Es vergehen die letzten Wochen des Semesters. Das bedeutet auch, dass alle in ihre Klausuren und Hausarbeiten vertieft sind. Der Campus ist leer, die Bibliotheken dafür umso voller. Auch ich verbringe viele Tage in der Bibliothek. Viele Tage damit Zamir zu vermissen. Unsere Beziehung ist irgendwie stagniert. Es ist alles gut, aber durch diesen ganzen Stress hatten wir auch nicht die Möglichkeit, uns weiter anzunähern oder noch besser kennenzulernen. Wir treffen uns weiterhin zum Frühstück und gelegentlich unternehmen wir gemeinsam etwas. Aber umso mehr Prüfungen wir schreiben, desto weniger wird es.
Am letzten Semestertag klingelt nachmittags mein Handy. Ich kriege immer noch kurz Angst, wenn mein Handy klingelt, obwohl mein Vater mich seit dem Brief nicht angerufen hat. Doch als ich Zamirs Namen lese, entspanne ich mich und ein Lächeln schleicht sich auf mein Gesicht.
"Hi." begrüße ich ihn, nachdem ich den Anruf angenommen habe.
"Hi." Ich meine ein Lächeln aus seiner Stimme hören zu können.
"Möchtest du heute etwas mit mir unternehmen?" fragt er mich nach einer kurzen Pause.
"Ich würde am liebsten immer etwas mit dir unternehmen."
"Ich möchte dich gerne abholen. Kannst du um 15 Uhr?"Um 14:56 ist meine Aufregung so groß, wie bei einem ersten Date. Ist das unser erstes Date?
Dann klopft es an der Tür.
Als wir über den Campus laufen und nicht in Richtung Bus und Zentrum weiterlaufen, wundere ich mich.
"Wohin gehen wir?"
"Zu meinem Auto."
"Ich wusste gar nicht, dass du fährst."
"Ich bin in einem Dorf aufgewachsen, wo 3 mal am Tag ein Bus kam. Da habe ich so schnell wie möglich fahren gelernt."
"Das macht Sinn."
"Kannst du fahren?"
"Nein noch nicht. Dafür habe ich mir irgendwie nie die Zeit genommen."An seinem Auto angekommen, hält er mir die Beifahrertür auf und geht dann um das Auto herum, um einzusteigen.
"Ich hab dich vermisst." gestehe ich ihm.
"Ich habe dich auch vermisst. Zumindest seit wir heute zusammen frühstücken waren."
"Ich meine, weil wir so wenig Zeit füreinander hatten." Ich verdrehe die Augen.
"Ich weiß." lacht er. "Hast du schon deine Mails gelesen heute? Ab jetzt haben wir eventuell viel Zeit miteinander."
Ich gucke ihn verwirrt an.
"Hast du?" hakt er nach.
"Nein ich hatte heute noch keine Zeit um meine Mails zu lesen."
"Mr. Miller möchte mit seinen drei Seminaren eine Kursfahrt machen und wenn ich mich nicht irre, dann bist du in dem einen davon."
"Oh wie cool! Und du in einem der anderen?"
"Ja."
"Dann freue ich mich noch mehr."
Er wirft mir ein Lächeln von der Seite zu, aber konzentriert sich dann weiter auf die Straße. Nicht viel später hält er an und wir steigen aus - natürlich nicht ohne, dass Zamir mir die Tür aufmacht.
Zu meiner Überraschung geht Zamir dann noch nach hinten, öffnet den Kofferraum und holt einen geflochtenen Korb raus.
"Wir picknicken!" verstehe ich endlich, was wir vorhaben. Als Bestätigung bekomme ich ein Lächeln.Am Abend checke ich meine Mails und fülle direkt die Formulare aus, die für die Kursfahrt benötigt werden. Die Fahrt soll schon in zweieinhalb Wochen losgehen. Der Dozent ist sehr unorganisiert, weshalb die Fahrt vermutlich so kurzfristig geplant wird. Mal gucken, ob das was wird. Aber ich würde mich sehr freuen, ein paar Tage wegzufahren. Besonders wenn Zamir mitkommt.
Ich bin gerade einmal eine Stunde von meinem Date mit Zamir zu Hause, da erreicht mich ein weiterer Anruf von ihm.
"Hi na. Möchtest du zu Julian kommen? Er veranstaltet eine kleine Party."
"Ja gerne. Ich würde mit Serena kommen, falls sie Lust hat."
"Ja mach das. Aber trinkt nicht vorher schon so viel."Eine weitere Stunde später ist Serena wieder da und noch eine weitere Stunde später sind wir bereit für die Party. Als wir bei Julians Wohnung -nüchtern- ankommen, werden wir von ihm persönlich -nicht nüchtern- empfangen.
"Naaa!" ruft er, als er uns die Tür öffnet.
Wir begrüßen ihn und er lässt uns in den Flur rein. "Zamir hat erwähnt, du würdest kommen. Er freut sich bestimmt auf dich." sagt er, während wir den Flur durchqueren mit wackeligen Augenbrauen.
"Darf ich euch etwas zu trinken anbieten?" fragt er als wir an der Küche vorbeikommen.
"Nein danke." sage ich.
"Da sag ich nicht nein." sagt Serena.Als die beiden in die Küche abbiegen, beschließe ich, schonmal durch zum Wohnzimmer zu gehen.
Wenn man durch die Tür zum Wohnzimmer tritt, fällt der Blick direkt auf die gläserne Balkonfront und in meinem Fall auch direkt auf Zamir. Allerdings nicht nur auf Zamir, sondern auch auf seine Gesellschaft. Weibliche Gesellschaft, denke ich und muss feststellen, dass mich dieser Gedanke irgendwie stört. Mit fällt auf, dass ich ihn noch nie mit einem anderen Mädchen alleine reden sehen habe.
Das Mädchen hat ihren Körper zu ihm gedreht und wenn es lacht, kommt sie ihm immer auffallend nahe. Mit ihrer Hand schlägt sie gegen Zamirs Brust, weil er scheinbar etwas derart lustiges von sich gegeben hat.Plötzlich genervt und überhaupt nicht mehr in Partystimmung drehe ich mich um und gehe in die Küche, wo ich Serena und Julian komischerweise nicht mehr finde. Ich lehne mich gegen die Theke und überlege, einfach wieder nach Hause zu gehen. Scheint, als bräuchte mich hier keiner.
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Its time to let go
RomanceEndlich beginnt für Ella die aufregende Zeit des Studiums. Die Zeit, auf die sie sich freut, seitdem sie die unzähligen Romane liest, die typischerweise immer an amerikanischen Universitäten spielen. Aber auch seitdem sie es zu Hause nicht mehr aush...