Rachegelüste

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Völlig verwirrt starrte ich ihn an. Ich war wirklich auf alles vorbereitet gewesen, dachte ich zumindest. Immer wieder war ich in meinem Kopf verschiedene Szenarien durchgegangen, um herauszufinden, was ich damit zu tun hatte. Das der Ursprung nun scheinbar in meiner Familie lag, traf mich vollkommen unvorbereitet.

"Mein Vater? Was hat mein Vater damit zu tun?"

Er sah mich direkt an und nahm schließlich seine Maske ab. Bis zu diesem Moment hatte ich nicht genau gewusst, wie Michael Hanson wirklich aussah. Auf der Aufnahme aus der Aurora konnte man ihn nur schwer erkennen. Ich sah ihm direkt in die Augen, während der seine Maske zu Boden fallen ließ. Hätte ich nicht gewusst, wer da vor mir stand, hätte ich mir niemals ausmalen können, zu was dieser Mann alles fähig war.

Hanson: "Du solltest lieber fragen, was er nicht getan hat. Weißt du, viele Jahre habe ich mit Hilfe von Josh versucht herauszufinden, wer uns Jennifer genommen hat, damit der oder die Schuldige ihre gerechte Strafe bekommt. Dabei haben wir nicht nur herausgefunden, dass Hannah und Amy Schuld an ihrem Tot waren. Dein Vater, Officer Clark, wie man ihn damals noch nannte, er war damals für ihren Fall zuständig. Offenbar hat er sich dazu entschieden die Ermittlungen zu behindern, um die Zukunft dieser armen kleinen Mädchen nicht zu ruinieren"

"Mein Vater hat für die Polizei in Duskwood gearbeitet?"

Ich verstand die Welt nicht mehr. Wieso wusste ich davon nichts? Ich konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen und alles begann sich zu drehen. Das waren einfach viel zu viele Informationen auf einmal, die mein Kopf kaum verarbeiten konnte. Wie konnte ich all die Jahre mit einer Person unter einem Dach gelebt haben, ohne zu wissen, wer mein Vater wirklich war?

Hanson: "Und wie er das hat. Zumindest solange, bis sie ihn wegen Behinderung der Ermittlungen suspendiert haben. Unentdeckt ist sein Handeln nicht geblieben, aber er machte es seinen Kollegen unmöglich, den Fall zu lösen"

Wäre mein Vater wirklich zu so etwas fähig gewesen? Vermutlich ja, zumindest damals. In den letzten Jahren hatte er sich so sehr verändert, dass von seiner früheren Persönlichkeit nicht mehr viel übrig war. Auch wenn ich es nicht wahr haben wollte, Hansons Geschichte passte zu den Geschehnissen aus meiner Vergangenheit. Mein Vater hatte damals seinen Job als Polizist verloren und war seitdem ein anderer Mensch. Nie hatte er über das gesprochen, was damals vorgefallen war. Stattdessen hatte er angefangen zu Trinken und seine Tochter hatte er dabei völlig vergessen.

Hanson: "Das Ganze birgt eine gewisse Ironie, wenn man bedenkt, dass sein damaliger Partner nun die Ermittlungen zu unserem Fall leitet"

"Alan Bloomgate?", fragte ich schockiert.

Hanson: "Ganz genau. Zu seiner Verteidigung, er schien damals nichts von den Machenschaften deines Vaters gewusst zu haben, das haben wir bereits überprüft. Aber wenn wir es mal genauer betrachten, scheint er genauso unfähig zu sein, seinen Job zu erledigen, wie dein Vater. Schließlich sind sie uns in all der Zeit nicht einen Schritt näher gekommen, was selbst du und deine Gruppe von Amateur-Detektiven geschafft haben"

"Aber was wollt ihr jetzt von mir? Ich hatte mit alledem rein gar nichts zu tun, bis ihr meine Nummer verschickt habt. Und von da an, habe ich nur versucht, meinen Freunden zu helfen. Das habt allein ihr zu verantworten"

Hanson lachte auf und ich starrte ihn wütend an. Was sollte das Ganze? Ich wollte endlich verstehen, was all das zu bedeuten hatte und er machte sich offenbar einen Spaß daraus, mich zu quälen und mich jetzt hinzuhalten.

Hanson: "Wie schon gesagt, all das hast du deinem eigenen Vater zu verdanken. Meine Tochter wurde damals aus ihrem Leben gerissen und als ob das noch nicht ausreicht, kommt dein lieber Vater daher und vertuscht alles. Josh und ich finden also, es wäre nur fair, wenn er auch zur Rechenschaft gezogen wird. Meine Tochter ist gestorben und er hat nichts unternommen. Er soll wissen, wie sich das anfühlt. Also werden wir dich töten. Dann wird er herausfinden, wie es sich anfühlt, wenn man das eigene Kind zu Grabe tragen muss, während die Schuldigen noch frei herumlaufen"

Das war es also. Ich war für sie nur ein Mittel zum Zweck. Sie wollten sich an meinem Vater rächen und ich sollte dafür herhalten. Mein Tot würde also genau so sinnlos sein, wie der von Richy. Ich konnte nichts für die Taten meines Vaters und würde dennoch dafür büßen müssen.
Ich musterte Hanson genau und er sah mich hasserfüllt an. Für ihn musste diese Begegnung mit mir ein langersehntes Ende darstellen. Doch ich würde nicht kampflos untergehen. Ich hatte Menschen, für die es sich lohnte zu kämpfen und mich nicht von diesem Irren umbringen zu lassen.

Hanson: "Ich finde, unser Gespräch hat nun lange genug gedauert. Es ist für mich an der Zeit, das hier zu beenden, damit ich mich dann unserer Freundin Hannah widmen kann. Eigentlich hatte ich vor, dich mit zurück nach Duskwood zu nehmen, doch ich denke, es ist eine schöne Geste von mir, dich hier ganz in der Nähe deines Vaters zu töten, damit sich die Geschichte gewissermaßen wiederholen kann"

Er kam ein paar Schritte auf mich zu, ein triumphierendes Grinsen auf dem Gesicht. Angst stieg in mir auf und ich wich vor ihm zurück, bis ich mit dem Rücken gegen einen der Pfeiler in der Mitte des Raumes stieß. Direkt vor mir blieb er stehen und sah mich prüfend an. Er hob eine Hand und fuhr mit den Fingern über meine Wange.

Hanson: "Es tut mir schon beinahe leid, Tasha, aber das hier, wird mir wirklich eine große Freude bereiten"

Starr vor Angst blickte ich ihn an. Er ließ seine Hand sinken, nur um kurz danach auszuholen und mir, genau wie bei unserem letzten Aufeinandertreffen, mit der Faust ins Gesicht zu schlagen. Er traf mich mit solch einer Wucht, dass es mir den Boden unter den Füßen wegriss und ich auf die Knie fiel. Ich stöhnte vor Schmerz und wollte mein Gesicht abtasten, um zu überprüfen, ob das Arschloch mir gerade die Nase gebrochen hatte, doch in diesem Moment trat er mir kräftig in den Bauch, sodass ich aufschrie und keuchend auf die Seite zusammensackte. Ich zog die Beine an und umfasste mit beiden Händen meinen Bauch. Er wollte mich heute sterben sehen, keine Frage und er würde mich leiden lassen. Er grinste mich an und entfernte sich dann wieder einige Schritte von mir.

Hanson: "Ich hatte erwartet, dass du dich mit allen Mitteln wehren würdest, doch du machst es mir beinahe zu leicht. Hast du denn wirklich so wenig Überlebenswillen? Oder ist es etwa, weil Josh dafür gesorgt hat, deinen kleinen Hacker-Freund aus der Stadt zu vertreiben? Wirklich süß ihr beide, schade, dass er jetzt nicht hier sein kann, um dir zu helfen. Vielleicht bist du ihm doch nicht so wichtig, wie du dachtest"

Eine brennende Wut stieg in mir auf, dass er es wagte, hier und jetzt über Jake zu sprechen, brachte das Fass für mich zum überlaufen. Ich raffte mich auf und schaffte es schließlich, mich wieder auf alle Viere zu erheben. Dann hob ich den Kopf und sah ihn direkt an.

"Was ihr mit Jake getan habt, war ein riesiger Fehler. Und all das hier hat nichts mit ihm zu tun. Denkst du wirklich ihr kommt mit alledem einfach so davon?", ich lachte düster vor mich hin und beobachtete ihn, wie er wieder auf mich zukam. Über mir blieb er stehen. Noch immer konnte ich nicht aufstehen, doch das hielt mich nicht vom Reden ab.

"Allein die Tatsache, dass wir 'Amateur-Detektive' euch auf die Schliche gekommen sind, zeigt doch, wer hier die eigentlichen Amateure sind"

Er beugte sich zu mir runter, sodass sein Gesicht nicht mehr weit von meinem entfernt war und lächelte mich boshaft an. Ich wollte noch etwas sagen, doch in diesem Moment erwischte mich der nächste Schlag. Diesmal spürte ich, wie meine Unterlippe aufplatze und Blut an meinem Kinn entlang lief. Ich zuckte zusammen, doch ich wollte ihm nicht die Genugtuung gönnen, ihm meinen Schmerz zu zeigen.

Hanson: "Du hast ein ziemlich loses Mundwerk, das muss man dir lassen. Aber wir wissen beide, dass du es nicht mit mir aufnehmen kannst, also mach es uns beiden doch nicht unnötig schwer, Süße. Unsere gemeinsame Zeit läuft ohnehin ab"

Er drehte sich von mir weg und ging zu seiner Maske, die er aufhob und sich wieder aufzog.

Hanson: "Wir sollten es beenden, wie wir es angefangen haben, findest du nicht?"

Ich konnte sehen, dass er etwas schimmerndes aus seiner Tasche zog und ich wusste sofort, was es war. Es war das selbe Messer, mit dem er zuvor Amy und Richy getötet hatte. Nun wollte er damit sein drittes Opfer fordern.

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