.

„Und?", fragte Mae neugierig.

Ich verdrehte die Augen. „Was schon? Total ekelhaft."

Sie zog ein enttäuschtes Gesicht. „Ich kann nicht fassen, dass man wirklich keinen Ketchup mögen kann."

Nick nickte zustimmend. „Ernsthaft mal! Schäm dich, Tammy."

Ich ignorierte die Einwende und drückte Mae ihr Brot zurück in die Hand. Dann beugte ich mich von Nicks Bett zu dem nun auf dem Boden liegenden Rucksack runter und zog eine der Wasserflaschen heraus.
Gierig nahm ich ein paar Schlucke, um den Geschmack der dickflüssigen roten Pampe loszuwerden.

Nachdem ich wieder richtigherum saß, beschloss ich, dass es Zeit war, das Spiel wieder aufzunehmen.

„Nick, Wahrheit oder Pflicht?"

„Pflicht", antwortete er ohne zu zögern.
Ich hoffte sehr, dass er nicht davon ausging, ich würde die Gelegenheit dazu nutzen wollen, ihn dazu zu bringen, mich heute doch noch zu küssen.

„Eh", ich geriet aufgrund von fehlenden Einfällen ins Stocken. Dann kam mir eine Idee. „Mach Mae ein Kompliment."
Ich gratulierte mir zu diesem unverfänglichen Einfall.
„Also ein ernstgemeintes Kompliment", schob ich schnell hinterher. „Sowas macht man viel zu selten."

Nick wirkte etwas überrascht, jedoch nicht enttäuscht. Er runzelte die Stirn und schien zu überlegen.

„Ich finde, du hast eine Gabe dazu, Menschen das Gefühl zu geben, etwas Besonderes zu sein. Wertvoll irgendwie, weißt du?", sagte er schließlich.

Mae lächelte, doch es war eine andere Art von Lächeln als sonst. Sie sah ... gerührt aus. „Danke, das ist ein schönes Kompliment, finde ich."

„Ich hab's halt einfach drauf", zerstörte Nick die Stimmung. Irgendwie konnte ich ihn jedoch auch verstehen.
„Ich bin dran. Tammy, Wahrheit oder Pflicht?"

„Musst du nicht mich nehmen?", mischte Mae sich ein. „Ich meine mal gehört zu haben, dass man nicht die Person aussuchen darf, von der man gerade seine Aufgabe gestellt bekommen hat.

Let me get this Straight ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt