„Und da ist die Schokolade auch schon."

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„Hey Mila, wie geht es dir?", kaum saß ich auf der Trage, rollte Oliver auf einem kleinen Hocker zu mir heran. „Pausenbrot, Mücke, Kühlschrank.", erklärte ich und sah zu Paul in der Hoffnung das er mich verstanden hatte. „Wir wurden auf offener Straße angegriffen. Dort wurde Mila eine Spritze in den Oberarm gejagt. Wenn mich nicht alles täuscht hat mein Kollege die Spritze einer Krankenschwester gegeben.", erklärte mein Freund und setzte sich neben mich auf die Liege. „Seid wann hat sie die Sprachstörungen?", harkte Oli nach und leuchtete mir in die Augen. „Die tauchten erst mit knappen zehn Minuten Verspätung auf. Sprich die Störung dauert bereits zehn Minuten.", informierte Paul den Arzt und ich nickte. „Scheinbar versteht sie uns aber. Stimmt das Mila?", mutmaßte Oliver und wieder nickte ich.
„Das ist schon etwas.", mit einem sanften Lächeln auf den Lippen zog Oliver ein Stethoskop aus seinem Kittel. „Schokolade?", wollte ich von ihm wissen und zuckte kurz zusammen als das kalte Metall meine Haut berührte. „Dein Vater? Ja der ist unterwegs. Als der Funkspruch kam hab ich ihn direkt angerufen. Er und deine Mutter müssten jede Sekunde...", fing Oliver an bevor er vom aufreißen der Tür unterbrochen wurde. „Und da ist die Schokolade auch schon.", scherzte Paul und stand auf um meinen Eltern genug Platz zu geben.
„Was ist denn passiert?", wollte Mama wissen während Papa seinen Blick über meinen Körper schweifen ließ. „Banane, Orangensaft, Apfel, Sushi.", erklärte ich ihm und rieb mir meine Augen. „Hast du Hunger? Ich bin mir sicher das wir das Richtige für dich zuhause haben. Sonst gehen wir einkaufen.", beteuerte Marie und sah fragend zu Oliver. „Da muss ich dich enttäuschen Marie. Ich behalte Mila solange hier bis ich weiß was in der Spritze war und vor allem bis sie wieder richtig reden kann.", erklärte der Arzt und ich ließ meine Schultern hängen.
„Kopf hoch, Mila. Du hast schon viel schlimmeres überlebt, da haut dich doch so ein Wörtersalat nicht aus den Socken oder?", versuchte Paul mich aufzuheitern aber ich schüttelte mit Tränen in den Augen meinen Kopf. „Es wird alles werden. Die Laborwerte sind bestimmt gleich da, aber wir können dir auch schon mal etwas Blut abnehmen um zu gucken wie viel von dem Wirkstoff bereits in deinem Blutkreislauf ist.", schlug der Arzt vor und ich zog direkt meinen Pulloverärmel hoch.

„Ich würde gerne mal wissen was rauskommt wenn du meinen Namen sagst.", scherzte Oliver während der Blutabnahme, wohl um mir die Angst zu nehmen. „Oktopus Döner.", antwortete ich und freute mich dass die Anfangsbuchstaben stimmten. Scheinbar fiel das den anderen auch auf, denn das Lächeln auf dem Gesicht des Arztes schein seinen Kopf fast zu umrunden.
„Dann komme ich ja genau richtig. Die Blutwerte sind da, Doktor Döner.", Schwester Bär tauchte neben uns auf und hielt dem Notarzt eine Pappakte hin. „Perfektes Timing wie immer Linda. Kannst du die Blutproben ins Labor bringen? Prio eins.", bat der befreundete Arzt und hielt der blonden Frau das abgenommene Blut hin. „Klar Chef.", mit einem professionellen Lächeln übergab die junge Krankenschwester die Akte und verschwand dann wieder.

„Ich erspare euch mal die ganzen Fachbegriffe, aber es gibt ein Medikament, das nur Ärzten zugänglich ist, das in der Spritze nachgewiesen wurde. Wenn nur ein kleiner Teil in den Körper gelangt hat es die selben Auswirkungen wie bei Mila.", fing Oliver an zu erklären nachdem er die Zettel in der Akte überflogen hatte. Nervös tippte ich meinem Vater auf die Schulter und hielt meine Hände weit auseinander in der Hoffnung das er mich verstehen würde.
„Das würde ich auch gerne wissen, Mila.", gab Papa zu und drehte sich dann zu dem Mediziner, „Was würde passieren wenn sie eine größere Dosis abbekommen hätte?". Da Oliver zuerst schwieg griff ich nach der Hand von Marie und drückte sie an meine Brust. „Sagen wir es so, wir sollten dankbar dafür sein, das Paul die Spritze direkt rausgezogen hat. Ich injiziere ich gleich das Antidot, wenn ich weiß wie hoch die Dosis in ihrem Blut ist.", beruhigte der Arzt uns und ich sah direkt zu Paul hinüber, der sich verlegen durch die Haare fuhr. „Richter? Wenn du das nächste mal bei uns bist, dann bekommst du einen Hausschlüssel.", brummte Papa und mein Blick schnellte zu ihm.
„Paul, alles klar?", hörte ich Oliver besorgt fragen und sprang direkt von der Liege um zu meinem Freund zu eilen. „Ja, alles gut.", nuschelte der Oberkommissar und drückte mich an seine Brust. „Sicher? Du bist mit einem Mal weiß wie die Wand.", unschlüssig kam Oliver näher und nahm eines von Pauls Handgelenken in seine Hand.
„Ja, ich hab nur nie gedacht das ich so weit komme. Ich meine vor einem Jahr hat er mich fast getötet wenn ich Mila nur angesehen habe. Und nun bekomme ich sogar einen Hausschlüssel.", erklärte Paul und atmete tief ein als müsste er sich sammeln bevor er weiter sprach. „Junge, du stellst mich ja da als wäre ich voll das Monster.", echauffierte sich mein Vater und stand ebenfalls auf. „Weihnachtsessen, Bananenquark, Holunderblütensirup.", widersprach ich und hob meinen Kopf so weit das ich meinen Vater streng ansehen konnte. „Ja ich weiß, ich war nicht immer Fan von eurer Beziehung. Aber ich hab mich gebessert und kann mir mittlerweile niemanden besseren an der Seite meiner Tochter vorstellen.", gestand Martin und ich konnte hören wie das Herz von Paul zu rasen begann. Davon abgelenkt bekam ich nicht mit wie meine Eltern sich flüsternd unterhielten.
Da ich langsam Mühe hatte auf den eigenen Beinen zu stehen lehnte ich mich noch mehr an meinen Freund als ohnehin schon. „Mila? Was ist los?", sofort drückte Paul mich enger an sich und auch mein Vater und Oliver eilten an meine Seite. „Müsli.", hauchte ich entkräftet und schaffte es kaum noch das meine Augen offen blieben. „Legt sie auf die Liege. Ich gebe ihr jetzt schon die erste Dosis vom Antidot.", bestimmte der Notarzt und nicht mal eine Sekunde danach wurde ich auch schon hoch gehoben und auf die Liege gelegt.
„Wir sind bei dir Mila. Du bist keine Sekunde...", hörte ich Marie noch sagen ehe mich das schwarze Loch verschluckte.

Unter dem Radar: Die Frau mit den Eisblauen Augen (Teil 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt