Natürlich wusste er das: Wir hatten jetzt einen Trainer und ein alles entscheidendes Match, aber wir hatten auch Hausarrest und Fußball verbot, absolutes Fußball verbot. Maxi und ich waren weggelaufen, ja und deshalb gab es für uns nur einen einzigen Weg nach Hause zurück, über die Garage und durch das Klofenster, an unserem Zeitunglesenden Vater vorbei. Vorsichtig kletterten wir nacheinander durch das Fenster und schlichen uns so leise wie nur möglich durch das Badezimmer, erst als wir schon beinahe an der Tür angekommen waren senkte unser Vater plötzlich seine Zeitung. „Ab in eure Zimmer, sofort!" Ohne noch einmal zurück zu blicken rannten aus dem Badzimmer in unsere Zimmer. Papa wollte morgen mit uns darüber sprechen und bis dahin sollten wir in unseren Zimmern bleiben.
Am nächsten morgen schlich ich mich schon bei Tagesanbruch nach unten um Raban anzurufen, er war der einzige der um diese Zeit bereits wach war.
„Ja hallo? Hallo? Ist da wer?", erklang die Stimme des Helden schon nach wenigen Sekunden durch den Hörer. „Psst, Raban nicht so Laut!", wies ich ihn erschrocken an. „Leo, was ist denn passiert?" In kurzen Worten erklärte ich ihm alles und er versprach uns mit den anderen hier herauszuholen zu holen. Ich beeilte mich wieder in mein Zimmer zurück zu gelangen und das war auch gut so, denn keine 2 Minuten später tauchte auch unser Vater mit Maxi im Schlepptau auf, um uns die versprochene Standpauke zu halten.
„Ich hab euch gewarnt, hört ihr? Und deshalb werdet ihr die Ferien auf eure Zimmern verbringen! Die ganzen Ferien!", schimpfte er erbost mit uns, als es plötzlich klingelte. Aufgeregt schlichen wir hinter unserem Vater die Treppen hinunter zur Tür, um zu sehen was unsere Freunde vor hatten.
Papa riss entnervt die Tür auf. „Was wollt ihr denn?" Das Tor, das auf unser Grundstück führte öffnete sich mit einem leisen Quietschen. „Wir sind die siebte Kavallerie!", hörte man Joschka überzeugt sagen. „Und wir können alles erklären!"„Es geht um Ehre und stolz!" „Wir müssen alle aufrichtig sein!", brabbelten Marlon, Leon und Juli wild durcheinander. „Aua! Ist schon gut", erkannte ich draußen die schmerzverzerrte Stimme von Fabi, der sich danach an meinen Vater richtete. „Also wissen Sie, das mit dem Klofenster und der Garage, das war alles meine Idee." „Ja genau und deshalb wir Fabi die Strafe mit ihren Kindern teilen", schlug Raban völlig begeistert von seiner Idee vor. „Bist du völlig Banane?", empörte sich Fabi jedoch sofort lautstark. „Autsch. Ich meinte ja nur wir alle werden Maxis und Leos Hausarrest absetzen, aber vielleicht könnten Sie es verschieben, umm 10 Tage vielleicht, wär das eventuell drin?" versuchte es Raban vorsichtig nochmal. „Ähm ja...Ähm also ich..", brachte mein sichtlich verwirrter und sprachloser Vater hervor, doch Fabi lies ihn gar nicht erst ausreden. „Ich danke Ihnen Herr Maximilian! Maxi, Leo habt ihr das gehört?" Sofort rannten wir zwei nach draußen, auf dem weg befestigte Maxi sein Wilde Kerle logo an seinem Shirt und ich setzte mir meine geliebte Mütze auf. „Los nichts wie weg von hier!", kommandierte Leon. „Moment...ähm". versuchte Papa uns noch aufzuhalten, doch niemand hörte auf ihn. „Alles ist gut!" sagte Leon während er uns die Hand hinhielt. „Solange du wild bist!", beendete ich während ich gemeinsam mit meinem Bruder einschlug. Ungehalten rannten wir los zur Wise am Fluss, an der sich Willi mit uns treffen wollte. Ja Sternschnuppen-Achterbahn, jetzt konnte uns nichts mehr aufhalten, wir waren unbesiegbar geworden, zumindest dachten wir das.
Als wir an der Wiese ankamen schoss Leon seinen Ball direkt vor einen der riesigen Steine, welche sich überall auf der Wiese verteil wiederfanden, auf dem unser neuer Trainer bereits saß und auf uns wartete. „Na los! Holt ihn euch, wenn ihr könnt!", forderte unsere Anführer. Jeder einzelne von uns rannte völlig übermotiviert und blind dem Ball hinterher, doch schon einige Sekunden später fielen wir wie Dominosteine der Reihe nach über die umliegenden Steine, Baumstämme und Wurzeln und landeten in den Pfützen, bis am Ende nur noch Leon, Fabi und ich übrig waren. „Hallo. Bravo", begrüßte der Trainer uns. „Das ist doch kein Fußballplatz Willi!", stellte Leon fest. „Ja Kreuzkümmel und Hühnerkacke!" „Schau uns doch an!" „Hier kann man gar nicht trainieren!", empörten sich auch Juli, Raban und Joschka. „Hier kann man höchstens nur...", überlegte ich laut. „Laufen lernen", unterbrach Willi. „Wie bitte? Nimm dich doch selbst auf den Arm!", empörte ich mich, doch er dachte gar nicht daran auf den Kommentar einzugehen, sondern stand auf und schoss Leons Ball beiseite
„Ey, was soll das?", wollte dieser wissen. „Den brachen wir heute noch nicht." „Das ist nicht fair!", beschwerte sich die Intuition. „Der Dicke Michi und seine unbesiegbaren Sieger werden auch nicht fair spielen. Die werden euch Faulen, rammen, plattwalzen und ummähen und euch alle Knochen brechen", entgegen Willi trocken. Schweigend sahen wir uns an.
„Kommt Jungs", forderte Willi uns auf. Die anderen rappelten sich vom Boden auf und zusammen folgten wir unserem Trainer. Wir versammelten uns in einem Halbkreis und er hob einen Stein vom Boden hoch. „Das hier seid ihr, dieser Felsbrocken dahinten sind die unbesiegbaren Sieger", erklärte er und zeigte dabei auf einen großen Felsbrocken am Ufer des Flusses. Er zielte, warf den Stein mit voller Wucht dagegen und er zersprang in Tausende Teile. „Und das passiert mit euch in 9 Tagen." „Sehr motivierend", murmelte ich pessimistisch. „Es sei denn", fing Willi noch einmal an während er sich einen zweite Stein vom Boden nahm und erneut warf, doch diesmal sprang der stein über den Felsbrocken und hüpfte stattdessen ein paar mal über das Wasser. „Ihr tanzt sie aus, schwindelig spielen, austricksen. Ihr lasst sie hinter euch wie fette Quallen am Strand", erläuterte er. Wir sahen ihn einfach nur an. „Mhh, bitte meine Herren", er deutete in Richtung Flussufer.
Willi hatte ein Radio und zwei Stangen die durch ein Seil verbunden mitgebracht und baute diese nun neben dem Flussufer auf. „Ihr lauft jetzt um die Wette, Maxi und Marlon zuerst. Los geht's!" Eben genannte machten sich bereit und rannten über den unebenen Untergrund, Maxi gewann das Rennen knapp. „Leon und Fabi los!" Wie rannten nacheinander, während Willi uns die entsprechenden Anweisungen gab. „Nein über die Stange drüber! Na gut, die nächsten!" Nun waren auch Juli und ich losgerannt, ich gewann gegen den Abwehrspieler. „Die nächsten." Marlon und Maxi. „Gut, gut, gut! Flucht stoß sie durch, sodass sich die Mistkerle selber die Beine brechen!" Maxi rannte zwar zuerst durch das Ziel, fiel allerdings hin, während Marlon weiter hinten noch über seine eigenen Beine stolperte. „Und die nächsten!" Juli landete kurz vor dem Ziel mit dem flachen Bauch auf dem Boden, sodass ich erneut gewann. „Augen, ihr müsst gucken wo ihr hinlauft! Eure Füße müssen Augen bekommen. Den Kopf braucht ihr für den Gegner, den entscheidenden Pass!" Auch das nächste Rennen gewann ich gegen meinen Bruder. „Nicht schlecht Jungs uns jetzt, ja, tanzen wir alle! Aber noch besser ist es wenn ihr das dabei tragt", dabei hielt er einige Augenbinden in die Luft, die er uns mit breitem Grinsen zuwarf und schon tanzte die gesamte Mannschaft mit verbundenen Augen zu der Musik aus Willis Radio. „Heiliger Muckefuck, Leon, wenn mich jemand so sehen kann, dann bring ich mich um!", verkündete Fabi lautstark. „Nein, den bringen wir um, das verspreche ich dir!", versicherte ihm sein bester Freund. „Halt! Hört sofort auf damit! Stopp!", schrie Leon jedoch keine Minute später. Sofort froren wir alle in unserer Bewegung ein und zogen uns die Augenbinden vom Kopf. „Was um alles in der Welt ist das?", erkundigte sich Leon. „Was?", wollte Fabi verwirrt wissen. „Das da direkt vor deiner Nase!" Direkt vor uns stand ein Mädchen mit ihrem Fahrrad, sie hatte kinnlanges, dunkelblondes Haar und trug ein blaues Piraten-Kopftuch. „Oh das", verstand Fabi. „Das...das...das ist ein..." „Mädchen? Das ist ein Mädchen. Wollt ihr sie nicht fragen was sie hier will?", unterbrach Willi Rabans schüchternes stottern. „Will? Wieso denn? Von uns?", quiekte Joschka erschrocken, wobei er vor Aufregung einen Schluckauf bekam. „Hallo du da", sagte Fabi verträumt, während er dem Mädchen wild zuwinkte. „Verflixt Fabi, reiß dich zusammen!", warnte ich ihn und rammte ihm zusätzlich den Ellbogen in die Seite. „Also was ist? Sag es und hau wieder ab!", wollte Leon unfreundlich wissen, der das merkwürdige Verhalten seines besten Freundes ebenfalls überhaupt nicht guthieß. „Ich...ich würde gerne mit trainieren, ich bin neu hier in der Stadt", sagte das Mädchen. „Das Training ist aus, oder Willi?" Dieser zuckte mit den Schultern. „Und morgen?", fragte sie weiter. „Morgen bist du immer noch das", blockte Leon erneut ab. „Was?", sie schien nun sichtlich verwirrt zu sein und hatte die Stirn gerunzelt. „Ein Mädchen." Leons giftige Worte hallten in meinem Kopf wieder, während die anderen sich bereits zum gehen gewandt hatten. „Ciao Willi." Das Mädchen tat mir leid, sie schien in Ordnung zu sein und sie war neu, das bedeutete das sie niemanden hier kannte.