„Und, wie fandest du den Film?", fragte Nick, während wir das Kino verließen. Ich lächelte. „Wer weiß."
„Ich hoffe, du bist nicht all zu enttäuscht, da ich dir ja eigentlich eine Komödie versprochen hatte ..."
„Um ehrlich zu sein war das vermutlich der lustigste Kinobesuch meines Lebens", gestand ich. Nick hatte mir während des ganzen Films Anmerkungen ins Ohr geflüstert und ich wäre fast gestorben so heftig habe ich versucht, nicht zu lachen.
„Ist das so? Dann stehen meine Chancen vermutlich nicht allzu schlecht, dass du dich von mir noch zum Abendessen einladen lässt?" Seine Augen leuchteten hoffnungsvoll auf.
„Du hast Glück, dass ich gerade heute noch nicht mit einem meiner zahlreichen Tinder Dates verabredet bin."
Seine Miene sah für einen Augenblick verunsichert aus, ehe er verstand, dass ich offensichtlich einen Witz gemacht hatte.
Ich überredete ihn, in ein kleines italienisches Restaurant zu gehen, in das mein Vater mich und die Zwillinge häufig ausgeführt hatte, als ich noch jünger war. Doch mit der Zeit hatte er immer mehr zu tun und die Anzahl unserer Besuche in dem gemütlichen Lokal nahm immer weiter ab, bis wir schließlich gar nicht mehr herkamen.
Wir betraten den Laden und wurden sogleich von der angenehmen Hitze des Steinofens und dem stetigen Summen der Gespräche der Gäste umfangen.
Ein untersetzter Mann mittleren Alters mit weißer Schürze trat aus der Küche. Ich erkannte ihn als den Besitzer des Restaurants, Antonio, wieder.
Als sich unsere Blicke trafen, huschte ein Ausdruck der Erinnerung über sein Gesicht.„Tami? Bist du es? Mio Dio sei cresciuto", begrüßte er mich und zog wie immer das A in meinem Namen lang.
Ich strahlte. „Antonio, es tut mir leid, dass wir so lange nicht da waren."„Schon gut, schon gut", beschwichtigte Antonio. Er beäugte Nick, als hätte er seine Anwesenheit gerade erst bemerkt. „Wer ist der junge Mann? Das kann nicht Atticus sein, giusto?"
Ich schüttelte den Kopf. „Das ist Nick, er ist mein ...", ich stockte. Was war Nick eigentlich? Mein fester Freund? Oder doch nur irgendein Freund? Waren wir überhaupt befreundet?
„Hoffentlich baldiger Freund", beendete Nick meinen Satz und nahm mir damit die Entscheidung ab. Er streckte die Hand aus und Antonio schüttelte sie freudig. „Tami, es freut mich sehr, deinen Freund kennen zu lernen!"
Er führte uns zu einem kleinen Tisch in der Mitte des Raums und wir ließen uns nieder. Antonio verschwand in der Zwischenzeit wieder in der Küche.
„Als du gesagt hast, du kennst das Lokal aus deiner Kindheit, bin ich eigentlich davon ausgegangen, dass ihr hier mal essen wart und nicht, dass du von dem Personal adoptiert worden bist."
Ich verdrehte die Augen, konnte jedoch nicht aufhören zu lächeln, zu glücklich war ich darüber, dass Antonio mich nach all der Zeit immer noch erkannt hatte.
Nachdem ein junger Kellner, der früher noch nicht hier gearbeitet hatte, oder den ich zumindest nicht wiedererkennen konnte, uns unsere Getränke gebracht hatte, entstand eine unangenehme Pause.
Nick räusperte sich. „Also, worüber willst du reden?"
Ich überlegte. „Keine Ahnung. Erzähl mir etwas über dich", forderte ich ihn auf.
Die kleine Flamme der Kerze spiegelte sich in dem schwarz seiner Pupillen wieder.
Er dachte einen Moment nach. „Was willst du den wissen? Mein Leben ist eigentlich recht durchschnittlich: Ich gehe zur Schule, welche weißt du ja, und zweimal die Woche zum Handball."Ich war froh um das dämmrige Licht in dem Restaurant, das verhinderte, dass er meinen peinlich berührten Gesichtsausdruck sehen konnte, der mich unweigerlich überkommen sein musste, als mir klar wurde, dass ich nicht mal gewusst habe, dass er Handball spielte, obwohl er vorhin Antonio noch verkündet hatte, dass er vorhabe, mit mir zusammen zu kommen.
„Das ist wirklich cool", sagte ich schnell. „Ich habe drei Jahre lang Hockey gespielt."
Er nickte. „Ich weiß, das hast du mir irgendwann mal erzählt."
Ich kratze mich verlegen im Nacken. „Oh, okay. Ehm, keine Ahnung, ich lebe zusammen mit meinen zwei kleinen Geschwistern Issy und At bei meinem Vater."
Er lächelte. „Hey, das habe ich noch nicht gewusst!"
Vorsichtig lächelte ich zurück.
„Ich habe noch eine Stiefschwester, Mae", sagte er und ich war froh, dass er nicht gefragt hatte, was mit meiner Mutter sei. Leider wird es immer noch von vielen als ungewöhnlich wahrgenommen, wenn Väter alleinerziehend sind.
„Okay, ich habe echt Hunger, vielleicht sollten wir uns langsam mal entscheiden, was wir essen wollen", wechselte ich das Thema und griff nach einer der Speisekarten, die auf dem Tisch bereitlagen.
Doch auch Nick streckte genau in dem Moment seine Hand nach der gleichen Karte aus und unsere Finger berührten sich.„Sorry", sagte ich schnell und wollte meine Hand zurückziehen. Dabei strich Nick vorsichtig mit seinem Daumen über meinen Handrücken.
Ich sah zu ihm hoch und unsere Blicke trafen sich. Sein Gesichtsausdruck sah etwas verunsichert aus, doch gleichzeitig schien er nur so zu strahlen. Das Aufleuchten seiner Augen wurde noch von dem matten Schein der Kerze verstärkt.
Eine Welle der Panik überrollte mich, doch nicht etwa, weil ich plötzlich irgendwelche Gefühle für Nick zu entwickeln schien, sondern da mir klar wurde, dass ich ebendies nicht tat. Er sprühte nur so vor Glück und ich empfand ... gar nichts.
Doch ich wusste, dass ich etwas spüren sollte, denn Nick war den ganzen Abend der perfekte Freund gewesen. Wenn ich es nicht schaffte, mich in ihn zu verlieben, wie sollte ich es jemals bei einem anderen schaffen?
Ich zuckte zurück, was dazu führte, dass Nick aussah, als hätte man ihm ins Gesicht geschlagen.
„Oh", machte er leise.
„Fuck, sorry, es lag nicht an dir", ich überschlug mich fast beim Sprechen. „Es ist nur ..."
„Noch zu früh?", fragte er vorsichtig.
Ich zuckte mit den Schultern. „Vermutlich."
Zu früh, er hatte recht, es ging mir einfach alles zu schnell. Genau so war es. So musste es sein.
„Ich würde ja vorschlagen, dass wir es langsamer angehen könnten, aber ehrlich gesagt, weiß ich nicht, wie. Aber sag Bescheid, wenn du dich unwohl fühlst. Ich kann warten, wirklich. Wir müssen uns auch in nächster Zeit nicht treffen, wenn du nicht willst."
Schnell schüttelte ich den Kopf. „Nein, daran liegt es nicht. Du machst alles perfekt, wirklich."
Er sah mich hoffnungsvoll an. „Ja?"
„Ja", bestätigte ich. „Ich würde mich wirklich gerne so bald wie möglich noch mal mit dir treffen."
Und das war die Wahrheit. Denn ich mochte Nick wirklich. Und ich würde schon auch noch dafür sorgen, dass ich mich in ihn verliebe.
DU LIEST GERADE
Let me get this Straight ✔
Teen FictionTammy ist straight. Da ist sie sich eigentlich ziemlich sicher. Blöd nur, dass ihr das keiner mehr glaubt. Als sich ihr dann die Gelegenheit bietet, eine Scheinbeziehung mit einem Jungen aus ihrem Jahrgang anzufangen, und nachdem sie intensiv alle V...