49. Der Wahrheit ins Auge sehen

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Nochmal ein weihnachtliches Hallo in alle Richtungen!

Hier kommt mein kleines Weihnachtsgeschenk für euch: ein neues Kapitel und zwar nicht nur irgendeins, sondern hier gibt es heute eine große Offenbarung. Freut euch auf ganze 1350 Wörter, hoffentlich voller Spannung und Lesefreude.

Ich wünsche euch und euren Liebsten von Herzen magische und friedvolle Weihnachten!

Liebe Grüße ✨🧑🏼‍🎄

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Mark POV

Besinnungslos stolperte ich ohne jegliches Zeitgefühl durch den weitläufigen Wald, der an unser Anwesen grenzte. Mit leerem und überquellendem Kopf zugleich setzte ich einen Schritt vor den anderen, lief ohne Ziel kreuz und quer durchs Unterholz. Meine Haut an den Armen und Beinen brannte von den unzähligen Ästen und Büschen, die dagegengepeitscht waren. Nein, eigentlich schmerzte mein ganzer Körper und streckte mitten in einem Orkan aus durcheinanderwirbelnden Gefühlen.
Auf einer kleinen Lichtung kam ich endlich zum Stehen, ließ mich auf die Knie fallen und raufte mir immer wieder die Haare. Meine Augen brannten verdächtig aber ich würde es nicht zulassen zu flennen wie ein Schwächling.

Es war einfach unmöglich! Jedes einzelne Gesetz der Wahrscheinlichkeit schrie gegen die unausweichliche Realität an. Es konnte so nicht sein, es durfte so nicht sein. Aber es war nicht einfach nicht länger wegzudiskutieren, was meine Psyche vermutlich schon seit mehreren Stunden, vielleicht ab der ersten Sekunde im Wald erfolgreich kaschiert hatte. Die Erinnerungen prasselten nun jedoch unerbittlich auf mich ein. Erinnerungen an das kleine unschuldige Mädchen mit den braunen Zöpfen, welches kichernd versuchte mich beim fangenspielen einzuholen. Die braunen Augen, mit Tränen gefüllt, weil um uns herum im Haus wie so oft viel zu laut geschrien wurde. Der zarte Duft und die kleinen Fingerchen, die mich versuchen wegzudrücken um eine Kitzelattacke abzuwehren.
Diese Bilder hatte ich beinahe zwei Jahrzehnte akribisch versucht aus meinem Gedächtnis zu verbannen. Zu schmerzlich waren diese Erinnerungen an Ellie.

Ellie meine kleine Schwester.

Damian POV

Eigentlich hatte ich mir geschworen mich aus allem herauszuhalten was die Kleine aus dem Wald anging. Es war mir zu lästig mich mit dem heulenden Nervenbündel auseinanderzusetzen. Nun hatten zwei Faktoren dazu beigetragen, dass ich meine eigene ungeschriebene Regel gebrochen hatte und auf dem Weg in den Keller war. Zum einen interessierte es mich verdammt nochmal ebenso wie die anderen, was Samia angestellt hatte um Mark so fuchsteufelswild zu machen und zum anderen wollte ich ihn nicht noch wilder erleben wenn einer von uns die Kleine kalt gemacht hatte, ehe er sich für was auch immer hatte rächen können. Bei Stefan hätte ich meine Hand dafür ins Feuer gelegt, dass er die Kontrolle verloren hätte, wenn er nochmals zu ihr in den Keller gegangen wäre. Bei den anderen war ich mir nicht sicher aber wollte es nicht drauf ankommen lassen.
Bevor ich die Tür zur Zelle öffnete. Nahm ich mir aus dem Nebenraum noch etwas Werkzeug mit. Zwei verschwinde verschiedene Messer, einen Seitenschneider und Schlösser für die Ketten.
Alles in meiner Gesäßtasche verstaut, schloss ich die Tür auf und öffnete sie so schwungvoll, dass sie lautstark aufflog.
Ich konnte noch erkennen, wie die junge Frau, welche sich zuvor in der Ecke links zusammengekugelt hatte, aufschreckte und versuchte aufzustehen. Schon jetzt war sie jedoch völlig wackelig und schien kämpfen zu müssen, richtig bei Bewusstsein zu bleiben.
„Oh Süße, das war doch alles erst der Anfang." dachte ich mir grinsend und beobachtet die Frau einen Moment. Die würde nicht viel aushalten. So viel stand fest.
Samia stand nun halbwegs aufrecht aber an die Wand gepresst als wünsche sie sich hindurchdiffundieren zu können. Als ich einen Schritt in den Raum machte und die Tür hinter mir anlehnte, bewegte die Kleine sich blitzschnell nach vorne und hatte eine mickrige Metallstange aus dem Dreck gefischt und hielt sie zur erbärmlichen Verteidigung vor sich.
Wenn ich nicht so geübt darin wäre, ein Pokerface in jeder Lage zu wahren, hätte ich mich vor Lachen auf dem Boden gekugelt.

Stattdessen ging ich unbeirrt auf sie zu, was sie erschaudern ließ. Sie hatte wirklich geglaubt, mich mit ihrer „Waffe" einschüchtern zu können. Als ich noch knappe eineinhalb Meter von ihr entfernt war, blieb ich breitbeinig stehen, verschränkte meine Arme und musterte sie durchdringend mit leicht schief gelegtem Kopf.
Wollten wir doch mal sehen wie leicht man sie auch ganz ohne Worte und aktive Taten lenken kann.

Die Frau war zu lesen wie ein offenes Buch. Erst war es Verzweiflung darüber, dass ich mich ihr trotz ihrer Verteidigungshaltung näherte, dann Verwirrung über mein Innehalten und dann wand sie sich förmlich unter meinem Blick. In ihr tobte ein Krieg zwischen zwei Fronten. Kampf oder Resignation. Letzteres schien recht zügig Überhand zu gewinnen, denn sie senkte keine fünf Sekunden später die zitternde Stange und ließ sie mit hängenden Schultern zu Boden gleiten, wo sie mit metallischem Klirren zum liegen kam. Wenigstens hatte sie endlich mal geschnallt, dass sie keine Chance gegen uns hatte.

Stumm rannen Tränen ihre vor Angst geröteten Wangen hinab. Eine Wange war beinahe dunkelrot und schimmerte lila und ich tippte darauf, dass das die Spuren einer Stefans legendärer Ohrfeigen waren
Das Beben der vollen Lippen der Frau vor mir verriet ihren labilen Zustand und in dem Moment wurde mir bewusst, dass es eine Verschwendung sein würde, die Frau einfach so zu entsorgen. Sie war wunderschön und ihr Körper hatte sicherlich noch andere Qualitäten, die es wert wären sie noch etwas am Leben zu lassen aber das hatte in diesem Fall Mark zu entscheiden.

„Rüber da." Fuhr ich Samia an, was sie erschrocken aufblicken ließ. Dann folgte sie mit den Augen meiner Hand und keuchte auf, als sie die Wand mit den Ketten erblickte.
Kopfschüttelnd presste sie sich noch tiefer in die Ecke und ihr hektisches Atmen beschleunigte sich nochmals.

„Das war keine Frage, Samia. Also rüber mit dir und zwar jetzt. Sonst werde ich ungemütlich."
Meine unpassend ruhige Stimme ließ Samia wimmern aber noch immer war keine Bewegung erkennbar.
Ich musste mich selbst zur Ruhe zwingen und atmete angespannt ein, bevor ich einen weiteren Schritt auf sie zumachte. Dieser bewegte Samia endlich dazu, sich hektisch aus der Ecke zu lösen. Mit beiden Händen haltsuchend an der Wand, bewegte sie sich in Zeitlupe in die Richtung in die ich nun wieder deutete. Erst an dem Durchbruch zum Bad löste sie sich gezwungenermaßen zaghaft von der Wand und ging zitternd durch den Raum. Es wunderte mich tatsächlich, dass sie sich noch selbst auf den Beinen halten konnte und nicht sofort zusammenbrach und ich war mir sicher, dass es die Angst vor meiner Reaktion war, wenn sie nicht gehorchen würde, die sie weiterlaufen ließ.
Geduldig lief ich mit, trieb sie vor mir her bis sie fast bei den Ketten angelangt war.
Kaum merklich konnte ich eine Regung in ihr ausmachen und ich musste mich nicht umdrehen um zu wissen, worauf ihr Blick gefallen war. Die angelehnte Tür ließ sie offensichtlich hoffen und ich war mir sicher, dass die Kleine sich keinen einzigen Gedanken darüber gemacht hatte, was es ihr bringen würde, wenn sie aus dem Keller flüchten könnte, denn wo wollte sie schon hin?
Oben würde sie den anderen in die Arme laufen und hier war momentan keiner gut auf sie zu sprechen. Es könnte also nur böse für sie ausgehen.

Und doch sprang die Kleine urplötzlich los und rannte auf die Tür zu. Da ich diesen Fluchtversuch jedoch hatte kommen sehen, fing ich sie mit meinem rechten Arm gekonnt ab und warf sie nicht gerade zimperlich an die Wand, sodass die Ketten klirrten.

„Ganz blöde Idee!" presste ich zwischen zusammengebissen Zähnen hindurch. Zum Glück hatte ich sie nicht mit aller Kraftzurückgeschleudert. Das hätte bei ihrem Fliegengewicht schnell ins Auge gehen und mit mehreren Knochenbrüchen enden können.
Wir hielten sonst Männer in unserer Gewichtsklasse in Schach, da waren ihre vielleicht 50kg nichts.

Die Frau hatte nur erschrocken aufgeschrien als ich sie gepackt hatte und der Kontakt zur Wand hatte sie für einige Zeit völlig vernebelt. Ihr Kopf kippte immer wieder zur Seite und sie kämpfte gegen eine Ohnmacht an. Ich nutze die Gelegenheit und holte das erste Schloss aus der Tasche um eins ihrer Handgelenke anzuketten. Erst als ich nach dem zweiten greifen wollte, kam wieder Leben in die Frau. Verzweifelt zog sie an der Kette und versuchte mit der noch freien Hand,die Stahlkette abzusteifen. Ohne Erfolg versteht sich, denn sie war nicht mein erstes Opfer, welches ich mit Fesseln bewegungsunfähig machte. Schluchzer erschütterten ihren Körper als ich wieder nach ihrem zweiten Handgelenk griff und es ohne Probleme zu packen bekam. Verzweifelt versuchte sie sich aus meinem Griff zu winden doch das was für sie wahrscheinlich voller Krafteinsatz war, war für mich kaum wahrzunehmen.

In dem Moment war mir bewusster als je zuvor, dass Samia ein einfaches Opfer für mich sein würde.

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