Während wir aßen, hatten wir zunächst nicht viel miteinander gesprochen. Die Situation war für uns beide noch ungewohnt und wir wussten nicht genau, wie wir miteinander umgehen sollten. Schließlich war unser erstes Treffen anders abgelaufen, als wir es uns damals ausgemalt hatten. Damals.. Es kam mir vor, als wäre es schon eine Ewigkeit her, als wir dieses Gespräch geführt hatten, dabei war es erst vor Kurzem gewesen. Das Schweigen zwischen uns war nicht unangenehm. Das auf keinen Fall. Es war nur so, dass ich unbedingt mit ihm sprechen wollte. Wer weiß, wann er wieder verschwinden würde. Daher wollte ich die Zeit mit ihm so gut, wie es ging, nutzen. Nur fehlten mir irgendwie die richtigen Worte.
Jake: "Möchtest du über das reden, was passiert ist?"
"Ich weiß nicht genau.. Es war beängstigend und irgendwie hat es mich trotzdem nicht wirklich überrascht. Ich hatte damit gerechnet, dass ich demnächst wieder von ihm hören würde, nur wusste ich nicht, dass es so schnell passieren würde. Ich habe es heute ziemlich verbockt.. und du hast dich meinetwegen in Gefahr gebracht.. das war nicht meine Absicht. Das soll natürlich nicht heißen, dass ich nicht froh darüber bin, dass du hier bist, denn das bin ich"
Während ich das sagte, sah ich auf den Tisch vor mir und zupfte an meinen Fingern. So offen über meine Gefühle zu reden, brachte mich in Verlegenheit.
Jake: "Das bin ich auch"
"Wirklich?", ich sah auf.
Jake: "Ja. Du klingst überrascht"
"Naja.. du warst heute Nachmittag so kurz angebunden und distanziert, während wir geschrieben haben. Ich dachte, es lag vielleicht an unserem gestrigen Gespräch.."
Jake: "In gewisser Weise tat es das auch. Aber nicht so, wie du jetzt vielleicht denkst. Ich wusste einfach nicht, ob ich noch einmal davon anfangen sollte. Ich wollte nicht, dass es komisch zwischen uns wird"
Ich musste lächeln.
"Ein Hacker und ein Mädchen, die gemeinsam einen Mörder jagen und dabei in ein ziemliches Gefühlschaos verwickelt wurden. Was sollte daran noch komischer werden?"
Jetzt konnte auch Jake sich ein Grinsen nicht verkneifen.
Jake: "Tja, da hast du wohl Recht"
Wir lächelten einander an und standen schließlich auf. Jake faltete den leeren Pizzakarton zusammen und stopfte ihn in den Mülleimer. Ich stand noch unschlüssig im Zimmer, da ich nicht so recht wusste, was ich nun tun sollte. Jake kam auf mich zu und wusste offensichtlich auch nicht so wirklich, wie es jetzt weiter gehen würde. Er blieb dicht vor mir stehen, jedoch so, dass wir uns nicht berührten.
Jake: "Darf ich dich um etwas bitten?"
"Natürlich"
Jake: "Könntest du versuchen, unserem Mörder in nächster Zeit aus dem Weg zu gehen? Es wäre schön, wenn du noch eine Weile bei mir bleiben würdest. Ich könnte es nämlich nicht ertragen, wenn dir noch etwas zustoßen würde"
Er versuchte zu lächeln während er das sagte, doch ich merkte, wie ernst es ihm war. Sein Blick verriet mir, wie verzweifelt und machtlos er sich fühlte. Über mein Handy konnte Jake mich beschützen, denn das war seine Welt, aber nun, wo ich persönlich vor Ort war, wusste Jake genauso gut wie ich, dass niemand von uns wirklich sicher sein würde. Ohne nachzudenken was ich tat, überbrückte ich die restliche Distanz zwischen uns und umarmte ihn. Kurz schien er ein wenig überrumpelt zu sein, doch er fing sich schnell wieder und erwiderte die Umarmung. Ich genoss seine Nähe so sehr, es war, als wäre er meine persönliche Droge und ich wusste, ich würde nie von ihm loskommen. Ich konnte noch immer kaum glauben, dass das hier kein Traum war. Ich atmete seinen Duft ein und versuchte ihn mir ganz genau einzuprägen. Wenn er fort sein würde, wollte ich mich an jedes Detail von ihm erinnern können.
Jake löste die Umarmung als Erster, ließ mich aber nicht ganz los.Jake: "Du solltest dich ein wenig ausruhen, Tasha. Es war ein wirklich anstrengender Tag. Es wundert mich, dass du dich überhaupt noch auf den Beinen halten kannst"
Ich schüttelte leicht den Kopf.
"Es ist alles in Ordnung, Jake, wirklich. Ich komme schon darüber hinweg. Wir werden dafür Sorgen, dass er für all das büßen wird, was er uns angetan hat"
Jake sah nicht wirklich überzeugt aus, machte aber auch keine Anstalten, mir zu widersprechen.
"Wirst du heute Nacht wirklich hier bleiben?"
Jake: "Nur, wenn du das auch möchtest"
Ich nickte und griff nach seiner Hand. Zeit ein bisschen mutig zu werden. Es stand sowieso schon unausgesprochen im Raum, was ich für ihn empfand. Und wer weiß, wann und ob ich ihn je wiedersehen würde.
"Glaub mir, wenn ich dir sage, dass ich mir gerade nichts mehr wünsche, als das"
Jake: "Das trifft sich gut. Es gibt da nämlich noch ein Versprechen, welches ich gerne einhalten würde"
Er sah mir direkt in die Augen und ich begriff sofort, worauf er anspielte. Er nahm mein Gesicht in seine Hände und legte seine Stirn gegen meine. Meine Hände lagen auf seinem Rücken zwischen seinen Schultern.
"Jake..", hauchte ich.
Weiter kam ich nicht, denn er presste seine Lippen sanft auf meine und küsste mich.
Und da waren sie. Diese verflixten Schmetterlinge, die sich angekündigt hatten, seit er mich das erste Mal angeschrieben hatte. Etwas vergleichbares hatte ich noch nie gefühlt. Klar, ich hatte schon die ein oder andere Beziehung geführt, doch noch nie hatte ich eine solche Verbundenheit gespürt, wie mit Jake. Ich erwiderte seinen Kuss und es war, als hätten wir das schon tausende Male getan. Ich zog ihn näher an mich heran, ich wollte ihn so nah bei mir haben, wie nur möglich. Seine Lippen waren warm, weich und brachten mich beinahe um den Verstand.
Er löste sich viel zu schnell von mir, jedoch nur, um mich hinter sich her zum Bett zu ziehen. Er setzte sich darauf und zog mich auf sich, sodass ich über ihm kniete, dann küsste er mich erneut. Der Kuss begann genauso sanft und vorsichtig wie zuvor, wurde jedoch schnell noch intensiver. Ich ließ mich von meinen Gefühlen ihm gegenüber überwältigen. Dieser Moment, dieser Kuss, war jeden Schmerz der letzten Wochen wert gewesen. Am Liebsten hätte ich die Zeit angehalten, denn ich wollte nicht, dass dieser Augenblick jemals endete.
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A Duskwood Story
Mystery / ThrillerSie darf keine Zeit mehr verlieren. Ihre Freunde sind in Gefahr, und so beschließt Tasha, entgegen ihres Versprechens, nach Duskwood zu reisen, um dem Albtraum ein Ende zu bereiten. Doch was, wenn der Mann ohne Gesicht genau darauf gewartet hat? Kan...