27. Eskalation

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Obwohl ich versuchte es zu vermeiden, lief ich nicht ganz rund und ein leichtes Humpeln verriet die Schmerzen in meinem Knöchel. Ich fragte mich wirklich was in den Mann gefahren war. Er hatte völlig die Fassung verloren, so außer sich war er nichtmal gewesen als er mich zuvor aus dem See gefischt hatte. Aus diesen Monstern wurde man einfach nicht schlau aber wie auch?
Als wir das Wohnzimmer betraten, blickte Stefan uns mit unergründlichem Blick entgegen, lässig mit einer Kaffeetasse in der Hand an den Türrahmen gelehnt. Augenblick blieb ich unter seinem starren Blick stehen, sodass Mark unsanft in mich reinlief. Bevor ich jedoch nach vorne stolpern konnte, hielt der Mann mich an den Hüften fest, was mir binnen einer Sekunde einen unangenehmen Schauer den Rücken runterjagte. Die plötzliche Berührung seiner  Hände brannten sich förmlich durch den dünnen Stoff, sodass ich erschrocken aufkeuchte und einige Schritte reißaus nahm.
„Man man man Mark, ich dachte es liegt dir so viel daran, dass wir deiner Kleinen nichts tun und jetzt bist du derjenige der sie am laufenden Band verletzt?" fragte der zweite Mann hämisch und ich musste Mark nicht ansehen um seine Wut zu erahnen.
„Müssen diese Hitzköpfe sich denn auch ständig streiten?" flogen meine Gedanken gestresst umher, denn eine Schlägerei würde ich nun wirklich nicht verkraften.
Flüchtig blickte ich zu Mark um mir ein Bild von seiner Laune zu machen und um abzuschätzen ob ich in akuter Gefahr war und bei seinem Anblick zuckte ich unwillkürlich zusammen. Sein Gesicht war vor Wut verzerrt und jeder Muskel in seinem Körper schien bis zum zerreißen angespannt. „Du heilige Scheiße, das kann nicht gut ausgehen!" verselbstständigen sich meine Gedanken und ich wich unauffällig von den Männern weg. Ein kurzer Blick zu Stefan zeigte mir, dass er wenig beeindruckt von Marks Erscheinung war. Beruhigen konnte mich das allerdings nicht.
„Sag das nochmal." presste Mark unkontrolliert hervor doch Stefan schnaufte nur unbeeindruckt und nahm seelenruhig einen Schluck Kaffee. Das schien bei Mark auch die letzte Sicherung durchbrennen zu lassen und er ging mit einem grollenden Geräusch, was lange nicht mehr menschlich klang, auf Stefan los und stieß den Mann mit einer solchen Wucht gegen den Türrahmen, dass ich befürchtete dieser würde zerbrechen und der Mann leblos zu Boden gehen. Die Kaffeetasse löste sich aus Stefans Hand und ging zu Boden wo sie in tausend Scherben zerbrach und der dunkelbraune Inhalt sich quer über den Boden verteilte. Das Klirren der Scherben war für mich ohrenbetäubend  und ich stieß einen entsetzten Schrei aus, als ich sah, wie Marks Faust in Stefans Gesicht landete und dieser gleich darauf ebenfalls ausholte und zuschlug. Die Geräusche schwollen immer weiter im meinem Kopf an und ich befürchtete mein Trommelfell könnte platzen weshalb ich mir verzweifelt die Ohren zuhielt und mit dem Rücken an der Wand immer weiter rückwärts ging, bis ich mich in einer Nische unter der Treppe hinab auf die kalten Fliesen gleiten ließ.

Stefan POV
„Verdammte Scheiße, hatte Mark einen harten Schlag drauf." das war mir grundsätzlich bewusst aber nie zuvor hatte ich es selber zu spüren bekommen und das hätte auch so bleiben müssen. Vor lauter Wut über sein unkontrolliertes Verhalten, war allerdings auch mir meine Faust ausgerutscht aber damit hatte sich das Ganze zum Glück dann erledigt und wir erlangten beide die Kontrolle wieder noch ehe Danny und Aiden herbeigeeilt kamen.
Unser Kampf oder Samias spitzer Schrei mussten sie in Alarmbereitschaft versetzt haben. Völlig verwirrt blickten sie auf die Szene die sich bot und man sah ihnen an, dass sie alles andere als begeistert darüber waren. Seit die Frau hier war, war es mit der Harmonie vorbei. Deshalb waren wir alle auch immer froh, dass sich bisher keiner von uns unglücklicherweise in ein weibliches Wesen schockverliebt hatte, sondern wir alle nur auf körperlicher Ebene mit den Frauen verbunden waren. Jetzt sahen wir ja, was sie alles durcheinander brachte, wobei man Samia daran letztendlich keine Schuld geben konnte, wenn es nach ihr ging, wäre sie schließlich schon längst über alle Berge und der der hier den Stress machte, war definitiv Mark.
Er musste dringend mit uns sprechen, da konnte doch irgendwas nicht dran stimmen.
Er war es damals von uns gewesen, der die Frauen, die wir ausbildeten, abhängig und mit Schmerz und Druck gefügig gemacht hatte. Nie hatte er eine einzige Emotion dabei gezeigt, er hatte einfach seinen Job gemacht, mehr nicht. Und jetzt war er plötzlich ein sentimentales Weichei? Das konnten wir beim besten Willen nicht gebrauchen.
„Wir klären das hier später sachlich aber du gehst dich erstmal abreagieren!" schlage ich bestimmt vor und deute mit dem Kinn in Richtung Fitnessraum. Die meiste Anspannung ist verraucht aber ich kenne Mark lange genug um zu wissen, dass es bei ihm knapp unter der Oberfläche noch immer gehörig brodelt und ihm am besten Sport hilft, das entfachte Feuer zu ersticken.
Ohne ein weiteres Wort und nur mit einem Schnaufern als Antwort, drängte Mark sich an mir vorbei und verschwand nach oben.
„Das kann so einfach nicht weitergehen!" stellte ich wieder fest aber hielt die Worte stumm bei mir. Danny und Aiden sahen mich beinahe vorwurfsvoll an doch was sollte ich ihnen schon sagen? Ich wusste es ja selber nicht.
Seufzend wischte ich mir mit einem Taschentuch, das Aiden mir anreichte, das Blut meiner aufgeplatzten Lippe weg und Danny hatte sich derweilen daran gemacht, die Scherben zusammenzukehren.
„Samia" kam mir plötzlich das Stichwort in den Kopf worum es hier überhaupt ging und ich ließ meinen Blick in die Richtung schweifen, in der ich sie zuletzt gesehen hatte und tatsächlich kauerte sie nur mit dem Herrentshirt bekleidet, unter der Treppe.
„Na klasse!" fluchte ich mal wieder stillschweigend und zwang mich zur Ruhe als ich zu ihr herüberging.
Wenige Meter von ihr entfernt blieb ich stehen und überlegte mir, wie ich sie an schonendsten ansprechen konnte. Dabei musterte ich die junge Frau. Ihre Augen waren geschlossen, die Ohren hielt sie sich noch immer zu und sie summte leise eine mir unbekannte Melodie. „Kein gutes Zeichen" befürchtete ich und ließ mein Blick weiter über sie schweifen. Der Stoff und ihre gekreuzten Beine verdeckten alles, was verdeckt werden musste und da war ich froh drüber, denn wenn ihr bewusst werden würde, dass sie entblößt vor uns saß, würde sie vermutlich durchdrehen.
Ihre porzellanreine Haut war von einigen Narben an den Beinen gezeichnet und kurz zuckte ein Bild vor meinem inneren Auge auf, welches ich gerne nicht gehabt hätte.
Ein kleines Mädchen saß ebenso zusammengekauert in einer vermeintlichen schützenden Ecke, eine blutende Wunde am Schienbein und die streitenden Eltern gleich um die Ecke mit dem Vater, der die Mutter womöglich so geschlagen hat, wie Mark mich und ich ihn. Angesichts ihrer schwierigen Vergangenheit war es nicht abwegig, dass sie ähnliche Erfahrungen machen musste und augenblicklich verpuffte meine Wut.
Wahrscheinlich hatte sie die Situation vorhin mit voller Wucht in ein Flashback katapultiert.
Ich schüttelte meinen Kopf um den sentimentalen Durchfall in meinem Kopf loszuwerden um nicht zu enden wie Mark und überbrückte die restliche Distanz zu der Frau ehe ich sie vorsichtig am Arm berührte.

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