„Jemand war in meinem Zimmer. Fängt wieder alles von vorne an?"

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„Wieso bist du nicht zu uns gekommen?", Daniel saß auf dem zweiten Sessel, Hannah und Jule auf dessen Lehnen. „Ich weiß nicht. Ich hab an gar nichts mehr gedacht. Ich bin einfach gelaufen.", gestand ich und warf Paul einen raschen Blick zu. „Ich bin dir nicht böse. Warum auch? Martin ist dein Vater. Dein sicherer Hafen. Ich werde den Teufel tun und dir deswegen sauer sein.", beteuerte er und strich mir über den Rücken.
„Ich bin müde. Tut mir leid.", ich stand auf und ging zwischen Stephan und Martin hindurch in den Flur. „Ich komme gleich nach.", rief mir Paul hinterher als ich schon im ersten Stock angekommen war. An sich wollte ich mich einfach auf mein Bett werfen und schlafen, aber als ich meine Zimmertür öffnete bleib ich geschockt stehen. Die Balkontür stand offen, obwohl ich mir zu hundert Prozent sicher war, dass ich sie am Morgen geschlossen hatte. Mein Blick glitt durch den Raum und blieb auf meinem Bett hängen. Ganz vorsichtig, als müsste ich aufpassen wohin ich trat, ging ich in mein Zimmer und näherte mich dem Bett.
Es schien als würde jemand unter meiner Decke liegen, aber das konnte nicht sein. Alle die ich kannte waren unten im Wohnzimmer. Auch bewegte sich die Person nicht, sie schien nicht mal zu atmen. Auf alles vorbereitet zog ich die Decke weg und drückte mir die Hand auf den Mund.
Auf meinem Bett lag eine Schaufensterpuppe, die meine Kleidung trug. Und vor allem hatte ihr jemand ein Bild von meinem Gesicht auf das Puppengesicht geklebt. Was mir aber am meisten Angst machte waren die Fotos die um die Puppe herum lagen. Auf allen war ich zu sehen. Entweder beim einkaufen mit Marie, im Krankenhaus bei den Physiotherapie Stunden nach meinem Koma oder selbst als ich mit den anderen vor Roberts Praxis stand, Minuten bevor wir den Autounfall hatten.
Ohne meinen Blick vom Bett zu nehmen ging ich wieder rückwärts aus dem Zimmer und schloss die Tür. Um mich dann auf dem Absatz umzudrehen und die Treppe beinahe runter zu fliegen. „Wow, Trouble. Wenn du uns unbedingt verabschieden willst, reicht es doch wenn du die Treppe normal runter kommst.", lachte Stephan als ich ihm in die Arme fiel. „Jemand war in meinem Zimmer.", keuchend sah ich mich nach meinem Vater um.
„Was?", direkt wurde ich an Marie weitergereicht und die Beamten fegten an mir vorbei die Treppe hoch. „Komm wir warten im Wohnzimmer.", schlug Marie vor und zog mich mit sich. „Jemand war in meinem Zimmer. Fängt wieder alles von vorne an?", mir stiegen die Tränen in die Augen. „Nicht solange ich hier bin.", meine Stiefmutter griff nach einer Sofadecke und legte sie mir um die Schulter. „Aber jemand war in meinem Zimmer.", ich begann am gesamten Körper zu zittern und bekam immer schlechter Luft. „Tief durchatmen Mila.", versuchte Marie mich zu beruhigen aber ich steigerte mich immer mehr in die Panik hinein.
„Paul! Mila braucht dich!", rief meine Stiefmutter und ich zuckte unwillkürlich zusammen. Als sich schnelle Schritte dem Wohnzimmer näherten begann ich noch heftiger zu zittern und Sterne begannen vor meinen Augen zu tanzen. „Ich bin hier. Du bist sicher.", sprach mein Freund sanft auf mich ein und zog mich in seine Arme. Es dauerte zwar, aber irgendwann entspannte ich mich so weit, dass ich wieder richtig sehen konnte. Meine Freunde waren in der Zwischenzeit ins Wohnzimmer gekommen und auch mein Vater war wieder da. Nur Onkel Klaus war weg. „Er ist mit der Spusi oben.", erahnte Hannah meine Gedanken und hielt mir eine Wasserflasche hin. „Kein Durst.", lehnte ich ab wobei meine Stimme heiser klang und mein Hals staubtrocken war. „Du hast in den letzten zwanzig Minuten extrem geschwitzt. Irgendwie musst du deinen Wasserhaushalt wieder auffüllen.", blieb Marie hart und zog mich an meinem Oberarm hoch. In dem Moment in dem ich saß, drückte sie mir den Flaschenhals an die Lippen. Da ich zu müde war um mich irgendwie zu wehren trank ich die Flasche halbleer bis Marie Erbamen mit mir hatte. „Ich bin stolz auf dich.", raunte mir Paul zu und zog mich wieder in seine Arme.
„Bevor du weiter schläfst, hast du noch irgendwas gesehen das uns weiter hilft?", mein Vater hockte sich vor mich und Paul hin und legte mir eine Hand auf die Schulter. „Nein. Hab nur die Decke weg gezogen. Die Balkontür stand offen, obwohl ich sie mit Sicherheit geschlossen habe.", erwiderte ich und schloss meine Augen. „Ihr habt doch eine Überwachungskamera hier. Hat die nichts ausgezeichnet?", erkundigte sich Stephan und ich hörte wie Martin aufstand. „Das hab ich schon gecheckt. Scheinbar wusste der Täter von der Kamera und ist ihr gekonnt ausgewichen.", brummte mein Vater und schien sich neben Marie auf das Sofa zu setzen.
„Keine Sorge Mila. Wir werden schon rausfinden wer das war.", versicherte Paul und fuhr mit seinen Fingern in meine Haare. Augenblick entspannte ich mich so sehr das ich einschlief.

„Mila, du musst aufwachen.", jemand rüttelte an meiner Schulter und ich riss meine Augen auf. „Ich bin es nur. Du hast jetzt fast fünfzehn Stunden geschlafen und musst was essen.", Marie legte mir eine Hand auf die Wange und lächelte mich sanft an. „Wo sind Papa und Paul?", vorsichtig setzte ich mich auf und lehnte mich an meine Stiefmutter. „Sie sind arbeiten.", antwortete sie und strich mir dabei über den Rücken, „Sie sagten aber, dass wir sie jederzeit anrufen können wenn was ist.".
„Schon gut.", ich schob sie von mir und stand mit wackeligen Beinen auf. „Ich koch uns eben was schnelles.", bot ich Marie an und schlurfte in die Küche. „Das brauchst du nicht, das hab ich nämlich schon getan.", Marie kam hinter mir her und drückte mich auf einen Küchenstuhl. Sekunden danach stand ein Teller mit Kartoffelbrei und Frikadellen vor mir, die ich hinunterschlang als hätte ich tagelang nichts gegessen. „Was hältst du davon, nach dem Essen gehen wir eine Runde spazieren.", schlug meine Stiefmutter vor als sie mir ein Glas Limonade eingoss. „Das klingt gut, aber ist das sicher? Ich will nicht das dir was passiert?", nuschelte ich mit vollem Mund. „Ich sag Martin vorher bescheid, dann wird uns mit Sicherheit ein Streifenwagen folgen.", scherzte Marie und gab mir noch mehr Kartoffelbrei auf den Teller.

Unter dem Radar: Die Frau mit den Eisblauen Augen (Teil 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt