„Was machst du hier Kleine? Ist was passiert?"

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„Bist du sicher dass Balu die Fährte von Mila hat und nicht von irgendeinem Tier?", hörte ich eine tiefe Stimme direkt vor dem Raum in dem ich mich versteckt hatte. „Natürlich. Er ist ihr in den letzten Monaten nicht von der Seite gewichen und laut Marie wollten sie mit ihm joggen.", brummte eine zweite Stimme die man ohne viel Fantasie meinem Vater zuordnen konnte. „Er zieht in den Raum da vorne.", rief eine dritte, diesmal höhere Stimme und ich machte mich noch kleiner als ohnehin schon.
Aber meine Versuche waren vergebens. Keinen Augenblick später spürte ich die kalte Hundenase des Rottweilers an meiner Wange und im nächsten wurde ich von Licht der Taschenlampen geblendet. „Mila!", erleichtert eilte Papa auf mich zu und zog mich in seine Arme. „Was machst du hier Kleine? Ist was passiert?", wollte Onkel Klaus wissen und strich mir über den Hinterkopf. „Wenn du uns eine Übungsaufgabe stellen wolltest, hättest du es auch einfacher haben können.", scherzte Hannah und ich vergrub mein Gesicht in die Brust meines Vaters.
„Sprich bitte mit uns. Ich dachte es geht dir gut, warum bist du wieder abgehauen?", bat Papa und obwohl ich mich dagegen wehrte drückte er mich ein paar Zentimeter von sich weg. Kopfschüttelnd versuchte ich mich wieder an ihn zu pressen aber er hielt mich eisern von ihm weg. „Warum hast du geweint? Bist du verletzt?", wollte er wissen und ich presste meine Lippen aufeinander.
„Wie wäre es, wenn Mila und ich kurz reden und ihr beiden mal der Wache Bescheid sagt?", schlug Hannah vor und hockte sich neben mich. Widerwillig ließ Martin mich los und ging mit Onkel Klaus aus dem Raum. Zurück blieben Hannah und ich, und Balu der sich dicht vor mich setzte und seinen Kopf auf meinem Schloß ablegte.
„Jetzt rück raus mit der Sprache. Was ist passiert?", gespannt sah mich meine beste Freundin an und wider schüttelte ich meinen Kopf. „Hat dir jemand weh getan?", harkte sie nach und ich nickte kaum merkbar. „Brauchst du einen Rettungswagen? Wo bist du verletzt?", besorgt glitt der Blick der Polizeikommissarin über meinen Köper und stoppte als ich meinen Kopf schüttelte. „Jemand hat meine Gefühle verletzt. Sehr schwer sogar.", meine Stimme war zittrig aber sie brach nicht – noch nicht.
„Wer hat denn deine Gefühle verletzt?", ließ meine beste Freundin nicht locker und zog mich in ihre Arme. Als ich wieder schwieg strich sie mir über den Rücken: „Komm schon Mila. Ich kann dir nur helfen wenn ich weiß was los ist. Hat dich jemand beleidigt? Dann zeigen wir denjenigen an. Ist dir jemand zu Nahe gekommen ohne das du es wolltest? Dann lernt er oder sie Zivil-Hannah kennen. Aber dafür muss ich erst, wie ich schon sagte, wissen was passiert ist.", flehte sie schon fast und brachte mich damit wieder zum weinen.
„Es war Paul. Oder besser gesagt eine Kollegin von euch. Sie war mit ihrer Streifenpartnerin am See wo ich immer joggen bin. Dort hat sie ihrer Kollegin erzählt wie toll Paul doch ist, wie gut der Sex ist und er nur noch mit mir zusammen sei, weil er nicht wollte das ich mich umbringe.", platze alles aus mir heraus und Hannah drückte mich noch enger an sich.
„Weißt du wie die beiden Kolleginnen heißen?", obwohl man ihr die Wut anhören konnte, versuchte die Polizeikommissarin ruhig zu bleiben. „Ich glaube es waren Isabell und Sandra. Und mit dieser Sandra hat Paul mich... Ich kann es nicht mal aussprechen ohne das ich kotzen muss.", fluchte ich und krallte mich in die Uniform meiner besten Freundin.
„Nur das wir uns richtig verstehen, ich stehe auf deiner Seite. Willst du ihm in die Eier treten, dann werde ich ihn festhalten. Aber ich kann mir nicht vorstellen das Paul so was tun würde. Ich meine er vergöttert dich. Hat sich mühsam dein Vertrauen und das deines Vaters erarbeitet und vor allem seid ihr beiden durch so viel Mist gegangen und das hat euch doch nur noch enger zusammen geschweißt. Wieso sollte er jetzt alles weg werfen?", murmelte Hannah und strich mir dabei sanft über den Rücken.
„Vielleicht weil ihm eben alles zu viel wurde. Zu schwer. Ich bin nicht normal und ziehe die Probleme stärker an als zwei gegenpolige Magnet sich gegenseitig.", wand ich ein und Balu begann zu bellen als würde er mir widersprechen. „Siehst du? Er denkt auch das du Mist erzählst. Nun lass uns hoch gehen. Denn ich hab nicht nur Angst vor großen Hunden sondern auch Angst vor großen Spinnen. Und da drüben hockt einem die größer als mein Kopf ist.", bat Hannah und wies mit ihrer Taschenlampe zu einer Ecke des kleinen Raumes.
Damit schaffte sie es, das ich zu mindestens leicht lächelte als wir Hand in Hand durch die dunkeln Gänge und durch die nun komplett geöffnete Tür aus dem Bunker gingen. „Und?", sofort stand Papa vor mir und legte mir seine Uniformjacke um. „Das erkläre ich dir auf der Wache. Zuerst muss ich dringend telefonieren.", brummte Hannah und drückte meine Hand noch mal, bevor sie sie los lies. Nach einem kurzen Blick zu mir, folgte Balu Hannah ein paar Meter weiter in den Wald hinein, wohl um sie im Ernstfall zu beschützen. „Sieh an. Scheinbar gehört Becker nun auch zum Fuchsrudel.", lachte Onkel Klaus und stellte sich neben meinen Vater. „Scheint so. Ich würde nun aber gerne trotzdem wissen was los ist.", stellte Martin klar und sah mir weiterhin prüfend in die Augen.
Ich weiß nicht wie lange wir so da standen, aber irgendwann kam Hannah wieder und ließ ihr Handy in zurück in ihre Uniform gleiten. „So ich bin soweit. Wir können fahren. Achja, Klaus ich würde dich bitten die nächste Stunde ganz nah bei Martin zu bleiben, damit der keine Scheiße baut, ja?", zwar lächelte meine beste Freundin aber ich kannte sie gut genug um zu wissen dass sie innerlich kochte. „Geht klar. Auch wenn ich keine Ahnung hab was hier vor sich geht.", stimmte der Dienststellenleiter zu und legte seinem Kollegen eine Hand auf die Schulter.
Ohne seinen Blick von mir zu nehmen, bugsierte mich der Hauptkommissar zu dem Streifenwagen und setzte sich mit mir hinten hinein.

Unter dem Radar: Die Frau mit den Eisblauen Augen (Teil 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt