Als es am Freitag um kurz nach sechs an der Tür klingelte, steckte mir der Schock von Montag immer noch in den Knochen.
Da ich jedoch ein sehr tapferer Held bin, legte ich mein Handy zur Seite und machte mich auf den Weg in den Flur, um die Tür zu öffnen.Davor standen wie erwartet Juni und Maxine mit einem breiten Lächeln im Gesicht.
„Hiiii", begrüßten mich die zwei wie aus einem Munde und ich verspürte kurz den Drang dazu, die Tür einfach wieder zu schließen.
Aber erstens sollte man niemanden verurteilen, nur weil er an ein Hi mehr I's dranhängt als der Monate Tage hat und zweitens war es ja nicht gerade so, als hätte ich ein großes Repertoire aus Freundinnen, auf die ich zurückgreifen könnte. Nur Mae.
Ich hatte Mae nie auch nur Hii sagen hören. Ich war verwöhnt. Eindeutig ihre Schuld.Und außerdem sollte ich echt aufhören solche Arschlochgedanken zu haben, schließlich hatte ich mich wirklich darüber gefreut, dass die beiden hatten vorbeikommen wollen.
„Hey", ich trat einen Schritt zur Seite, damit sie reinkommen konnten. „Wie schön, dass das heute geklappt hat."
Erst Juni und dann Maxine umarmten mich, während sie das Haus betraten.
„Es war so nötig, dass wir uns mal wieder treffen. Wir haben uns komplett aus den Augen verloren!" Juni sah mich aus ihren großen Hundeaugen an und Maxine stimmte ihr mit vehementem Nicken zu. „Ich habe so viele Fragen!"
Ich lächelte unsicher über diese Aussage. „Das ist ... cool. Wollen wir in mein Zimmer?"
Sie bejahten meine rhetorische Frage und ich lotste sie den Flur entlang.
Dort angekommen setzte sich Maxine sogleich auf mein Bett und in mir kam die Erinnerung daran hoch, dass dies auch früher, als die beiden noch regelmäßig bei mir gewesen waren, immer ihr Stammplatz gewesen ist.
Ich setzte mich neben sie, doch Juni streunte noch etwas ziellos durch mein Zimmer.
„Also", eröffnete Maxine ohne falsche Zurückhaltung das Gespräch. „Du bist also wirklich mit Mae Schultes Bruder zusammen?"
Juni hatte angefangen, die Schubladen meiner Kommode zu öffnen und ihren Inhalt unter die Lupe zu nehmen.
Ich warf ihr einen strengen Blick zu. „Könntest du es bitte lassen, meine ganzen Schränke zu durchwühlen?"Juni streckte mir die Zunge raus. Eine Handlung, die, hätte ich sie ausgeführt, einfach nur peinlich und kindisch gewesen wäre. Aber jetzt hatte nun mal nicht ich sie ausgeführt, sondern Juni. Und Juni war nun mal Juni und sah auch während sie jemandem die Zunge rausstreckte immer noch umwerfend aus.
Das Leben ist unfair.Immerhin ließ sie von meinem Schrank ab und setzte sich stattdessen endlich hin. Ich drehte mich von meinem Schreibtisch, an dem sie nun saß, wieder zu Maxine um. „Ja, ihr Bruder geht in meine Stufe und ich habe Mae kennengelernt, als ich bei ihm zuhause war. Wir haben uns gut verstanden und dann halt öfter mal was zu dritt gemacht. Und letztes Woch –"
„Tammy?", wurde ich unterbrochen.
Ich hielt abrupt inne und wand mich überrascht wieder Juni zu. „Was gibt's?"
Juni saß immer noch an meinem Schreibtisch, hatte jedoch ganz offensichtlich angefangen meine Schubladen durchzugucken, nachdem ich sie von meiner Kommode verscheucht hatte. Die oberste Schublade war weit herausgezogen und das Chaos darin gut sichtbar.
Doch es war nicht meine Unordnung, die Juni meinte, sondern das, was sie in der Hand hielt. Nicks Kassette. Zusammen mit der Liste mit den Songnamen. „Sag mal, wie heißt Maes Bruder eigentlich?"
Meine Verunsicherung stieg immer weiter an. „Uhm, Nick?"
Es klang eher wie eine Frage als wie eine Antwort.
„Warum fragst du?"Juni ging nicht darauf ein. „Nick Schulte?"
Ich nickte ganz langsam.
„Du bist mit Nick Schulte zusammen?"
Wieder nickte ich.
„Und er hat dir diese Kassette geschenkt?"
Ich zögerte. „Jain. Sie ist mir eher durch Zufall in die Hände gefallen und er meinte, ich könnte sie nehmen, wenn ich will. Warum fragst du?" Ich versuchte, dem letzten Satz genug Nachdruck zu verleihen, dass sie endlich auf meine Frage einging.
Juni sah mich immer noch mit Unglauben an. „Nick hat ... er hat diese Kassette für mich zusammengestellt."
Ich riss die Augen auf. „Er hat was?"
Aus den Augenwinkeln sah ich, dass Maxine uns fasziniert zuhörte. Juni schüttelte fast unmerklich den Kopf. „Nick Schulte hat mich mal auf ein Date eingeladen. Ich hab' abgelehnt, allein schon, weil ich damals bereits mit Ben zusammen war, und da hat er mir das Mixtape gegeben. Ich wollte es nicht, aber er hat mich überredet, es wenigstens anzuhören. Hab' ich dann gemacht, wegen der Mühe, die er sich gemacht haben muss. Aber ich hab' es ihm dann zurückgegeben, weil alles andere sich vermutlich angefühlt hätte wie Cheaten oder so." Sie lachte nervös. „Keine Ahnung."
Ich hatte ihr mit offenem Mund zugehört. Es war Juni.
Das Mädchen von dem Mae erzählt hatte war Juni???„Wie lange ... wie lange ist das her?", fragte ich und konnte dabei allzu gut den Voicecrack in meiner Stimme hören.
Juni zuckte mit den Schultern. „Um ehrlich zu sein nicht besonders lange. Zwei bis drei Monate vielleicht. Es tut mir so leid Tammy."
Sie kam zu mir rüber und umarmte mich, doch ich saß einfach nur da wie ein Brett.
„Muss es nicht", stammelte ich leise. „Ich meine, warum sollte es? Es ist komplett normal, sich in drei Monaten einen neuen Crush gesucht zu haben."
Naja, abgesehen davon, dass die Mittelstufenstory immer unglaubwürdiger wurde.
„Natürlich." Sie drückte mich noch einmal an sich, bevor sie mich endlich losließ. „Ich meinte auch eigentlich eher das Mixtape. Und den Fakt, dass dein erster Freund, naja dass er zuerst auf mich ..."
Sie sprach den Satz nicht zu ende, doch das musste sie auch nicht. Es war klar, was sie hatte sagen wollen.
Mein Kopf war am Explodieren. Wenn es vielleicht kein großer Zufall gewesen sein mochte, dass Mae und Maxine die gleiche Schule besuchen, so war doch die Tatsache, dass das ominöse Mädchen, von dem Mae erzählt hatte, Juni ist, in meinen Augen mit einem Sechser im Lotto gleichzusetzen.
Naja, abgesehen davon, dass ich mich nicht darüber freute, dass sie das Mädchen ist, während ich mich über den Sechser definitiv gefreut hätte. (Letzteres ist vermutlich recht offensichtlich.)
Mir war klar, dass ich eine Menge Zeit brauchen würde, um über diese Nachricht nachzudenken.
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Let me get this Straight ✔
Teen FictionTammy ist straight. Da ist sie sich eigentlich ziemlich sicher. Blöd nur, dass ihr das keiner mehr glaubt. Als sich ihr dann die Gelegenheit bietet, eine Scheinbeziehung mit einem Jungen aus ihrem Jahrgang anzufangen, und nachdem sie intensiv alle V...