6. Welcome home

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Zunächst war es still im Auto. Nachdem die Wirkung der Betäubung bei der jungen Frau eingesetzt hatte, hatte Mark sie vorsichtig in den Kofferraum gelegt und sie mit einer Decke, die sich immer in den Autos befand, zugedeckt. Es schmerzte zu sehen, wie friedlich und zufrieden Samia im Schlaf aussah, denn er wusste, dass er sie lange nicht mehr so sehen würde wenn sie erstmal wieder aufgewacht war.
Die anderen Männer hatten lange geschwiegen aber Mark wusste auch so, dass sie nicht begeistert von seiner Entscheidung waren, die Kleine mitgenommen zu haben. Erst nach gut einer Stunde brach einer die Stille.
„Verdammt Mark, hast du eigentlich nen Plan wie es mit ihr weitergehen soll? Hast du ne Ahnung wie viel Arbeit sie machen wird? Wie lange soll das bitte gehen?!"
Mark, der am Steuer saß, funkelte seinen Kollegen im Rückspiegel böse an. „Wenn ihr Pisser euch nur ein einziges Mal an meine Anweisungen gehalten hättet, wäre sie längst zuhause. Dort hätte sie auch hingehört. Ihr könnt mir nicht erzählen, dass einer von euch diese unschuldige junge Frau getötet hätte. Verdammt sie hat sich im Wald verlaufen und auch noch gedacht wir wären ihre Rettung! Wenn also einer nochmal irgendein Wort in die Richtung verliert warum ich sie mitgenommen habe, der hat ein Problem. Ihr habt euch diese Situation selbst zuzuschreiben, verstanden?" Marks Stimme war laut geworden und er war sich sicher, dass er erstmal Ruhe haben würde.

Zurück am Quartier parkte Mark den Audi in der Tiefgarage des großzügigen Anwesens und ging danach zum Kofferraum, welcher sich auf Knopfdruck öffnete. Samia war noch immer betäubt und würde es auch noch einige Zeit bleiben. Der Mann nahm die junge Frau samt Decke hoch, nachdem er sie einen Augenblick gemustert hatte und trug sie in Richtung Aufzug. James, der zuvor die zwei schwarzen Koffer mit Material aus dem Auto zum Lager gebracht hatte, kam auf die beiden zu. „Na gib sie schon her. Ich bringe sie hoch dann kannst du deinem Kram nachgehen, wie ich dich kenne wartet noch genug Arbeit auf dich." Mark nickte dankbar. James konnte er voll und ganz vertrauen. „Hab bitte ein Auge auf sie und falls sie eher aufwacht als erwartet.." „..rufe ich ich dich sofort an." unterbrach und vollendete James die Worte seines Kollegen. Im Fahrstuhl übergab Mark Samia und als sich die Türen auf der nächsten Ebene öffneten, gingen die Männer in getrennte Richtungen davon. Nach einigen Metern rief Mark jedoch noch über die Schulter „Und sie wird nicht gefesselt! Das macht ihr nur noch mehr Angst. Sie kommt hier eh nicht weg."
„Klar Chef, keine Fesseln fürs Dornröschen." witzelte James nur. Er überlegte, wo er die junge Frau am besten hinlegen konnte. Da sie nicht wie eine Gefangene sondern viel eher wie ein Familienmitglied behandelt werden sollte, schied der ungemütliche Keller, der so manches dunkles Geheimnis zwischen seinen kalten Wänden hütete, wohl aus. Gegen ein Schlafzimmer entschied er sich auch, da dort nicht sofort jemand bemerken würde wenn sie aufwacht. Also blieb nur Samia mit dort hinzunehmen, wo sich auch die Männer selber aufhielten. Im Wohnzimmer füllte lockeres Gelächter den Raum, das dürfte die betäubte Entführte wohl eher wenig stören. Sie bekam schließlich nichts von dem mit, was um sie herum passierte. Die anderen blickten kurz auf als James den Raum betrat aber die Blicke waren nicht mehr so anfeindend wie noch vor einigen Stunden im Wald. Sie hatten sich wohl oder übel mit der geänderten Situation abgefunden. Stefan stand sogar von seinem Platz auf dem Sofa auf und machte es sich auf der anderen Seite der gigantischen U-Couch gemütlich. James legte die junge Frau auf den freigewordenen Platz am Ende des Sofas und richtete die Decke, die ihren zarten Körper bedeckte.
Auch als Mark sich zwei Stunden später eine Flasche Bier aus der Küche holte und damit zu den anderen im großzügigen Wohnzimmer stieß, war Samia noch immer nicht wach. Bevor der Mann es sich selbst bequem machte, hockte er sich kurz neben die junge Frau nieder. Er strich ihr eine Sträne zurück hinters Ohr, die sich gelöst hatte. Erstaunlicherweise zeigte die junge Frau zaghafte Reaktionen auf die Berührung ihres Entführers. Zunächst zuckten die Finger einer Hand und nachdem ein leises Seufzen Ihre Lippen verlassen hatte, schien Samia sich einmal zu stecken, doch kuschelte sie sich dann nochmals ein. „Oh, Dornröschen macht auch mal Anstalten wieder wach zu werden!" kam sofort ein Kommentar von der anderen Seite der Couch den Mark nur mit einem nicht zu deutenden Blick quittierte. „Solangsam wird es auch mal Zeit. Sie hat seit Stunden nicht gegessen oder getrunken."
Nun war es Mark, der seufzte. „Du hast Recht, James. Wir müssen sie so langsam aufwecken."  der Mann stellte seine Bierflasche auf den Wohnzimmertisch und überlegte kurz wie er die Sache am besten angehen sollte. Er kam zu dem Entschluss, dass es sinnvoll wäre sie in einem anderen, ruhigeren Raum aufwachen zu lassen, in dem sie sich nicht gleich allen Männern auf einem Haufen gegenüber sah. Er würde alleine mit ihr dort warten. Deshalb richtete Mark sich etwas auf um das Mädchen hochzunehmen. Doch als er er ihren Hals nur mit seiner Hand streifte schreckte Samia hoch. Völlig verwirrt und verschlafen richtete sie sich etwas auf und rieb sich mit der rechten Hand die Augen. In dem Moment war sie so weggetreten, dass sie gar nicht zu merken schien, wo sie sich gerade befand. Auch die Männer waren absolut still. Keiner hatte mit dem plötzlichen aufwachen der Entführten gerechnet. Mark brach schließlich das Schweigen „Hallo Samia" sprach er leise zu ihr. Samia erstarrte kurz, ließ dann ihre Hand sinken und starrte zunächst Mark mit weit aufgerissenen Augen an bevor sie an ihm vorbei zu den anderen Männern blickte. Ihr Atem stockte und sie begann zu zittern. Als Mark sich einige Zentimeter auf die Frau zubewegte brannten bei dieser alle Sicherungen durch. Hektisch entfernte sie sich auf dem Sofa von dem Mann, verhedderte sich in der Decke, die sie die letzten Stunden umgeben hatte und merkte nicht wie das Sofa hinter ihr endete. Ungeschickt plumpste sie auf den Boden. Nun ebenfalls erschrocken über die heftige Reaktion eilte Mark um das Sofa herum. Samia saß mit dem Rücken schutzsuchende an das Sofa gepresst und blickte dem sich nähernden Mann verschreckt entgegen. Mit jedem Schritt der er näher kam zog die Frau ihre Beine dichter an sich heran und ihre Augen füllen sich mehr mit Tränen. Als er sich schließlich vor sie hockte flossen die ersten Tränen und Samia senkte den Blick und versuchte sich selbst so gut es ging zu beruhigen um nicht gänzlich in Panik auszubrechen.
Mark räusperte sich leise. „Es passiert dir nichts. Es ist okay, beruhig dich."
Samia antwortete nicht aber nickte schwach. 
„Na geht doch." lobte der Mann und sprach dann weiter. „Du isst jetzt erstmal was. Also hopp hopp, ab in die Küche mit dir." Nur eine halbe Sekunde zögerte die junge Frau und dann stand sie so schnell es ihr möglich war auf und folgte Mark ohne ein einziges Wort. Auf dem Weg in die Küche sah Samia sich unauffällig so gut es ging nach einem Fluchtweg um. Sie konnte im Flur einige Türen erkennen aber keine versprach auf Anhieb den Zugang zur Freiheit. In dem dämmrigen Zustand, in dem sie sich noch befand, war es wohl eh kontraproduktiv planlos loszusprinten.  Samia beschloss diesen Teil auf einen anderen Zeitpunkt zu verschieben. Ihr Leben schien zum jetzigen Zeitpunkt nicht akut gefährdet zu sein und dieser Status war ihr ganz lieb, sodass sie sich wohl erstmal bemühen sollte diesen zu halten. Bei Marks ständigen Stimmungswechseln konnte sie sich einfach nicht sicher sein, wie er im nächsten Moment reagieren würde. Den Männern gegenüber war sie wie versteinert, unfähig sich wirklich zu bewegen oder gar zu sprechen. Die Angst schnürte ihr wortwörtlich die Kehle zu. In der großzügigen Küche angekommen machte Mark sich ans Werk. Die junge Frau stand verloren in der Ecke, die am weitesten entfernt war. Selbst mit diesem Sicherheitsabstand traue sie sich nicht sich groß zu bewegen und zählte zum dritten Mal die großen Fliesen auf dem Boden in dem Raum um sich abzulenken. Der Mann hatte gehofft es würde ihr gut tun sie für den Anfang aus dem Raum mit den gesammelten Männern rauszuholen, jedoch wirkte sie selbst mit ihm alleine völlig überfordert. „Magst du mir helfen die Paprika zu schneiden?"  Samia blicke erschrocken auf aber ging dann langsam zu der Arbeitsplatte hinüber wo Mark neben sich ein Schneidebrett, zwei Paprika und ein Schneidemesser bereitgelegt hatte. Zögerlich nahm die junge Frau eine Paprika in die Hand und musterte das Messer eingehend und wusste nicht recht ob sie es wirklich nehmen durfte. Mark entging ihr Zögern natürlich nicht und er konnte sich denken worüber sie nachdachte. „Ich vertraue dir, dass du nichts dummes mit dem Messer machst also nimm es einfach." Sie gehorchte und schnitt das Gemüse in zwei Hälften. „Oder ich weiß einfach, dass ich dich schneller überwältigt hätte als du mit dem Messer auch nur in die Nähe von mir gekommen wärst. Du darfst dir eine Variante aussuchen." lachte Mark freundlich, doch auch das schien nicht die gewünschte auflockernde Wirkung zu erzielen. Noch immer war das Mädchen scheu wie ein Reh und achtete auf jede seiner Bewegungen. Nachdem die Paprika fertig geschnitten war gab Samia sie mit in die Pfanne und spülte das Messer und das Brettchen ab bevor sie sich wieder von dem Mann entfernte.

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