„Jungs, mitkommen."

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Kaum hatten wir den kleinen Raum mit den Sicherheitskameras erreicht, wurde ich schon in einen Stuhl gedrückt. „Dann wollen wir mal.", murmelte Tobi und machte sich an meiner Hand zu schaffen. Ich blickte währenddessen auf die Monitore neben mir und beobachtete wie ein Streifenwagen ins Bild fuhr und gekonnt einparkte.
„Papa und Onkel Klaus kommen.", informierte ich Tobi, der daraufhin richtig hektisch wurde. „Alles gut?", erkundigte ich mich mit gerunzelter Stirn. „Ja. Muss nur schnell fertig werden.", nuschelte der Oberkommissar, als wir hörten wie mein Martin und der Dienststellenleiter näher kamen. „Aber warum?", harkte ich überrascht nach und zuckte zusammen als ich die Stimme meines Vaters durch das kleine Loch in der Glasscheibe hören konnte. „Ja Tobi. Warum verbindest du gerade die Hand meiner Tochter?", brummte der Oberkommissar und schien als würde er am liebsten durch das Guckloch kriechen.
„Das ist nur ein harmloser Papierschnitt.", erklärte ich ihm und hob meine Hand, auf die Tobi gerade das Pflaster geklebt hatte. „Lässt ihr uns dann rein?", bat Onkel Klaus und hielt zwei Tüten vom Lieferservice hoch. „Klar.", der Beamte vor mir streckte sich und drückte auf einen kleinen Schalter der auf dem Tisch befestigt war. Mit gefühlten zwei Schritten stand mein Vater neben mir und griff nach meiner Hand.
„Das ist nur ein Papierschnitt. Ich sollte ja die Akten einsortieren und mir ist eine Kiste aus den Händen gerutscht. Deswegen sind alle Akten auf dem Boden gelandet und ich hab mich beim einsammeln geschnitten.", erklärte ich meinem Vater und beobachtete ihn wie er sich meine Hand genauer ansah. „Und wieso tut dir dann die Schulter weh?", wollte Martin wissen und strich vorsichtig über das Pflaster. „Tut sie nicht.", widersprach ich und kniff die Augen zusammen als er sanft gegen mein rechtes Schlüsselbein tippte. „Na gut. Es tut weh.", gab ich kleinlaut zu und lehnte meinen Kopf an die Wand hinter mir.
„Willst du in die Klink? Wieso hast du nicht aufgepasst? Oli meinte doch das du aufpassen musst. Hier laufen doch ne menge Leute rum, die dir helfen könnten. Oder du hättest auf mich warten können.", tadelte mich Papa in einer Tour und ließ mir nicht mal die Chance etwas zu sagen. „Iss.", brummte Onkel Klaus und stopfte meinem Vater, als dieser gerade wieder seinen Mund öffnete, eine Handvoll Pommes in den Mund.
„Also Mila. Willst du zum Arzt?", wand sich der beste Freund meines Vaters an mich während Martin ihn fassungslos ansah. „Nein. Alles gut.", erwiderte ich und sah aus den Augenwinkeln wie Stephan und Daniel vor der Glasscheibe auftauchten. „Jungs, mitkommen.", befahl Papa und sprang auf. „Okay...", murmelnd sahen sich meine besten Freunde an und folgten dann ihrem älteren Kollegen, nachdem er die beiden reingelassen hatte.
„Ich weiß jetzt schon was sie machen dürfen.", prophezeite Onkel Klaus, als ich aufstand und dem Dienststellenleiter in den Konferenzraum folgte. „Was denn?", ich sah dem Hauptkommissar mit großen Augen an und ahnte schon das schlimmste. „Die dürfen jetzt die Kisten neben den Aktenschrank stellen, damit du es nicht mehr machen musst.", erklärte mir mein Onkel und lächelte mich sanft an.

*drei Tage später*

„Also Mila, wie gefällt dir die Arbeit bisher?", Robert stand an der Fensterbank und beobachtete mich dabei wie ich die Akten in den Schrank sortierte. „Ganz gut.", antwortete ich knapp und griff nach dem nächsten Stapel Akten. „Okay, und hast du noch mal von der Frau geträumt?", harkte mein Therapeut nach und ich hielt für einen Augenblick in der Bewegung innen und tat dann so als wäre nichts passiert. „Also ja. Was hat sie diesmal gemacht?", wollte Robert wissen und ich ließ niedergeschlagen meinen Kopf hängen.
„Komm schon. Du hast doch beim letzten mal auch von ihr erzählen können. Was hat sich geändert?", durchschaute mich der Therapeut als ich so tat als hätte ich ihn nicht gehört. „Es hat sich einfach so real angefühlt. Sie hat mich vom Auto meiner Eltern weg gebracht und meinte dass ich zu ihr gehören würde. Das sie mich pflegen würde.", erklärte ich und legte die Akten an die richtigen Plätze. „Sicher das du dir das nicht eingebildet hast? Das du dir Marie dabei vorgestellt hast?", überlegte Robert laut und ich schüttelte meinen Kopf. „Das ist nicht Marie gewesen. Die Frau war jünger. Und trug eine Brille. Ich glaube das sie blaue Augen hatte. Mama hat grüne.", zählte ich die Unterschiede auf und griff nach dem nächsten Stapel Akten. „Es kommt übrigens immer öfter vor, dass du Marie Mama nennst. Ist das beabsichtigt?", harkte Robert nach und ich hörte wie er etwas aufschrieb.
„Ähm... eigentlich nicht. Vor ein paar Wochen hab ich Panik bekommen wenn Papa das Wort Mama erwähnt hat. Mittlerweile fühlt es sich an das wäre Marie meine Mama und ich wünschte es wäre wirklich so.", erklärte ich ihm und sortierte weiter die Akten ein. „Warum macht ihr sie nicht zu deiner Mutter?", schlug Robert vor und ich drehte mich überrascht zu ihm. „Ja, wieso lässt du dich nicht von Marie adoptieren?", erklärte der Therapeuten und ich runzelte meine Stirn. „Aber ich bin doch volljährig.", wand ich ein und wollte mich wieder zu den Akten drehen, als ich den Blick von Robert sah.
„Und? Es gibt so was wie eine Erwachsenenadoption. Ich glaube in deinem Fall würde sogar die Stiefkindadoption greifen. Ich werde mich mal darüber schlau machen.", der Therapeut notierte sich was in seinem Notizbuch und sah mich dann gespannt an. „Also wenn du meine Meinung zu deiner Idee wissen willst, ich finde es super. Aber ich weiß nicht, ob Marie das so gut findet. Für sie würde sich ja einiges ändern. Wenn du aber weiter über die fremde Frau sprechen willst, dann bin ich mir sicher dass ich bereits alles gesagt habe.", mit einem unechten Lächeln in seine Richtung drehte ich mich wieder zu dem Aktenberg der nicht kleiner zu werden schien.
„Und wie läuft es sonst so? Also mit dem zur Statue werden? Und den Albträumen?", wechselte Robert das Thema und ich ließ meine Schultern hängen. „Ich bin zwar nicht zur Statue geworden. Aber ich sehe es Paul an, das die Albträumen mehr werden. Sogar Papa hat sich gestern verplappert. Er hat Paul gefragt wieso wir uns gestritten haben und Paul sagte nur dass wir geschlafen hätten.", gestand ich ihm und spürte wie mir die Tränen in die Augen stiegen. „Ach Mensch. Aber vielleicht versucht sich dein Unterbewusstsein an die Frau zu erinnern.", versuchte Robert mich zu trösten, aber ich schüttelte meinen Kopf.

Unter dem Radar: Die Frau mit den Eisblauen Augen (Teil 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt