Flashback

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# Die kinderfreie Zeit tut uns unwahrscheinlich gut. Ich habe auch das Gefühl, dass es Feli wieder besser geht. Michael hat uns heute Abend zu einem Grillabend mit weiteren Freunden eingeladen. Ich musste zwar etwas Überzeugungsarbeit leisten aber letztendlich konnte ich Feli überzeugen mitzukommen. Ich stehe schon seit 10 Minuten fertig angezogen im Flur, als Feli aus dem Schlafzimmer kommt und sich einmal um ihre eigene Achse, sodass ihr Kleid fliegt. Wow, wie schön sie aussieht. Ich schlinge meine Arme um sie. Sie gibt mir einen flüchtigen Kuss auf die Wange. "Moooooment" sage ich und lege meine beiden Händen um ihre schmale Taille. Sie sieht wunderschön aus. Ich ziehe sie dicht an mich und küsse sie langsam aber sinnlich. Feli erwidert den Kuss und ich spüre direkt, wie sie sich entspannt. Meine Hände gleiten über ihren Rücken, der Stoff ihres Sommerkleides ist so weich und passt perfekt zu meiner Kleinen. Als wir uns von einander lösen, legt sie den Kopf an meine Brust. Ich spüre ihren Atem bis zu meinem Hals. Kurze Zeit später atmet sie tief aus und schaut mich an, sie sieht wunderschön aus. "Gehen wir?" Michael hat eine super tolle Wohnung mit einer riesigen Terrasse. Alle stehen draußen am Grill und trinken Bier. Ich merke, dass Feli angespannt ist, nehme ihre Hand und führe sie nach draußen.#

Oh Gott, bitte lass jetzt bloß nichts passieren. Nicht, dass ich am Ende noch umknicke und stürze. Hier sind alle Ärzte. Auf der Terrasse von Michael stehen noch 4 weitere Gäste um den Grill herum und trinken Bier. Riki führt mich nach draußen und stellt mich seinen Freunden vor. Meine Hände sind schweißnass. Aber die Freunde scheinen wirklich nett zu sein. Es wird viel geredet über medizinische Sachen aber auch über Gott und die Welt. Das Wetter ist traumhaft und ich bekomme viele Komplimente für mein Aussehen. Michael kommt zu uns und legt seinen Arm um mich. "Na, gefällt es euch?" will er wissen. "Ja, ist wirklich schön" sage ich. "Hast du eigentlich schon meine Wohnung gesehen?" fragt Michael. Ohne meine Antwort abzuwarten, zieht er mich ins Innere der Wohnung. Die Küche ist der Hammer, eine große Kochinsel und ein riesiger Esstisch, vereint zu einem großen Wohn - Essbereich. Vom Wohn- Essbereich führt ein langer Flur in den ruhigeren Teil der Wohnung mit Schlaf - Gäste und Arbeitszimmer. Als ich den Flur betrete erstarre ich und mein Atem geht hektisch. Gefühlt bekomme ich keine Luft, ich kann mich nicht bewegen, werde aber gleichzeitig panisch weil ich Angst habe zu ersticken. Michaels und Rikis Stimmen höre ich längst nicht mehr, dafür spüre ich ihre Hände an meinen Armen und Rücken während sie mich schütteln und irgendwas zu sagen scheinen. Ich nehme die beiden Männern nur noch schemenhaft wahr. Eine Hitzewelle überkommt mich und ich spüre das dringenden Bedürfnis mich von hier weg zu bewegen. Ich habe das Gefühl meine Kehle wird mir zugeschnürt. Ich muss mich anstrengen um meine Beine zu bewegen, es fühlt sich an als seien sie Zentner schwer. Es ist ein wahrer Kraftakt, den ich da vollführe. Ich höre die Freunde wieder sprechen, kann aber nicht aufnehmen über was sie sich unterhalten. Langsam scheint wieder alles normal zu sein. Ich bemerke, dass ich in einem Sessel sitze. Meine Haare kleben an meiner Stirn. Riki kniet vor mir und streicht mir die verschwitzen Haarsträhnen aus dem Gesicht. Michael reicht mir ein Glas Wasser. Ich trinke hastig, meine Kehle ist staubtrocken und schmerzt. "Was war los ?" will ich wissen. "Eine Panikattacke. Ein Flashback. Irgendwas hier muss das ausgelöst haben" Riki nimmt mich in den Arm. "Riki, fahrt nach Hause. Ich sag den anderen Bescheid, dass euer Babysitter angerufen hat. " sagt Michael, der ebenfalls noch bei uns steht. Riki nickt. "Kannst du aufstehen?" fragt Riki. Ich nicke und wir verlassen mit wackeligen Beinen Michaels Wohnung. Rikis Wagen steht Gott sei Dank direkt vor der Tür des Hauses. Ich lehne meinen Kopf an die kühle Scheibe und versuche mich krampfhaft zu erinnern was hier passiert ist. Riki greift nach meiner Hand und streichelt sie mit seinem Daumen. Ich spüre seine Blicke auf mir. Ich schaue aus dem Fenster aber ich kann trotzdem nicht aufnehmen wo wir uns befinden. "Wir sind gleich da" sagt Riki als ob er meine Gedanken lesen könnte. Erst als wir zu Hause einparken bemerke ich, dass wir angekommen sind. Ungläubig schüttle ich den Kopf. Riki legt seinen Arm um mich und gibt mir einen Kuss auf mein Haar während wir ins Haus gehen. "Ich bin bei dir, Kleines, dir kann nichts passieren." flüstert er mir ins Haar. 

Zu Hause angekommen kuschel ich mich aufs Sofa, während Riki Tee aufkocht. Ich klebe am ganzen Körper. Riki kommt zu mir und nimmt mich fest in den Arm und streichelt meinen Rücken. "Es tut mir leid, Süße" sagt er und drückt mich ein Stück von sich weg um mir direkt in die Augen zu schauen.  Während ich wieder bei Riki im Arm liege und er mich leicht hin- und her wiegt kehren meine Erinnerungen langsam zurück. Da war ein Bild in Michaels Flur. Aber ich weiß nicht genau, was darauf zu sehen war aber wenn ich daran denke, dreht es mir den Magen um und ich muss mich schütteln. "Sch...." macht Riki und streichelt unentwegt meinen Rücken von oben nach unten. "Willst du reden?" fragt Riki. "Ein Bild" sage ich. "Hat Michael ein Bild im Flur hängen?" Es klingt so bescheuert aber das ist das Einzige, an das ich mich erinnern kann, jedoch gibt meine Erinnerung nicht das Motiv des Bildes frei. " Ein Bild? Mhmh...nicht direkt. Eher eine Art Kunstwerk mit einem Endoskop, was Michael zur Facharztprüfung geschenkt bekommen hat, weil er so gut damit umgehen kann." "Ein echtes?" krächze ich heraus, während mir der Schweiß ausbricht. Riki schaut mich fragend an. "Ist das ein echtes Endoskop oder war das nur ein Bild?" frage ich und knete dabei meine Finger. "Ein echtes, ja. In ein Bild eingearbeitet hinter eine Glasscheibe. Aber so eins würde man heute nicht mehr einsetzen. Deshalb haben die Kollegen damals ein Kunstwerk daraus gemacht. " berichtet Riki. Und schon schießen wieder die Bilder von damals in meinen Kopf. "Feli, was ist passiert? Rede mit mir." Rikis Stimme klingt brüchig. "Ich war als Kind ständig krank, Husten und Heiserkeit und sowas. Irgendwann sollte das endoskopisch angeschaut werden und eine Biopsie entnommen werden. So genau weiß ich das nicht . Vielleicht wurde auch was klein chirurgisches geschnibbelt. Während der Untersuchung war ich in Narkose. Warum auch immer bin ich auf einer Intensivstation aufgewacht und hatte höllische Schmerzen und mir war so übel, dass ich mich immer wieder übergeben musste. Ich habe so laut geschrien vor Schmerzen. Aber ich habe nichts bekommen. Zumindest kann ich mich nicht erinnern, dass die Schmerzen irgendwann nachgelassen hätten. Nach dem gefühlt 1000mal Kotzen war da plötzlich Blut und innerhalb kürzester Zeit stand mein Zimmer voll mit Ärzten und Schwestern. Dann verschwimmen meine Erinnerungen etwas. Ich kann mich nur noch an Fetzen erinnern. Daran, dass 2 Schwestern mich festgehalten haben und mir durch die Nase ein Endoskop geschoben wurde und ich immer wieder würgen muss, ich gar nicht schnell genug schlucken kann. Gleichzeitig die Hände eines 2. Arztes, der meine Kieferknochen zusammendrücken, damit ich den Mund öffne...Warum? Keine Ahnung....Ich kann mich nicht wehren und muss alles über mich ergehen lassen. Dann verschwinden meine Erinnerungen. Ich weiß weder wo meine Eltern waren, noch kann ich mich erinnern wann ich von der Intensivstation runter gekommen bin, wie ich nach Hause gekommen bin. Das ist einfach nur weg". Jetzt habe ich einen dicken, fetten Kloß im Hals, das Schlucken schmerzt und ich kann nichts dagegen tun, dass ich lauthals beginne zu heulen. Riki zieht mich in seine Arme. "Verstehe" sagt er lediglich und küsst mein Haar während er mich hin und her wiegt. "Es war so furchtbar. Einfach nur grauenvoll" Es ist schön zu spüren, dass Riki da ist. Das ich es aussprechen konnte. Ich höre seinen Herzschlag und spüre seine Hände vorsichtig meinen Rücken streicheln. Es fühlt sich gut an, meinen Kopf an seine Schulter zu lehnen. Ich spüre Rikis Wärme und genieße das gleichmäßige Klopfen seines Herzens. Minutenlang sitzen wir eng umschlungen da, mein Kopf auf seiner starken Schulter. Mit jeder weiteren Minute durchströmt mich immer mehr das Gefühl, dass ich nicht allein bin, dass Riki für mich da ist, auf mich aufpasst und mein Fels in der Brandung ist, das ich mit ihm alles schaffen kann. Als ich Riki wieder anschaue, streicht er mir eine Strähne aus dem  Gesicht. "Danke für dein Vertrauen" haucht er mir entgegen und küsst mich zart auf die Wange. 

Vertrau mir, sonst tut's wehWo Geschichten leben. Entdecke jetzt