56. Gefangen

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Sonntag 02. April 2017

Mattis hatte die Augen geschlossen und lauschte dem stetigen Klopfen des Regens, welcher gegen die kleinen Fenster prasselte, die sich unterhalb der Decke befanden.

Er konnte nicht sagen, wie lange er bereits in diesem Keller hauste, doch um den Handgelenken hatten sich Wunden gebildet, die eine junge Frau namens Clara stetig neu verbunden hatte. Wie oft er sie gebeten hatte, ihn zu befreien, konnte er ebenfalls nicht sagen. Sie hatte jedesmal nur milde gelächelt und ihm gesagt, er sollte schlafen.

Jahrelang war er abgetaucht, nur seine Eltern hatten gewusst, dass er für einige Zeit sogar das Land verlassen hatte. Jeder sollte denken, er sei Tod. Es hatte sogar eine Beerdigung gegeben. Als Sohn eines Bestatters war das einfach gewesen. Jeder glaubte, er sei zusammengebrochen und hatte sich das Leben genommen. Nur eine Handvoll Menschen wussten, dass dem nicht so war.

So genau wusste Mattis nicht, wie er hierher gekommen war, wo immer das auch war. Er hatte keine Ahnung. Er war auf dieser Matratze aufgewacht, auf der er noch immer lag.

Sie taten ihm nicht weh, wenn sie ihn besuchten. Essen bekam er von Clara und einem jungen Mann, den er nicht einmal namentlich kannte. Wenn er austreten musste, gab es einen Nachttopf neben der Matratze. Einmal hatten sie ihm die Klamotten runtergerissen und ihn mit dem Gartenschlauch abgespritzt, bevor er für mehrere Stunden nass und nackt zurückgeblieben war. Dann erst durfte er sich ankleiden und zudecken.

An diesem Tag war alles anders. Er spürte regelrecht, wie aufgeregt alle waren. Und seit zwei Stunden war ihm sonnenklar, warum. Der junge Mann, der ihm gegenüber auf einer zweiten Matratze lag, ebenfalls angekettet, schlief noch immer tief und fest. Rohypnol nockte einen für Stunden aus.

Dann endlich rührte er sich. "Jared?"

Leise stöhnte dieser und vergrub das Gesicht in der modrig riechenden Matratze. Ihm war kalt und sein Kopf tat weh, fühlte sich aber gleichzeitig wie in Watte. Was war passiert? Er konnte sich nicht erinnern. Das Letzte, woran er sich erinnerte war, dass er mit Carter in seinem Bett gelegen hatte.

Mattis setzte sich auf. Die Kette der Handschellen war lang genug, aber dick und um ein stabiles Rohr gewickelt. "Jared? Kannst du mich hören?"

"Carter?"

"Ähm ... Nein. Jared, ich ... ich bins. Mattis." Er seufzte leise. "Dein Kopf brummt, was?"

Langsam öffnete Jared die Augen. "Mattis?"

"Hi ...", sagte der sanft. "Da steht Wasser, du musst etwas trinken."

"Träume ich?"

"Das weiß ich nicht. Wenn ja, weck mich bitte. Denn es ist ein Albtraum."

Müde hob Jared die Hände vor sein Gesicht und stutzte. "Was ..."

"Ich denke, es war Rohypnol. Das haben sie bei mir verwendet. Zumindest sagen sie das. Ich weiß es nicht mehr."
"Du lebst."

Mattis senkte den Blick. "Ja ..."

Lange schwieg Jared und es schien fast so, als wäre er wieder eingeschlafen. "Warum hast du mich angelogen?"

"Ich musste. Niemand durfte wissen, dass ich noch lebe. Es tut mir unendlich leid."

"Ich war dein bester Freund. Zumindest hast du mir das gesagt!"

Mattis schaute auf. "Das warst du ... Jared, das bist du noch immer. Du warst immer der einzige Freund, den ich hatte. Ich durfte nichts sagen."

"Und warum nicht? Ich hatte nichts mit ihm zu tun!"

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