„Schon gut Junge. Ich nehm dir deine Mila schon nicht weg."

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*zwei Wochen später*

„Mila, ich merke doch wie sehr dich die Sache mit Paul bedrückt, aber du musst darüber reden.", bat mich Robert und sah von seinem Notizbuch auf. „Was soll das bringen? Soll ich ewig darüber diskutieren wie bescheuert ich mich verhalten habe? Das ich mich selber dafür hasse, dass ich ihn nicht mal ausreden lassen habe? Das ich jede Nacht davon träume dass er durch die Tür kommt, mich anlächelt und mir sagt das er mich liebt?", fuhr ich ihn an und hörte damit auf, Balu zu streicheln.
„Ja, genau das solltest du tun.", antwortete der Therapeut knapp und schrieb was in sein Notizbuch. „Aber ich will nicht darüber reden. Eben weil es so sehr weh tut als würde ich von innen heraus verbrennen. Als würde ich bei jedem neuen Gedanken, Stück für Stück, auseinander gerissen werden. Als würde mein ganzer Körper ihn so sehr vermissen das ich erst dann wieder glücklich sein könnte wenn er neben mir liegt, wenn er neben mir liegt und ich mich an ihn kuschele. Denn nun dann bin ich ganz. Dann bin ich glücklich.", sprach ich mir alles von der Seele und strich dabei wie besessen über das Fell meines Hundes.
„Ich ahne wie du dich fühlst Mila, denn ich war mal in einer ähnlichen Situation. Aber ich habe den Blick von Paul gesehen. Wie er dich ansieht wenn du den Raum betrittst. Wie er strahlt wenn du lachst oder wie er gefühlte zehn Meter größer wird und bereit ist sich gegen alles und jeden auf der Welt zu stellen, wenn du dich an ihn lehnst.", versicherte Robert und ich sah ihn überrascht an. „Was genau wundert dich daran? Ich dachte du weißt wie seine Gefühle dir gegenüber sind.", ich brauchte nicht aufzuschauen um zu wissen wie er mich gerade ansah.
Die restliche Stunde sprachen wir darüber, warum ich direkt geflohen war und nicht bei Paul oder meinem Vater angerufen hatte.

Zwei Tage später fand das Osteressen der Wache statt. Obwohl ich mich dagegen sträubte begleitete ich meine Eltern dahin. „Gut siehst du aus Trouble.", log Stephan total offensichtlich als wir am Park ankamen. Ohne ihm auch nur mit einem Wort zu antworten ging ich an ihm vorbei und suchte mir einen Sitzplatz weit hinten.Nur bleib ich nicht so lange allein wie ich es gerne hätte. „Das ist also der Sagenumwobene Balu?", Robin kam auf mich zu und hielt bereits ein Bier in der Hand. „Jep.", ich warf ihm einen raschen Blick zu und tat dann weiter so als würde ich loses Gras aus dem Fell des Hundes zupfen.
„Du hast also genauso miese Laune wie er.", murmelte Robin und nippte an seinem Bier. „Wen meinst du?", harkte ich nach und hoffte inständig mehr von Paul zu hören. „Wer wohl? Dein Man. Der läuft auf der Wache rum und giftet jeden an.", scherzte der Oberkommissar und ich presste meine Lippen zusammen um nichts zu sagen. „Der ist nicht mal auf die besten Spruch-Vorlagen eingegangen.", beschwerte sich Robin und nahm noch einen Schluck von seinem Bier. Gerade als er seinen Mund öffnete, wohl um noch was zu sagen, begann Balu laut an zu bellen. „Schon gut Junge. Ich nehm dir deine Mila schon nicht weg.", lachte der Oberkommissar und eilte direkt davon.
Nun war ich wirklich allein und konnte mich ganz meinen Gedanken hingeben. „Warum hat Papa mir nicht gesagt das es Paul so mies geht?", brummte ich dem Rottweiler zu und vergrub meine Hand in seinem Fell. „Ich wollte nicht das er leidet. Es tut mir so leid.", schluchzte ich und drückte nun auch mein Gesicht in Balus Fell. Als würde er mich trösten wollen, begann Balu damit meine Unterarme, die nicht von dem Stoff des Kleides das ich trug bedeckt waren, abzulecken.
Mit dieser Geste schaffte er es dass ich mich nach knappen zwanzig Minuten so weit beruhigt hatte, das ich mich wieder aufsetzten konnte. Mit seinem Kopf in meinem Schoß wischte ich mir die Tränen aus dem Gesicht und ließ meinen Blick über die Umgebung schweifen. Der Park hatte sich in der Zwischenzeit gut gefüllt und zwischen den Erwachsenen liefen auf etliche Kinder umher. Ich entdeckte Hannah, Jule, Daniel und Stephan die zusammen standen und gerade über etwas lachten. „Vor ein paar Wochen hätte ich noch bei denen gestanden. Aber nein ich musste ja wie eine Furie ausrasten und mein Leben zerstören.", brummte ich Balu zu der mich mit seinen bernsteinfarbigen Augen traurig an. „Sieh mich nicht so an. Es geht mir schon beschissen genug. Du weißt selber wie oft ich ihm schreiben wollte es aber nicht getan habe. Wie oft ich schon kurz davor war ihn anzurufen aber dann doch nicht den Mut gehabt habe.", beschwerte ich mich beim Rottweiler und verstummte als ich meinen Vater entdeckte. Vor ihm stand ein Mann von dem ich direkt wusste wer es war. Paul trug eine dunkele Hose und ein weißes Hemd das so durchsichtig war das ich auf die Entfernung sein Unterhemd sehen konnte. Noch zu genau konnte ich mich an seine Muskeln erinnern, wie sie sich unter meinen Händen anfühlten, wie sie sich bewegten als Paul und ich... Um nicht weiter darüber nachzudenken schüttelte ich meinen Kopf und sah mich weiter um. Aber egal wie sehr ich mich auch bemühte, meine Gedanken und vor allem mein Blick glitt immer wieder zu Paul. Es schien ihm gut zu gehen, er schien noch mehr Muskeln bekommen zu haben. Logisch wenn er wieder auf dem Markt war. Ob er sich schon mit einer neuen Frau traf? Oder sogar schon in einer neuen Beziehung war?
Um irgendwie auf andere Gedanken zu kommen sah ich auf den Rasen vor mir, was aber auch nichts brachte, denn vor mir wuchsen einige Gänseblümchen die mich direkt an den Tag nach Stephans Geburtstagsfeier erinnerten. Als wir noch glücklich und vor allem verliebt waren. Ohne es zu merken rupfte ich eine Blume raus und roch daran. Sofort schossen mir wieder Tränen in die Augen die mehr brannten als die davor. „Ich vermisse ihn so.", seufzend legte ich Balu das Gänseblümchen auf den Kopf und zog eine Packung Taschentücher aus meiner Handtasche.

Unter dem Radar: Die Frau mit den Eisblauen Augen (Teil 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt