"Ich bekomme übrigens noch immer Drohnachrichten von ihm. Scheint, als würde er genauso wenig aufgeben wollen, wie wir"
Jessy: "Das ist ja furchtbar, wieso hast du denn nicht früher etwas gesagt?"
"Weil es nicht weiter von Belang ist. Und es ist auch in gewisser Weise ein gutes Zeichen. So wissen wir, dass er noch immer im Spiel ist und sich nicht aus dem Staub gemacht hat. Es ist also noch nicht vorbei und wir haben noch immer die Möglichkeit ihn, beziehungsweise sie, aufzuhalten"
Dan: "Also eins muss man dir lassen, Kleines, du bist echt knallhart"
Ich zuckte mit den Schultern und lächelte matt. Was sollte ich auch sonst tun? Mittlerweile hieß es fressen, oder gefressen werden.
Cleo: "Und wie geht es jetzt weiter? Irgendetwas müssen wir doch tun können"
"Da bin ich mir auch noch nicht sicher.. ich denke es könnte vielleicht helfen, wenn ihr alle euch das Bild nochmal genau anseht und vielleicht eigene Nachforschungen anstellt. Vielleicht bringen wir so in Erfahrung, wer der Kerl ist. Geht das Ganze aber bitte unauffällig an. Ich werde mir derweil Gedanken machen, wie wir weiter vorgehen. Vielleicht gibt der Mann ohne Gesicht ja unabsichtlich etwas weiteres, wichtiges preis"
Thomas: "Kann Jake uns dabei nicht vielleicht helfen? Mit einer Gesichtserkennungssoftware oder so? Als Hacker hat er doch bestimmt Zugriff auf sowas"
Alle sahen sie mich an und ich wusste, das Lilly etwas sagen wollte, doch ich kam ihr zuvor. Früher oder später würden sie weitere Fragen stellen, also war es besser, jetzt Stellung zu beziehen.
"Jake ist raus. Er kann uns nicht mehr helfen. Es liegt jetzt an uns. Mehr kann ich euch dazu leider nicht sagen. Aber denkt nicht, er hätte uns im Stich gelassen, denn so ist es nicht. Wir müssen das Ganze jetzt eben allein durchziehen"
Verwirrt sahen sie mich an, doch keiner sagte mehr etwas dazu und ich hoffte sehr, dass es dabei bleiben würde. Ich konnte und wollte nicht mehr darüber sprechen.
Damit war das Thema fürs Erste beendet und die Anderen fingen an, sich zu unterhalten. Es fiel mir schwer den Gesprächen aufmerksam zu folgen. Ich war einfach erschöpft und unkonzentriert, ließ mich letztendlich jedoch trotzdem von Jessy in ein Gespräch verwickeln. Sie erzählte mir von ihrem Besuch bei Richys Eltern. Ich hatte bereits vergessen, dass sie dort gewesen war, ließ es mir jedoch nicht anmerken. Sie erzählte, wie fertig und durcheinander sie waren. Richys Mutter hatte sich offenbar in Therapie begeben, weil die Angst um ihren Sohn sie beinahe auffraß. Richys Vater hingegen stürzte sich in die Arbeit und versuchte die Werkstatt auf Vordermann zu bringen. Sie taten mir wirklich leid. Sie kannten die Umstände nicht und verstanden überhaupt nicht, was mit Richy passiert war.
Cleo schlug vor, dass wir alle gemeinsam Pizza bestellen könnten, da es langsam spät wurde und wir gerade so gemütlich beieinander saßen, was nicht oft vorkam. Am Liebsten hätte ich mich zurückgezogen, aber ich wollte die Gefühle der Anderen nicht verletzen, also stimmte ich zu. Hunger hatte ich keinen, weshalb ich mich dazu zwang wenigstens zwei Stücke Pizza zu essen, als diese ankam. Den Rest schob ich Dan rüber, der sich gleich darüber hermachte. Die ganze Zeit über hatte ich das Gefühl, gar nicht richtig anwesend zu sein und so zog der restliche Abend einfach an mir vorbei. Hier und da beteiligte ich mich an den Gesprächen und antwortete auf Fragen, aber selbst das erschien mir unglaublich anstrengend. Ich erkannte mich selbst kaum wieder. Mit Verlusten war ich bisher immer irgendwie klar gekommen, und Liebeskummer kannte ich nicht. Ich hatte zwar schon Beziehungen geführt, diese waren jedoch meist von kurzer Dauer gewesen und waren für mich nie wirklich etwas Ernstes gewesen. Ich wollte nie von jemandem abhängig sein und hielt daher die meisten von vornherein auf Distanz. Mit Jake und den Anderen hatte sich das jedoch geändert. Sie alle waren mir ans Herz gewachsen und Jake war der erste Mann, den ich wirklich liebte. Vermutlich warf mich sein Verschwinden deshalb so aus der Bahn. Ich hatte meine sicheren Schutzschilde fallen gelassen und wohin hatte mich das geführt? Der Mann, den ich liebte, war auf der Flucht und alles was mir blieb waren meine Freunde, die ich nicht ausreichend beschützen konnte, wenn es darauf ankam.
Plötzlich merkte ich, wie Lilly unter dem Tisch gegen mein Bein tippte. Als ich sie ansah, flüsterte sie:Lilly: "Möchtest du gehen?"
Ich nickte unauffällig. Ich hoffte, dass ich bald wieder die Alte sein würde, doch für den Moment wollte ich mich einfach nur zurückziehen und in Selbstmitleid versinken. Lilly teilte den Anderen mit, dass wir uns langsam auf den Weg machen würden. Dan, Thomas und Jessy schlossen sich uns an, da es bereits dunkel war und niemand von uns sich wirklich wohl dabei fühlte, so spät noch draußen unterwegs zu sein. Wir verabschiedeten uns von Cleo und machten uns dann auf den Weg zu unseren Autos. Jessy nahm mich zum Abschied in den Arm und drückte mich fest.
Jessy: "Nimm dir die Zeit, die du brauchst. Ich bin für dich da, wenn du reden möchtest, ja?"
Sie sagte es so leise, dass nur ich es hören konnte und ich nickte dankbar. Dann stieg ich ein.
Während der Fahrt zum Motel war es ziemlich still im Auto. Ich spürte, dass auch Lilly ihren Gedanken nachhing. Es war viel passiert für einen Tag. Erst als wir das Motel erreichten, durchbrach Lilly die Stille.Lilly: "Du würdest mir sagen, wenn ich mir ernsthafte Sorgen um dich machen müsste, oder?"
"Ja.. natürlich.. Mach dir bitte keine Gedanken, Lilly. Ich komme zurecht. Bald bin ich wieder voll da, versprochen"
Sie sah definitiv nicht überzeugt aus und ich rang mir ein halbherziges Lächeln ab, damit sie mich gehen ließ. Ich brauchte jetzt einfach etwas Zeit für mich, was natürlich nicht bedeutete, dass ich Lilly nicht dankbar war. Aber meine Batterien waren restlos leer.
Lilly: "Melde dich bitte morgen bei mir, ja?"
Ich nickte und stieg dann aus. Bevor ich die Autotür schloss, schaute ich noch einmal zu Lilly. Ich fühlte mich, als würde ich sie abservieren und das tat mir leid.
"Danke für alles. Ich meine das völlig ernst. Ich bin froh, dass ich dich habe"
Lilly: "Geht mir genauso"
Sie lächelte mich mitfühlend an und ich schloss die Beifahrertür. Dann machte ich mich endlich auf den Weg zu meinem Zimmer.
Erschöpft ließ ich mich aufs Bett fallen und streifte mir die Schuhe von den Füßen. Meine restlichen Klamotten behielt ich einfach an und rollte mich in die Decke ein. Ich zog die Decke näher an mein Gesicht und atmete Jakes Duft ein. Schon bald würde dieser genauso verschwunden sein, wie er selbst. Er fehlte mir und ich wusste nicht, wie es jetzt weiter gehen sollte. Ich fühlte mich einfach schrecklich nutzlos. Ich hatte zugelassen, dass Jake sich in Gefahr brachte. Nun war er weg und ich hatte keine Ahnung, wie wir Hannah und Richy finden und retten sollten. Die Information, dass es sich wahrscheinlich um zwei Täter handelte, brachte uns trotzdem nicht wirklich weiter. Wir wussten weder wo sie waren, noch was sie als Nächstes vorhatten. Ich hatte völlig die Kontrolle verloren.
Ich zog mein Handy aus meiner Hosentasche. Keine einzige Nachricht. Ich öffnete Jakes Chat. Natürlich war er offline. Ich wollte ihm so vieles sagen, aber wer wusste überhaupt, ob er meine Nachrichten noch erhalten würde? Die Sorge um ihn brachte mich beinahe um."Hey Jake, ich hoffe so sehr, dass du in Sicherheit bist. Ich kann einfach nicht glauben, dass das passiert ist. Du fehlst mir unglaublich. Ich hoffe, dass du irgendwann zurückkommen kannst. Und wenn es soweit ist, werde ich hier sein. Ich liebe dich"
Stumme Tränen hatten sich in meinen Augen gebildet und ich sendete die Nachricht ab. Ich fragte mich, wo er wohl gerade war und was er machte. Ich sah rüber zu seinem Stuhl, auf dem er gestern noch gesessen hatte. Ich dachte daran, wie konzentriert er aussah, wenn er an seinem Laptop arbeitete, wie sich dann diese kleine Falte auf seiner Stirn bildete und wie schnell seine Finger über die Tastatur flogen. Ich kniff die Augen zusammen, ich musste damit aufhören. Am Liebsten wollte ich einfach nur schlafen, um der Realität wenigstens für ein paar Stunden entfliehen zu können, doch den Gefallen tat mir mein Körper nicht. Und so lag ich da, allein mit meinen Gedanken, und erst als bereits die ersten Sonnenstrahlen durch die Vorhänge schienen, schlief ich ein.
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A Duskwood Story
Mystery / ThrillerSie darf keine Zeit mehr verlieren. Ihre Freunde sind in Gefahr, und so beschließt Tasha, entgegen ihres Versprechens, nach Duskwood zu reisen, um dem Albtraum ein Ende zu bereiten. Doch was, wenn der Mann ohne Gesicht genau darauf gewartet hat? Kan...