„Klaus? Ich bin auf mal krank und kann nicht arbeiten kommen."

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Ich hörte wie Robert die Zettel wieder zusammen faltete und dann auf dem kleinen Tisch neben seinem Sessel ablegte. „Kannst du uns bitte anschauen?", bat Daniel und ich schüttelte meinen Kopf. „Warum nicht?", wollte Robert wissen und ich kniff meine Augen zusammen. „Weil ich mich auf mal so... nackt fühle. Als hätte ich mich komplett ausgezogen. Und jetzt hab ich Angst vor euren Blicken.", gestand ich und spürte wie mir die Tränen in die Augen stiegen.
„Vertraust du uns?", scheinbar war mein Vater aufgestanden, denn es klang als würde er genau vor mir stehen. Sofort nickte ich und zuckte kurz zusammen als ich zwei Hände auf meinen Knien spürte. „Du hast Recht. Du bist der Auslöser für das was passiert ist. Aber niemand von uns hat dir auch nur eine Sekunde lang dir Schuld gegeben. Wieso auch? Du wehrst dich gegen das was die anderen dir antun. Du nimmst es nicht mehr einfach hin, dass sie ihre Wut und ihren Frust an dir auslassen und ich bewundere dich dafür. Denn es ist nicht leicht in permanenter Angst zu leben und dann noch den Mut zu finden und sich seinen Peinigern zu stellen.", erklärte Martin und strich mir dabei über meine Arme, die ich auf meinen Oberschenkeln gelegt hatte.
„Aber ich... ihr...", ich rang um Fassung und konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. „Du sagtest doch gerade das du uns vertraust, oder Trouble?", erkundigte sich Stephan und wieder nickte ich. „Dann vertrau uns dass wir dir nicht böse sind. Egal was passiert, egal was jemand uns antut, für uns ist es nur wichtig wie es dir geht. Das du in Sicherheit bist.", stellte mein bester Freund klar und ich fing an zu weinen.
„Komm schon Kleine. Sprich mit uns.", bat Marie und ich roch im nächsten Augenblick ihr Parfüm neben mir. „Darf ich was vorschlagen?", Pauls Stimme klang brüchig und ich spürte wie mich wieder eine Welle voller Schuldgefühle überrollte. „Natürlich Paul.", antwortete Robert und ich griff nervös nach den Händen meines Vaters.
„Wieso sorgen wir nicht dafür, das Mila etwas hat worauf sie stolz sein kann? Nicht das sie nicht jetzt schon stolz sein kann, aber sie braucht vielleicht etwas normales auf das sie stolz sein kann.", schlug mein Freund vor und ich sah ihn überrascht an.
„Das ist eine gute Idee Paul. Haben Sie etwas genaueres im Sinn?", harkte Robert nach und Paul nickte. „Wir wissen ja alle, das ganz Deutschland Mila und ihre Geschichte kennt. Und sie ist ja noch immer im Fadenkreuz von Hubert. Also geben wir ihr die Chance in die verschiedenen Berufe auf unsere Wache kennen zu lernen. Die Bürofachangestellten, die Reinigungskräfte, die Beamten, die Leitung der Wache.", erklärte Paul und sah seine Kollegen unsicher an. „Das ist genial. Wir könnten eine Stelle für Mila einrichten. Etwas das zu ihr und ihren Fähigkeiten passt. Ich hab da sogar schon eine Idee.", Onkel Klaus war direkt Feuer und Flamme für Pauls Idee.
„Ihr vergesst das wichtigste. Mila, willst du das?", Marie hockte sich neben mich hin und strich mir über den Rücken. „Aber nehme ich dann nicht jemanden den Job weg? Jemanden der besser ist dafür?", verunsichert sah ich meine Stiefmutter an die sanft lächelnd ihren Kopf schüttelte. „Nein. Für dich wird eine Stelle geschaffen, die es noch gar nicht gibt. Einfach um zu schauen wo deine Stärken liegen. Alles ohne Druck und Stress.", erklärte sie und sah mich dann gespannt an.
„Und verdiene ich dann was?", wollte ich von meinem Onkel wissen der direkt nickte. „Natürlich. Jeder der bei mir arbeitet verdient was.", stellte er klar und ich sah zu Paul. „Wie ich schon damals sagte, ich steh immer hinter dir. Das ist deine Entscheidung. Wenn du nach ein paar Stunden, Tagen oder Wochen merkst das du abbrechen willst, ist das auch okay.", erahnte er meine Gedanken und ich atmete tief durch um meine Gedanken zu sammeln.
„Niemand macht dir Druck. Die Entscheidung liegt bei dir. Und wie Paul gerade schon sagte, du kannst auch nach dem ersten Tag sagen dass es nichts für dich ist.", versicherte mir Robert und ich nickte. „Also ist das ein Ja?", Martin, der noch immer vor mir hockte, sah mich gespannt an.
„Ich versuche es. Aber bitte seid nicht enttäuscht wenn ich es nicht schaffe.", stimmte ich dem Vorschlag der Beamten zu und spielte nervös mit meinen Fingern.
„Solange du dein Bestes gibst, werde ich, werden wir, nie enttäuscht sein.", stellte Paul klar und ich lächelte ihn dankbar an.
„Dann bleibt es dabei. Ab nächster Woche kommt Mila zu jeder Schicht von Martin mit und schaut sich die Bereiche der Wache an. Und in drei Wochen setzten sie und ich uns zusammen um zu schauen welchen Job sie machen möchte.", fasste Onkel Klaus die letzten Minuten zusammen und warf einen Blick zu meinem Therapeuten.
„Ich bin da vollkommend mit einverstanden. Mila und ich werden jetzt aber auch wieder jeden zweiten Tag mit einander sprechen. Einfach um sicher zu gehen.", erklärte Robert und zog seinen Terminkalender von dem Tisch neben sich.
Während wir die weiteren Termine besprachen, glitt mein Blick immer wieder zu Paul, der mich die gesamte Zeit ansah.

Auf dem Parkplatz vor der Therapeutenpraxis standen wir noch einen Augenblick zusammen und verabschiedeten uns voneinander. „Ich komme nach Feierabend bei dir vorbei, okay?", raunte mir Paul zu, als die anderen bereits in ihre Autos stiegen. „Ich würde mich freuen.", müde lehnte ich mich an seine Brust und atmete deinen Duft tief ein. „Klaus? Ich bin auf mal krank und kann nicht arbeiten kommen.", rief Paul in die Richtung seines Chefs und schlang seine Arme um mich. „Vergiss es Richter. Wir müssen die Wache auf Hochglanz bringen, wenn meine Nichte schon bei uns arbeiten will.", stellte Onkel Klaus klar und fing an zu lachen, als er die Blicke der anderen sah. „Dann fahren wir jetzt auch heim. Ich will mit meinen Damen noch ein entspanntes Mittagessen genießen, bevor ich in ein paar Stunden ebenfalls den Putzlappen schwingen muss.", scherzte mein Vater und legte Marie seinen Arm um die Hüften.

Kurz darauf sah ich mit Martin und Marie im Auto und sah den Autos der anderen hinterher. „Lass uns doch in das Restaurant am Wald fahren. Dort waren wir schon lange nicht mehr.", schlug Marie vor und mein Vater nickte direkt.
Das letzte was ich sah, waren das Auto das geradewegs auf mich zufuhr.

Unter dem Radar: Die Frau mit den Eisblauen Augen (Teil 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt