Im Laufe der Woche gewöhne ich mich langsam ans Studieren. Ich gewöhne mich an die Vorlesungen, meine Seminare und an die Pausen mit Serena und gelegentlich mit Ruby. Und trotzdem wünsche ich mir, noch mehr Leute kennenzulernen. Denn das gehört auch zu meiner Traumvorstellung meiner Unizeit. Es kommt mir deshalb gelegen, als Ruby fragt, ob wir wieder mit auf eine Party wollen. "Ja!" antworte ich, eventuell etwas zu schnell, sodass ich verwunderte Blicke sowohl von Ruby als auch von Serena. Ich ziehe eine Grimasse und zucke mit den Schultern. "Na gut. Sie ist bei Em." lässt Ruby uns wissen und jetzt ist sie es, die Blicke erntet. Allerdings nur von Serena, die sie mit wackeligen Augenbrauen anguckt. "Was ist?" frage ich unwissend. "Ruby mag Em." Ich lache. "Na und?"
"Und sie will es nicht zugeben." fügt Serena hinzu.
"Wir sind nur Freunde." gibt Ruby genervt zurück, als hätte sie dieses Gespräch schon öfter führen müssen.Am Abend machen wir uns zu dritt auf den Weg zu Em's Wohnung, die etwas weiter vom Campus entfernt ist. Als wir dann in einer ganz anderen Umgebung landen und plötzlich vor einer Villa stehen. Der Bass der Musik dringt uns entgegen und Ruby klingelt. Wir werden von einem Partygast reingelassen, doch es drängt sich ein kleines Mädchen durch die Menschen, die im Eingang stehen. "Hi!" ruft sie uns zu und umarmt Ruby in eine -tatsächlich verdächtig lange- Umarmung. Dann wendet sie sich uns zu. "Ich bin Emily." sie gibt mir die Hand, was mich für einen kurzen Moment verwirrt. Doch sie scheint nett zu sein, also lächele ich sie an und stelle mich ihr vor.
Die Party ist jetzt im vollen Gange. Hier sind noch mehr Menschen, als bei der letzten Party, was nicht schwer ist, wenn man die Größe des Hauses beachtet.
Als ich schon zwei Getränke intus habe, ruft ein Mädchen: "Trinkspiiiel!" und lallt dabei bereits. Ich schaue auf meine Uhr. Es ist 22.46 Uhr. Was habe ich zwei Stunden lang gemacht, dass es jetzt so spät ist? "Kommt." sagt Em und zieht Serena und mich zusammen mit Ruby in einen Kreis, den die anderen in kürzester Zeit gebildet haben.
"Nachdem die Spielregeln für alle geklärt wurden, beginnt das Mädchen, das zum Spiel aufgerufen hat, das Spiel, in dem sie sagt, sie hätte noch nie eine Zigarette geraucht. Jeder, der dies schonmal getan hat, muss an dieser Stelle einen Schluck seines Getränkes trinken.
Nach nur 15 Minuten bemerke ich, dass das Spiel seinem Namen gerecht wird. Und das obwohl ich noch nicht mal bei vielen Fragen trinken muss. Zwischendurch werden lustige Geschichten zu den Fragen erzählt und alle lachen.
Irgendwann trifft eine kleine Gruppe von Jungs dazu und ich sehe Zamir unter ihnen. Er setzt sich im Schneidersitz hin und beginnt mitzuspielen.Nach ungefähr weiteren dreißig Minuten bin ich froh auf dem Boden zu sitzen und will mir nicht vorstellen, wie sich alles drehen würde, wenn ich jetzt aufstehe.
"Ich habe noch nie jemanden vom gleichen Geschlecht geküsst." höre ich. Da muss ich nicht trinken. Denke ich dankbar und stehe mit meinem Getränk vorsichtig auf. Auch andere verlassen den Kreis. Das Spiel scheint inoffiziel beendet worden zu sein. Es dreht sich tatsächlich alles. Aber noch geht es mir gut genug, um in die Küche zu gehen, wo ich mir einen weiteren Becher einfülle.
"Hey." ertönt hinter mir eine Stimme.
Ich drehe mich um und blicke in das Gesicht eines braunhaarigen Mädchens. Ihre Haare gehen ihr bis zur Hüfte und sie sieht gleichzeitig süß und heiß aus. Was? Habe ich das gerade wirklich gedacht?
"Ich habe gemerkt, dass du die einzige warst, die nicht trinken musste, als es darum ging, wer noch nicht das gleiche Geschlecht geküsst hat." Sie schaut schmunzelnd zu Boden. Ich fühle wie ich rot werde und weiß nicht, ob es ist weil ich mich schäme, oder weil ich mich darauf freue, was jetzt kommt.
"Echt? Oh.. naja.." stammele ich. "Du kannst es ja ändern." sage ich dann mit plötzlicher Selbstsicherheit. Sie blickt auf und in meine Augen. Sie kommt auf mich zu und küsst mich. Ich stelle meinen Becher auf dem Küchentresen ab. Ihre Hände landen in meinen Haaren und meine an ihrer Taille, als der Kuss aus dem Ruder zu laufen scheint. Ich höre einige Jungen und vielleicht auch einige Mädchen jubeln und löse mich von ihr. "Es war mir eine Ehre." sagt sie neckend und ich fühle, wie ich wieder rot werde. Nicht nur wegen ihren Worten, sondern auch weil ungefähr 10 Augenpaare auf mir liegen.
Ich räuspere mich, grinse das Mädchen - nicht mehr ganz so selbstsicher - an und laufe aus der Küche. Ich brauche frische Luft. Mit dem zweiten Anlauf finde ich die richtige Richtung zum Ausgang und stoße die Haustür auf. Ich atme die kühle Nachtluft tief ein und blicke in den dunklen Himmel.Ich lasse mich auf einer niedrigen Steinmauer nieder und krame mein Notizbuch aus meiner kleinen Umhängetasche hervor. Mit schiefen Buchstaben schreibe ich hinein:
"Partys, Alkohol (mal wieder zuviel) und Mädchen küssen. Keine schlechte Nacht."
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Its time to let go
RomanceEndlich beginnt für Ella die aufregende Zeit des Studiums. Die Zeit, auf die sie sich freut, seitdem sie die unzähligen Romane liest, die typischerweise immer an amerikanischen Universitäten spielen. Aber auch seitdem sie es zu Hause nicht mehr aush...