Chapter 4 - der Junge

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"Hmm..guten Morgen." murmelt Serena als sie sich zu mir umdreht und sieht, dass ich schon wach bin. Ich bin vor einigen Minuten aufgewacht und habe bis jetzt gelesen. "Morgen." sage ich, bemüht fröhlich, aber die Nachricht von gestern nagt noch an mir.
"Wollen wir zusammen essen gehen?" schlägt sie verschlafen vor, während sie sich aus ihrem Bett herauswälzt.
"Wie wäre es wenn wir erstmal ins Bad gehen?" gebe ich lachend zurück als ich ihre aufgeplusterten Locken sehe.

Nachdem wir im Bad waren und jetzt um einiges frischer aussehen, gehen wir gemeinsam in die Cafeteria, wo ich, wie gestern auch schon, Müsli esse. Serena hat ein Brötchen mit verschiedenen Aufstrichen auf ihrem Teller. Heute ist die Cafeteria schon um einiges voller, was aber daran liegt, dass es schon 8:30 Uhr ist.
Serena und ich trennen uns, denn sie hat jetzt ein Seminar in Gebäude A und ich eine Vorlesung im Gebäude C. "Bis später!" ruft sie mir zu.

Zwei Stunden später verlasse ich Gebäude C wieder, um mich auf den Weg zu einem Café hier auf dem Campus zu machen, wo mich Serena in einer halben Stunde treffen möchte. Wir haben während des Unterrichts geschrieben und ihr Seminar geht 30 Minuten länger als meine Vorlesung, weshalb ich solange hier lesen werde.
Ich setze mich an einen runden Tisch in der Mitte des Cafés und beginne zu lesen. Nach einigen Minuten reißt mich mein vibrierendes Handy aus der Welt meines Romans. Ich nehme es in die Hand und erstarre bei dem erneuten Anblick des Namens "Marc".
Wut steigt in mir auf und ich schlage wieder mein Handy auf den Tisch. Wenn es so weiter geht, könnte es wirklich kaputt gehen.

"Was hast du gegen dein Telefon?"
Ich drehe mich um und hinter mir steht der Junge aus meiner Vorlesung mit dem lautgestellten Handy. Ohne zu fragen geht er um den Tisch und zieht sich den Stuhl zurück, um sich gegenüber von mir hinzusetzen. "Was?" frage ich, noch verwirrt darüber, dass er sich einfach dort hinsetzt.
"Außerdem war diesmal dein Handy laut, ich dachte das stört dich so." lässt er meine Frage unbeantwortet.
"Ehm." sage ich zögernd und nach wie vor verwirrt.
"Naja. Wir sehen uns Montag in unserer Vorlesung." sagt er und steht einfach wieder auf und geht aus dem Café.

Noch immer perplex schreibe ich in mein Notizbuch:
"Was war das denn? Wie frech, sich einfach hier hinzusetzen und mich so komisch anzusprechen. Selbst wenn er so eine ... angenehme Stimme hat."

Kurz darauf trifft Serena im Café ein und ich würde ihr gerne von dem Treffen erzählen, doch sie beschwert sich solange darüber einen Kurs mit Mr. Morton zu haben, den sie nicht abwählen kann, dass ich es vergesse.

***

Die nächsten drei Tage lerne ich meine Dozenten und einige Kommolitonen kennen. Ich verbringe etwas Zeit mit Ruby und Serena und bin ganz froh darüber, dass mich nicht noch eine Nachricht oder ein Anruf von Marc erreicht.
Am Freitag jedoch, als gerade meine letzte Vorlesung der Woche endet und ich den Saal verlasse vibriert mein Handy in meiner Hand und ich sehe den Namen wieder. Im Nachhinein könnte ich nicht erklären wieso, aber ich habe den Anruf angenommen.
"Abriella! Schön, dass du nach 8 Tagen doch mal Zeit hast für deinen Vater."
"Hallo." sage ich leise und bleibe mitten im Flur stehen.
"Wie läufts?" Es entsteht eine kurze Pause. Das kann es doch nicht sein? Er fragt doch nicht wie ein normaler Vater wie es bei mir läuft. Da muss noch was kommen. Meine Befürchtung bestätigt sich. "Hast du schon versagt? Willst du wieder nach Hause?"
Ich atme tief ein. Ich bin wütend. Gar aggressiv. Ich kralle meine Hand um mein Handy, nur um es dann mit voller Wucht gegen die Wand zu schleudern. Ich verlasse mit schnellen Schritten das Gebäude und gehe geradewegs zu meinem Wohnheimzimmer, in dem ich mich aufs Bett schmeiße und vor Wut beginne zu weinen.

Ich weiß nicht wieviel später es ist, als Serena die Tür auf reißt und freudig ruft: "Ellaaaa, gute Nachrich- Oh." Sie setzt sich an meine Bettkante und schaut mich besorgt an. Ich habe aufgehört zu weinen und starre nur noch vor mich hin.
"Willst du reden?" fragt sie mit einem schiefen Grinsen. "Vermutlich nicht. Was würde dir helfen?"
"Nichts."
"Nichts?" Sie sieht mich mitfühlend an.
"Doch. Ruhe."
Sie nickt verständnisvoll und setzt sich an ihren Schreibtisch.

Einige Zeit später, in der ich weiterhin nur an die Wand gestarrt habe, atme ich noch einmal tief durch, bevor ich frage: "Was waren deine guten Nachrichten? Durftest du den Kurs von Mr. Morton wechseln?"
"So gut nun wieder auch nicht. Heute ist eine Party ganz in der Nähe. Blake geht auch hin. Aber ich glaube das ist heute nichts für uns."
Uns.
"Du wolltest da nur wegen mir nicht hin?" Ich schaue auf die Uhr. "Wann beginnt sie? Du kannst noch hingehen, wenn du dich schnell fertig machst."
"Ach Quatsch. Ich dachte Gesellschaft würde dir gut tun, auch wenn du deine Ruhe wolltest."
"Es war sehr lieb, dass du geblieben bist, aber jetzt solltest du wirklich hingehen und deine Zeit genießen!"
Zeit genießen. Ich erinnere mich daran, am Anfang der Woche noch gedacht zu haben, mir die Zeit hier nicht von ihm versauen zu lassen. Ich fasse einen Entschluss und sage selbstsicher:
"Weißt du was? Wir sollten unsere Zeit genießen. Gehen wir gemeinsam hin."
"Sicher?" fragt sie mir gerunzelter Stirn.
"Sicher. Ganz sicher."


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Its time to let goWo Geschichten leben. Entdecke jetzt