Chapter 28 - Abstand

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*Zamirs POV*

Ich sitze an meinem Holzschreibtisch über meinem Notizbuch als mein Handy klingelt. Chris ruft an. Ich zögere nur kurz, doch Chris ist die einzige Person, die ich in solchen Zeiten an mich ranlasse und ich weiß, dass ich es tun sollte. Zumindest eine Person sollte ich nicht von mir wegstoßen.
"Jo." begrüße ich ihn.
"Hi, mann." kurze Pause. Ich warte ab. Kurz darauf dann:
"Was ist los? Willst du nicht mal wieder in der Uni auftauchen?"
"Ne. Nicht unbedingt."
"Komm schon. Heute ist Sonntag. Ruh dich heute noch aus und komm morgen wieder."
"Hm." grummele ich als Antwort nur.
"Na dann bis morgen" sagt er und als ich nicht antworte fügt er hinzu: "Ich vermisse dich schon, Mann."

Dieser Satz von ihm war der Grund, weshalb ich mich am nächsten Tag doch noch aufraffen kann und mich zur Vorlesung bewege.
Ich komme mit Absicht fünf Minuten zu spät, in der Hoffnung, Ella nicht in die Augen gucken zu müssen. Ich habe es gehofft, aber als es dann wirklich so kam und sie mich keines Blicked würdigt, versetzt es mir doch einen Stich. Ella dreht sich nicht einmal um, als die schwere Tür ins Schloss fällt. Sie blickt starr nach vorne und hört der Dozentin zu.

*Ellas POV*

Komm schon. Konzentrier dich ermahne ich mich selbst. Schon als das leise Klicken vom Öffnen der Tür erklingt, weiß ich wer ungefähr 5 Meter hinter mir den Raum betritt. Mein ganzer Körper, aber vor allem mein Herz spürt, dass es Zamir ist. Auch wenn er seit Wochen nicht zu den Vorlesungen kam. Auch wenn ich eigentlich nicht hätte wissen lönnen, dass er ausgerechnet zu dieser Vorlesung kommt. Aber ich kann es mir nicht erlauben ihn anzugucken. Ihm dieses Gefühl zu geben, auf ihn gewartet zu haben, wenn er mir ganz klar gezeigt hat, dass es ihm egal ist. Dass ich ihm egal bin.
Also halte ich meinen Blick vorne. Auf die Tafel gerichtet. Dass ich eigentlich nichts von dem, was die Dozentin erzählt, verstehe, ignoriere ich einfach. Ich tue als würde ich mir Notizen machen, aber alles was ich kritzele sind abgehackte Linien. Egal. Hauptsache ich gucke nicht zu ihm.
Ich brauche ihn nicht rede ich mir ein. Jahrelang hatte ich nicht einmal das, was ein junges Mädchen am meisten braucht, beschützende, umsorgende Eltern. Dann brauche ich jetzt ganz bestimmt keinen Mann, der es für richtig hält, mich zu ignorieren, nach dem ich ihm einen .dunklen Teil meiner Vergangenheit erzählt habe.
Eine Wut steigt in mir auf. Sind eigentlich alle Männer so scheiße?

Meine Antwort bekomme ich in der Mensa, als ein Junge sich mit zwei Bechern in der Hand auf mich zu bewegt. Er setzt sich gegenüber von mir hin und stellt einen der Becher vor mir ab. Aus dem anderen nimmt er selbst einen Schluck. Er guckt mich mehrere Sekunden ausdruckslos an, was ich, aufgrund meiner aktuellen Laune bereitwillig erwidere. Doch dann beginnt sich ein leichtes Lächeln auf sein Gesicht zu schleichen. Eines dieser Lächeln, dass man unfreiwillig erwidert. Ich versuche mein Lächeln vergebens zu unterdrücken und schaue ihn fragend an. "Du sagst so niedergeschlagen aus. Auch schon in der Vorlesung."erklärt er sich. "Da dachte ich, ich bringe dir eine heiße Schokolade."
"Wow. Danke. Das ist wirklich nett." bedanke ich mich aufrichtig.
Er lächelt wieder und ich nehme einen Schluck der noch ein bisschen zu heißen Schokolade und schaffe es so tatsächlich mein Lächeln zu unterdrücken. Und auch wenn die Schokolade mir etwas meinen Gaumen verbrennt, fühlt es sich zumindest etwas so an, als würde sie einen Teil meines Herzens heilen.
"Willst du drüber reden?" fragt mich der Junge nach einer Weile.
"Nein." antworte ich intuitiv.
"Ich meine...ich kenne ja nicht mal deinen Namen" erkläre ich ihm.
"Das lässt sich ändern. Ich bin Alex." Wieder dieses Lächeln.
"Willst du jetzt drüber reden?" fragt er mich. "Ehrlich gesagt nein. Aber ich bin Ella."
"Schön dich kennenzulernen Ella." Und wieder dieses Lächeln. Reicht doch langsam...
"Wie wärs? Ich gebe dir meine Nummer und du meldest dich falls du doch reden willst."
Wenn auch nicht aus Euphorie, sondern mehr aus Höflichkeit, speichere ich seine Nummer ein.

Its time to let goWo Geschichten leben. Entdecke jetzt