Am nächsten Morgen gehe ich mit meinem Roman in die Mensa. Dort nehme ich mir Müsli und einen Kakao und setze mich an einen Fensterplatz. Außer mir ist nur eine weitere Person in der Mensa und glücklicherweise heißt diese Person nicht Zamir. Auch wenn ich langsam das Gefühl habe auf Entzug zu sein. Auf Entzug von Zamir. Gleichzeitig bin ich mir sicher, er müsste jeden Moment hier auftauchen. Er geht eigentlich jeden Tag frühstücken. Ich frage mich gerade, ob ich unterbewusst nur deshalb in die Mensa gegangen bin, weil ich erwartet habe, dass er hier auftauchen würde, als ich ein leichtes Stechen in meinem Bauch fühle. Sofort weiß ich, dass Zamir gerade den Raum betreten hat. Ich muss mich erneut zusammenreißen mich nicht nach ihm umzudrehen. Ich starre in mein Buch und rühre in meinem Kakao. Irgendwie werde ich wieder wütend.
Als ich ganz weit im Augenwinkel irgendwann bemerke, dass Zamir zwei Reihen weiter am Fenster Platz nimmt, kann ich mich nicht mehr beherrschen und versuche so unauffällig wir möglich zu ihm zu gucken. Sofort bereue ich es, denn mein Blick fällt direkt auf seinen. Er guckt mir tief in die Augen. Ich erlaube mir nur eine Sekunde dieses Blickkontakts und gucke dann wieder runter auf mein Buch.
Die Woche verbringe ich mit zwei Abgaben für meine Seminare und insgesamt lese ich drei Bücher. Am Freitagabend bin ich erschöpft, aber ich habe mich schon am Mittwoch mit Serena verabredet, um zu einer Party zu gehen. Da Blake uns dazu eingeladen hat, lässt sich vermuten, dass Zamir auch da ist. Aber wenn ich es schaffe ihn in den Vorlesungen zu ignorieren, dann schaffe ich es auch auf einer Party.
So finde ich mich um 21 Uhr in einem kurzen schwarzen Kleid in dem Wohnzimmer irgendeines Baseball-Jungen wieder. Die Party ist bereits im vollen Gange. Ich tanze mit Serena, rede mit unterschiedlichen Leuten und erwische mich zwischendurch dabei, nach Zamir Ausschau zu halten.
"Hi" ertönt irgendwann hinter mir eine Stimme. Als ich mich umdrehen blicke ich in Alex wie immer vorhandenes Lächeln.
"Ah hi!" begrüße ich ihn. "Geht's dir schon besser?" fragt er höflich wie gewohnt nach.
"Ach. naja." sage ich.
"Sollen wir uns ein Getränk holen? Das hebt bekanntlich die Stimmung." schlägt er vor.
"Ich habe keine Lust zu trinken, aber kann dich zur Küche begleiten."Als wir gerade durch den Flur laufen, höre ich meinen Namen. Ich bekomme eine Gänsehaut bei seiner Stimme. Ich drehe meinen Kopf und sehe in Zamirs Gesicht.
Nach einigen Sekunden der Stille werfe ich ihm "Was?" ins Gesicht. Mein Ton scheint ihn kurz aus der Fassung zu bringen.
"Komm mit raus." sagt er mit starrem Blick.
"Du hast mir gar nichts zu sagen." sage ich trotzig zurück.
Er blickt nur in meine Augen. Oder in meine Seele. In seinem Blick liegt Wut, Aufforderung, Erwartung aber ich sehe auch etwas Flehendes. Vielleicht liegt es daran, dass ich ihm folge, als er sich umdreht und zur Gartentür rausgeht.Im Hintergarten sind keine Leute. Alle die rauchen oder frische Luft brauchen gehen im ersten Stock auf die Terasse oder zum Haupteingang raus.
Ich weiß nicht ob ich erleichtert bin, dass keine weiteren Personen hier sind, aber es ermöglicht mir wenigstens meine Gefühle rauszulassen.
"Was ist dein scheiß Problem?" bricht meine Wut aus mir raus.
Zamir ist kurz erschrocken doch passt sich dann meiner Stimmung an. "Was ist denn deins?"
"Ich hab kein Problem." meckere ich. "Ich habe dich nicht ignoriert. Das warst du." fahre ich aufgebracht fort.
"Aber vermisst hast du mich auch nicht. Sonst wärst du ja nicht gleich mit dem nächstbesten Typen mitgegangen." Er guckt mich nicht mehr an. Sein Blick liegt irgendwo in der Ferne.
"Du spinnst." sage ich und sorge so dafür, dass sein Blick zurück zu mir kommt.
"Nicht dass es dich noch was angehen würde, aber ich hatte nichts mit ihm."
Er zögert. "Aber du wolltest."
"Nein wollte ich nicht." Antworte ich. "Was ich wollte, ist mich ablenken. Davon, dass du mich im Stich gelassen hast, nachdem ich mich dir anvertraut habe."
Sein Blick schnellt zu Boden."Du hast recht." sagt er nach einer Weile. "Das war scheiße von mir. Ich habe mich wie ein Arschloch verhalten."
"Ja das stimmt." Stimme ich ihm zu. "Aber was ich mich wirklich frage, ist wieso es dich jetzt plötzlich wieder kümmert? Wieso sprichst du mich jetzt an?"
"Weil ich es nicht aushalte. Dich immerzu zu sehen. Sei es in Wirklichkeit in Vorlesungen oder Nächtelang in meinen Träumen."
Seine Ehrlichkeit macht das Atmen schwer.
"Weil du mir wichtig geworden bist." beendet er seine Erklärung.
Ich denke kurz nach und frage dann verwirrt: "Und wieso ignorierst du mich? Blockierst meine Nummer und tust so als würde ich nicht existieren und wäre dir egal?" Ich suche in seinem Blick nach einer Antwort.
"Weil ich genauso viel Angst habe wie Verlangen nach dir. Und zu wissen, dass du eine schwere Vergangenheit hast, macht es mir schwer meine eigene auszublenden."*Zamirs POV*
Ellas Blick bekommt etwas sorgvolles.
"Es tut mir leid, wie ich mich dir gegenüber verhalten habe." sage ich, was dringend nötig war.
Sie nickt, aber sagt nichts.
"Vielleicht kannst du mir die Chance geben, dir etwas zu erklären?"
Sie nickt wieder und ich fühle mich erleichtert.
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Its time to let go
RomanceEndlich beginnt für Ella die aufregende Zeit des Studiums. Die Zeit, auf die sie sich freut, seitdem sie die unzähligen Romane liest, die typischerweise immer an amerikanischen Universitäten spielen. Aber auch seitdem sie es zu Hause nicht mehr aush...