Unauffällig taste ich nach der Pistole in meiner Hosentasche. Sie war noch da und er hatte sie bisher nicht bemerkt, was mir vielleicht einen Vorteil verschaffen würde.
Er kam auf mich zu und verpasste mir erneut einen Tritt, der noch kräftiger war, als der Letzte und mich rückwärts zu Boden fallen ließ. Mein Hinterkopf stieß auf die kalten Fliesen. Der Aufprall ließ meinen Blick kurzzeitig verschwimmen und als ich endlich wieder klar sehen konnte, stand Hanson bereits über mich gebeugt und sah auf mich herunter. Ich wollte vor ihm zurückweichen, doch er umfasste meinen Hals mit seiner Hand und begann mich zu würgen.Hanson: "In welcher Welt ist es dir erlaubt zu leben, während meiner Tochter das Leben von zwei dummen Gören geraubt wurde?"
Er drückte mir die Luft ab und ich konnte nicht mehr atmen. Panisch versuchte ich ihn abzuschütteln. In diesem Moment wurde mir zum ersten Mal bewusst, was für eine dumme Idee es gewesen war, ihm allein gegenüber zu treten. Mit beiden Händen zerrte ich an seinem Arm bis er schließlich von mir abließ und ich hektisch nach Luft schnappte. Meine Lunge brannte, während sie sich wieder mit Sauerstoff füllte, doch er ließ mir keine Zeit um mich zu beruhigen. Er griff in meine Haare und zog mich auf die Knie. Ich konnte die Klinge des Messers an meiner Kehle spüren und merkte, wie sie bereits leicht in meine Haut schnitt.
Hanson: "Na hat es dir die Sprache verschlagen? Vermutlich bereust du es jetzt, so eine große Klappe gehabt zu haben, denn jetzt bekommst du endlich, was du verdienst"
Ich versuchte an die Pistole zu kommen, doch jede Bewegung drückte die Klinge tiefer in meinen Hals. War das hier nun mein Ende? Wenn ja, dann hatte ich wirklich auf ganzer Linie versagt. Ich hoffte, dass die Anderen erfolgreicher waren als ich, dann wäre all das hier wenigstens nicht umsonst gewesen.
Ich kniff die Augen zusammen, denn ich wollte nicht, dass Michael Hansons Gesicht das Letzte war, was ich in meinem Leben sehen würde. Ich hatte es wirklich verbockt, nun würde ich Jake niemals wieder sehen und dafür hasste ich mich.
Ich warte darauf, dass er mich tötete, doch es geschah nicht. Stattdessen nahm ich ein dumpfes Geräusch war und fühlte, wie Hanson meine Haare losließ und das Messer zu Boden fiel. Sofort riss ich die Augen auf, um zu sehen, was passierte. Ich sah, wie Hanson zu Boden sank. Sofort rutsche ich von ihm weg, um möglichst viel Abstand zwischen uns zu bringen. Und da sah ich ihn.
Jake stand direkt hinter Michael Hanson und in seinen Händen hielt er einen Backstein, mit dem er ihn offenbar niedergeschlagen hatte.
Als ich in sein Gesicht sah, überrollte mich eine riesige Welle an Emotionen, sodass ich im ersten Moment nicht wusste, wie ich reagieren sollte. Natürlich war da die Erleichterung, ihn zu sehen und dass er mir gerade das Leben gerettet hatte. Doch auch der ganze Schmerz, den ich während seiner Abwesenheit gefühlt hatte, prasselte nun unaufhörlich auf mich ein. Zu guter Letzt rundete die Angst um seine Sicherheit mein Gefühlschaos ab.
Erst jetzt bemerkte ich, dass ich angefangen hatte zu weinen. Noch immer starrte ich Jake mit großen Augen an. Schnell kam er auf mich zu, nahm meine Hände und half mir dabei, aufzustehen. Dann schlossen sich seine Arme fest um mich. Zu realisieren, dass er wirklich hier bei mir war, dass jetzt vielleicht doch noch alles gut werden würde und dass ich ihn nicht für immer verloren hatte, dauerte einen Moment. Er nahm mein Gesicht in seine Hände und sah mich besorgt an. Sein Blick wanderte von meiner blutigen Lippe zu der Schnittwunde an meinem Hals.Jake: "Geht es dir gut? Was hat er dir nur angetan? Gott ich sollte ihn umbringen"
"Nein Jake, lass uns bitte einfach hier verschwinden und ihn der Polizei überlassen"
Dazu kam es jedoch vorerst nicht. Jake und ich waren so sehr miteinander beschäftigt gewesen, dass wir nicht bemerkt hatten, dass Hanson scheinbar wieder zu sich gekommen war. Unerwartet packte er Jake am Arm und riss ihn von mir weg. Jake hatte mit diesem Angriff nicht gerechnet, weshalb Hanson ihn quer durch den Raum schleuderte. Jake konnte seinen Sturz rechtzeitig abfangen, er drehte sich um und verpasste Hanson, der gerade auf ihn zugeeilt war einen kräftigen Schlag, der ihm die Maske vom Gesicht riss. Alles ging so furchtbar schnell, dass ich kaum wahrnehmen konnte, was gerade geschah. Ich zog die Waffe aus meiner Hosentasche und entsicherte sie. Dann richtete ich sie auf Hanson, doch er und Jake kämpften so miteinander, dass ich keine freie Schussbahn hatte. Als Hanson schließlich sein Messer zückte und gerade im Begriff war, es Jake in den Bauch zu stoßen, setzte meine Wahrnehmung aus. Ich konnte mich nicht mehr daran erinnern, den Abzug gedrückt zu haben, doch ein ohrenbetäubender Schuss hallte durch den Raum. Jakes erschrockener Blick ließ mich einen Moment lang glauben, ich hätte ihn erwischt. Doch dann fiel Michael Hanson schlaff zu Boden und blieb reglos liegen. Benommen sah ich, wie das Blut aus der Schusswunde zwischen seiner rechten Schulter und seiner Brust floss und zu einer sich immer weiter ausbreitenden Pfütze auf dem Boden wurde. Ich konnte nicht verstehen, was gerade passiert war. Fassungslos sah ich zwischen der Waffe in meiner Hand und Hansons Körper auf dem Boden hin und her. Ich begann am ganzen Körper zu zittern. Ich hatte gerade wirklich auf einen Menschen geschossen. Ich hatte die Waffe gezogen und eine Kugel auf ihn abgefeuert. Langsam kam Jake auf mich zu.
"I-Ich.. Ist er...tot?"
Jake: "Es ist alles okay, ganz ruhig, okay Tasha? Er ist nur bewusstlos. Alles wird gut"
Mein Atem bebte, während ich auf Hanson hinab sah. Vielleicht stand ich zu sehr unter Schock, aber ich empfand in diesem Moment nichts, als pure Erleichterung. Jetzt konnte er Niemandem mehr etwas antun. Ich war bereit, erneut auf ihn zu schießen, sollte er noch einmal aufstehen.
Jake: "Tasha.. Schatz.. gib mir die Pistole, okay? Alles wird wieder gut, das verspreche ich dir"
Ich riss meinen Blick von Hanson los und sah Jake an. Er redete beruhigend auf mich ein und ich ließ die Waffe in seine Hände gleiten. Ich konnte sehen, wie beunruhigt und besorgt Jake meinetwegen war, doch es ging mir gut. Ich hatte getan, was getan werden musste. Hätte ich nicht abgedrückt, hätte er Jake wahrscheinlich getötet, doch das hätte ich niemals zugelassen.
Ich sah ihm in die Augen und hielt seinem Blick stand, um ihm zu zeigen, dass es mir wirklich gut ging, dass mich das, was gerade geschehen war, nicht aus der Bahn warf und dass ich damit klar kommen würde.Jake: "Wir müssen gehen"
"Nein. Einen Augenblick noch"
Jake sah mich fragend an, doch ich nahm mein Handy aus meiner Hosentasche. Zu meiner Erleichterung hatte ich eine Nachricht von Lilly. Kurz stockte mir der Atem, als ich las, was sie mir zu sagen hatte.
Lilly: "Wir haben sie, Tasha! Sie ist verletzt, aber sie lebt. Die Polizei hat ihn festgenommen. Wo bist du?"
Erleichterte atmete ich aus. Trotz all der Schwierigkeiten hatten wir es endlich geschafft. Hannah lebte und sie war in Sicherheit. Genau wie wir.
"Jake.. Sie haben Hannah. Es geht ihr gut"
Ich sah ihm an, wie sehr ihn diese Nachricht freute, auch wenn er es nicht offen zeigen konnte. Er hatte all die Wochen große Angst gehabt und hatte zwischendurch bereits die Hoffnung aufgegeben, dass wir Hannah jemals lebend finden würden. Doch nun hatten wir die Bestätigung, dass sich all unsere Bemühungen gelohnt hatten. Nichts von alledem war umsonst gewesen.
Erwartungsvoll sah Jake mich an, doch es gab noch eine Sache, die getan werden musste. Ich schloss Lillys Chat, ohne ihr zu antworten.
Ich durchsuchte meine Chats nach Alan Bloomgates Kontakt und wählte schließlich seine Nummer.Alan Bloomgate: "Polizei Duskwood, Bloomgate, Hallo?"
"Officer Bloomgate? Hier spricht Tasha Clark. Ich weiß, dass sie gerade einen der Täter im Fall der vermissten Hannah Donfort festgenommen haben. Ich werde ihnen gleich einen Standort übermitteln, an dem sie den zweiten Täter, Michael Hanson, auffinden werden. Er ist schwer verletzt und benötigt medizinische Hilfe"
Bevor er etwas erwidern konnte, beendete ich den Anruf. Es war alles gesagt. Ich sendete Bloomgate den Standort und legte mein Handy dann auf einen der Schreibtische.
Nun würde es nicht mehr lange dauern, bis sie hier sein würden. Vermutlich würde Bloomgate die örtliche Polizei informieren, um so schnell es ging, Polizisten vor Ort zu haben.Jake: "Wir müssen jetzt wirklich gehen, Tasha"
Er nahm meine Hand und ich warf einen letzten Blick auf Hanson. Der Blutverlust würde es ihm unmöglich machen, zu fliehen. Das Spiel war nun endlich vorbei.
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A Duskwood Story
Mystery / ThrillerSie darf keine Zeit mehr verlieren. Ihre Freunde sind in Gefahr, und so beschließt Tasha, entgegen ihres Versprechens, nach Duskwood zu reisen, um dem Albtraum ein Ende zu bereiten. Doch was, wenn der Mann ohne Gesicht genau darauf gewartet hat? Kan...