58. Selbstdisziplin

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Stefan POV

Seufzend drängte ich diese Gedanken mit aller Kraft zur Seite, denn egal wie sehr es mir auch in den Fingern juckte, die Kleine einfach wieder in den Keller zu bringen um selber meine Ruhe zu haben oder genüsslich auszutesten wie weit ich sie durch Angst und Verzweiflung lenken konnte, Mark hatte mir seinen Schützling hier anvertraut. Aus welchem Grund ich sie so in Watte packen sollte, war mir zwar noch immer schleierhaft aber ich hinterfragte es nicht weiter.
Mir war bewusst, dass es ein leichtes sein würde, Samia so weit zu verängstigen, dass ich alles mit ihr anstellen können würde und sie aus Angst vor mir keinem auch nur ein Sterbenswörtchen darüber verlieren würde aber Marks dringliche Worte hallten immer wieder in meinem Kopf nach. Ihm war es wichtig, dass sie vorerst gut behandelt wurde und das würde ich akzeptieren.
Mit wenigen Schritten näherte ich mich der kämpfenden Frau. Dieser entging meine Annäherung natürlich nicht, was sie dazu bewegte, sich in Rekordzeit nach hinten in die Ecke zwischen Kommode und Wand zu strampeln. Die Flucht nach vorne war ihr natürlich nicht gelungen, da sie sich keine Sekunde auf den Beinen halten konnte. Ihre Verzweiflung wuchs, als ich den Sessel mit einer fließenden Handbewegung zur Seite beförderte und sie sich mir ohne jegliches Hindernis gegenüber sah.
Ich ließ es mir nicht nehmen, die Frau mit schiefgelegtem Kopf einige Zeit intensiv zu mustern, als könne sie mir so verraten, was Mark so in den Wahnsinn getrieben hatte.
Samia atmete ungleichmäßig und mir war bewusst, dass mein Verhalten für sie Folter war. Ach meine reine Anwesenheit war zu viel für sie, deshalb würde es keinen nennenswerten Unterschied machen ob ich sie mit geheuchelten Worten in Sicherheit wiegen würde und sie dennoch panisch bleiben würde oder ob ich erst gar nicht so viel Arbeit in diese Situation stecken würde. Das Ergebnis war wohl das selbe.
Bei meinem nächsten Schritt quetschte die Kleine sich noch tiefer in die Ecke hinein und sah mich flehend an.
"Bitte tu mir nicht weh, Stefan!" fiepte sie zwischen den viel zu schnellen Atemzügen. "Wenn ich Glück habe, befördert sie sich gleich selber in eine Ohnmacht und ich habe erstmal meine Ruhe" hoffte ich in Gedanken und konnte beobachten, wie mein Schweigen sie vollends verunsicherte.
Ohne ein einziges Wort hielt ich ihr meine Hand entgegen, um ihr aufzuhelfen und Samia schaute diese an als wäre es der Lauf meiner Waffe, den ich ihr vor die Nase hielt. "Oh Schätzchen, diese Hände sind schlimmer als jede Schusswaffe." dachte ich stumm und konnte ein leichtes Grinsen auf meinen Lippen nicht verhindern, welches natürlich auch der Frau nicht entging. Sie rang sichtlich mit sich selbst als sie ihre Hand hob und diese in meine legte. Alles an ihrer Ausstrahlung schrie mir entgegen, dass sie diesen Kontakt nicht wollte aber sie wusste genauso gut wie ich, dass es übel für sie aussehen würde, wäre sie meiner stummen Aufforderung nicht gefolgt.
Die seidige Haut war eiskalt als ich nicht sonderlich gefühlvoll zupackte und sie hochzog, flackerte ihr Blick bedrohlich aber den Gefallen, gänzlich umzukippen, tat sie mir nicht.
Da ich mich bei ihrem geringen Körpergewicht mal wieder verschätzt hatte, zog ich das Fliegengewicht viel zu kräftig hoch, sodass sie ungebremst gegen meine Brust prallte. Samia versuchte, mit der freien Hand Abstand zwischen uns zu bringen aber ich ließ es nicht zu, da ihre Beine sie gar nicht hielten.
Noch genervter als zuvor, griff ich ihr unter beide Arme und setzte sie auf dem Sessel ab, auf dem sie auch zuvor gesessen hatte.
"So, du kleine Kröte, wärst du einfach brav sitzen geblieben, hätten wir den ganzen Schlamassel gerade gar nicht gehabt. Also selber schuld würde ich sagen." machte ich ihr mit ruhiger Stimme deutlich und erzielte gleich die gewünschte Wirkung während ich mich in voller Größe vor ihr aufgebaut hatte. Die Frau rutschte unsicher hin und her und ich sah ihr an, dass ich sie tatsächlich mit nur einem Satz in ein quälendes schlechtes Gewissen katapultiert hatte.

"Entschuldige." nuschelte sie kraftlos und stammelte dann beinahe unverständlich weiter "Ich dachte.. du.. du würdest."
"Dich wieder schlagen und dich dann in den Keller sperren?" Vervollständigte ich ihren Gedanken und genoss ihren schockierten Blick, der nach meinem nächsten Satz noch legendärer wurde. "Das hätte ich auch schon längst gemacht wenn Mark mich nicht davon abgehalten hätte aber glaub mir, dieses Mal wäre ich nicht mehr so sanft mit dir umgegangen, nach allem was du hier angestellt hast." Während ich bedrohlich geflüstert hatte, hatte ich mich immer weiter zu der Frau hinuntergebeugt und mich schlussendlich rechts und links von ihr auf den
Armlehnen abgestützt.
"Sanft?" Keuchte die Kleine erschrocken und ich konnte sehen, wie sie sich augenblicklich auf die Wangen biss wegen ihrer unkontrollierten Frage.
"Ja, ganz genau. Sanft. Du hast offensichtlich keine Ahnung wozu wir fähig sind. Aber wenn du offensichtlich so interessiert an dem Thema bist, kann ich es dir auch gerne demonstrieren." ohne Vorwarnung legte ich meine Hand um Samias schlanken Hals und drückte sie so im Sessel nach hinten bis sie an die Rückenlehne stieß. Es kostete mich wirkliche Willenskraft, nicht wie gewohnt zuzupacken, sondern nur mit einem winzigen Bruchteil der Kraft, Ich wollte sie nicht tatsächlich würgen, sondern meinen Worten nur die nötige Untermalung zukommen zu lassen.
Augenblicklich lief eine Träne stumm über die nun noch gerötetere Wange und ihre, im Vergleich zu meinen, winzigen Finger krallten sich hilflos an meine Hand. Ich konnte den fliegenden Puls unter der zarten Haut und ihr trockenes Schlucken spüren. "Lass los, bitte! Ich habe ja verstanden. Stefan bitte! Ich habs doch verstanden!" flehte Samia krächzend.
"Ach ja, was hast du denn bitte verstanden, hmm?!" fragte ich amüsiert nach und ihre Antwort kam ohne Verzögerung. Na geht doch. Mit genug Druck bekam man offensichtlich auch unseren Angsthasen hier zum Reden.
"Ihr seid gefährlicher.. gefährlicher als ich es mir wahrscheinlich vorstellen kann.. und will. Und ich soll mich euch nicht wiedersetzen oder Dummheiten anstellen." Samias Stimme war kaum noch hörbar und ich entschied, dass es genug war. Noch einen weiteren Moment hielt ich sie so fest, bevor ich mich abrupt von ihr löste.
"Na geht doch, gutes Mädchen." lobte ich sie ernsthaft zufrieden mit der Antwort und überlegte, ob ich Mark nicht bei passender Gelegenheit doch noch überzeugen konnte, die Kleine auszubilden und an Salvatore oder an einen ähnlichen Händler zu verkaufen. Nicht wegen des Geldes, sondern weil ich wirklich mal wieder Lust hatte, einen Menschen so zu formen wie ich es wollte und zuzusehen, wie sie nach und nach ihren eigenen Willen verlor und sich mir voll und ganz hingab, um ungebremst in eine totale Abhängigkeit zu rauschen.
"Iss jetzt. Und danach badest du bis zu wieder warm bist. Wenn du nicht klarkommst, ruf einfach. Ich bin gleich nebenan. Klamotten lege ich hier außen vor die Tür." Gab ich ihr nochmal die Anweisungen, die Mark angeordnet hatte, bevor ich den Raum verließ, um nicht auf Gedanken zu kommen, die Mark nicht gefallen würden. An der Tür drehte ich mich ein letztes Mal zu der verstörten Frau um und schaute sie warnend an. "Komm ja nicht auf irgendwelche dummen Ideen und glaub mir, ich höre alles. Abgeschlossen wird auch nicht. Ich habe keine Lust, wieder mal eine Tür zu zerstören, verstanden?"
"Ja verstanden" quiekte Samia promt, sichtlich erleichtert, dass ich sie für den Moment alleine ließ. Als ich die Tür zuzog konnte ich noch erkennen, wie die Frau in sich zusammensackte und lautlose Schluchzer ihren Körper schüttelten während sie sich gewaltvoll die Haare raufte.

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