13. Keine Reue

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Moin ihr alle, hier kommt diesmal wieder ein ausgewachsenes Kapitel mit stolzen 1350 Wörtern. Ich bin gespannt wie ihr es findet und was ihr meint wie es weitergeht (:

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Nachdem ich meinen Kaffee im Wohnzimmer ausgetrunken hatte, beschloss ich, etwas arbeiten zu gehen um mich abzulenken. Meine Gedanken drehten sich zu viel um dieses Mädchen, das war nicht gut und so hoffte ich, dass meine Arbeit mich mal wieder runterbringen würde. Einen letzten Blick warf ich auf die junge Frau, die sich nach meiner Zustimmung auf der Fensterbank niedergelassen hatte. Sie schien völlig in Gedanken zu sein und blickte starr nach draußen. Stefan und ich tauschten einen kurzen Blick und er wusste Bescheid, dass er einen Blick auf Samia haben sollte, während ich weg war.
Seufzend ließ ich mich auf meinen Schreibtischstuhl fallen und widmete mich meiner Arbeit. Meine Gedanken schweiften jedoch immer wieder ab. Wie soll das hier nur weitergehen? Hätte ich anders reagieren können und uns somit die Nerven ersparen können? Wenn sich die Lage entspannt, können wir sie vielleicht wieder gehen lassen? „Was zerbrichst du dir so den Kopf wegen einer Frau die du gar nicht kennst und wegen der du unnötige Sorgen hast?" wütend auf mich selbst, stand ich genervt auf und machte mich auf den Weg zurück ins Wohnzimmer. Ich konnte mich eh nicht konzentrieren. Als ich den Raum betrat, traf mich sofort Samias hilfesuchender Blick. Dann fiel meine Aufmerksamkeit auf Stefan, der dicht bei ihr saß, eine Hand an ihrer Wange, die andere auf ihrem Knie. Beim genaueren Betrachten fiel mir auf, dass die Wangen der Frau nass von Tränen waren und rasende Wut machte sich in mir breit. Ich konnte diese mir bisher unbekannte Emotion nicht zurückhalten und jeder Muskel in meinem Körper spannte sich automatisch an. „Nimm deine Hände von ihr!" knurrte ich und war selbst erschrocken über meine unkontrollierte Stimme. Stefan zog nur fragend eine Augenbraue hoch regte sich allerdings ansonsten kein Stück. Samia sah nun noch erschrockener aus als zuvor und ich ballte meine Hände zu Fäusten.
„Sofort" presste ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
Stefan erhob sich sichtlich verwundert. Noch nie hatte ich mich ernsthaft gegen einen von uns gestellt. Wir waren mehr als nur Arbeitskollegen oder Freunde. Wir waren wie Brüder, die alles teilen, für gewöhnlich auch Frauen. Neben der Verwunderung konnte ich deshalb zurecht auch Wut in seinem Gesicht erkennen. Wie in Zeitlupe gingen wir aufeinander zu, jeder von uns angespannt bis in die letzte Faser unserer Körper. Ich wusste, dass wir es auf keinen Fall auf einen Kampf angekommen lassen durften, denn keiner von uns war dem anderen in irgendeiner Form unterlegen und dennoch befand ich mich voll im Verteidigungsmodus.
„Glaubst du ich hätte ihr auch nur ein Haar gekrümmt? Ich hab keine Lust auf Stress, das weißt du auch! Man was ist denn los mit dir? Ich habe versucht sie aus ihren Gedanken zu holen, denen sie nachhing und deshalb geweint hat. DU hast sie mitgeschleppt und ihr das angetan, nicht ich!" keifte Stefan mich ebenso angespannt an. Ich wusste, dass in seinen Worten vermutlich mehr Wahrheit steckte als ich vielleicht wahrhaben wollte aber ich konnte mich nicht beruhigen. Plötzlich mischte sich eine andere Stimme ein und im Augenwinkel konnte ich Bewegung wahrnehmen.
„Stopp! Hört auf!" rief Samia schrill und atemlos und bewegte sich zwischen uns obwohl wir kaum einen Meter auseinander standen. Je eine ihrer Hände lag zaghaft auf meiner und auf Stefans Brust.  Stefan sah ebenso verblüfft auf die junge Frau zwischen uns hinunter wie ich und für den Bruchteil einer Sekunde konnte ich Entschlossenheit und Kampfgeist in ihrem Blick aufblitzen sehen, bevor der Ausdruck wieder völliger Unsicherheit wich. „Bitte hört auf." wiederholt sie nun wesentlich leiser aber da weder Stefan, noch ich unsere verkrampften Haltungen aufgegeben hatten, schien sie nicht sicher zu sein, ob wir uns nicht doch noch anfallen würden. Langsam, beinahe beschämt über die Berührung, ließ sie ihre Hände sinken.
„Stefan hat Recht. Er hat mir nichts getan." gab Samia flüsternd zu und ich entspannte augenblicklich, was auch Samia zitternd ausatmen ließ.
„Ich habe nicht wegen ihm geweint, ich war so in Gedanken, dass ich es gar nicht gemerkt habe. Er wollte mir helfen.. denke ich.." die Kleine kämpfte gegen das Brechen ihrer Stimme an. Ihr schien die ganze Station sichtlich unangenehm zu sein.
Stefan fixierte Samia lange und dann mich ein letztes Mal intensiv bevor er den Raum mit  schweren Schritten und ohne ein weiteres Wort verließ. Er war vermutlich ebenso überrascht wie ich, dass die Entführte den Mut aufbrachte, sich zwischen uns zu stellen und ihn zu verteidigen. Vielleicht traf Gerechtigkeitssinn es eher als Mut überlegte ich dann. Jedenfalls  hatte sie durch ihr Einschreiten die Situation definitiv deeskaliert.
„Warum hast du geweint?" fragte ich die Frau dennoch mit Nachdruck. Ich musste einfach wissen was in ihr vorgeht. Statt direkt zu antworten, senkte sie den Kopf und begann nervös auf ihrer Unterlippe herumzukauen. Ich zwang mich zur Ruhe was mir angesichts der Situation von gerade definitiv schwer fiel.
„Sieh mich an und antworte gefälligst." zischte ich gefährlich. Samia schluchzte leise aber hob ergeben den Kopf. Ich konnte erkennen, wie ihre Augen sich schon wieder mit Salzwasser füllten und mir war bewusst, dass sie nicht drüber sprechen wollte aber ich erwartete eine Antwort.
„Ich war in Gedanken." wich sie mir aus und ich mir war bewusst, dass sie nach den passenden Worten suchte, doch das reichte mir nicht.
Einerseits hätte ich sie am liebsten in den Arm genommen und sie getröstet aber das war nicht ich! Oder etwa doch? Sie hatte die Auseinandersetzung zwischen Stefan und mir mutig deeskaliert obwohl sie sichtlich Angst hatte. Ich musste streng zu ihr bleiben. Wenn sie mir gehorchte, würde sie weniger Mist bauen und es wäre für alle einfacher. Deshalb knurrte ich sie förmlich an. „Samia?!"
Sie fuhr erschrocken zusammen und eine Träne löste sich aus ihrem Augenwinkel.
„Ich.. Ich habe darüber nachgedacht, wer mich wohl suchen wird." gab sie mit brüchiger Stimme ehrlich zu. Ich lachte kalt auf. „Und, glaubst du es wird dich bald jemand hier rausholen?" Fragte ich gehässig obwohl ich die Antwort angesichts ihrer spärlichen Kontakte eh schon wusste.
Die Frau vor mir versuchte mit mäßigem Erfolg ihr Wimmern zu unterdrücken und sie atmete unregelmäßig. Jede andere Person hätte in einer solchen Situation wohl mit Drohungen um sich geworfen, dass die Polizei uns sicherlich schon auf den Fersen war und es eine Frage der Zeit wäre, bis wir alle hinter Gitter laden würden. Nicht aber Samia obwohl sie wahrscheinlich nichtmal ahnte, dass ich ihre Kontakte gecheckt hatte. Ich konnte ihr ansehen, dass sie am liebsten eine starke Lüge hervorgebracht hätte aber als sie stattdessen mit hängenden Schultern kaum merklich den Kopf schüttelte, brach in mir selber etwas.
Ich atmete angespannt aus. „Fuck was mache ich hier eigentlich? Warum musste sie ausgerechnet gestern im Wald verloren gehen und warum fällt es mir so schwer grob zu ihr zu sein?" noch nie zuvor hatte ich jemals zögern müssen. Jeder anderen Frau hätte ich ohne mit der Wimper zu Zucken einen verletzenden Kommentar an den Kopf geworfen oder sie noch besser gleich hier und jetzt auf dem Sofa hart rangenommen um ihr zu zeigen wer das Sagen hatte, ohne auch nur ein einziges Mal Reue zu empfinden oder mir Gedanken darüber zu machen ob das was ich tat richtig oder falsch war. Bei Samia war alles anders. Es war ein Kampf bei jedem einzelnen härteren Wort. Es ging nicht. Ich war innerlich zerrissen.
Niedergeschlagen atmete ich erneut geräuschvoll aus, legte meinen Kopf leicht in den Nacken und schloss angespannt die Augen.
Samia nutzte die Gelegenheit offensichtlich um der Situation zu entfliehen den ich hörte ihre eiligen Schritte, die sich von mir entfernten und ihr Schluchzen konnte ich auch schon bald nicht mehr hören.
Ich widerstand dem starken Drang, hinter ihr herzugehen um mich zu entschuldigen. „Ich? Entschuldigen? Was ist nur los mit mir?" Nachdenklich massierte ich meinen Nasenrücken und ging dann zielstrebig zurück in mein Arbeitszimmer. Ich musste alles über die Frau erfahren. Jedes noch so kleine Detail ihres Lebens von Geburt an bis gestern. „Und warum verdammt kommen mir diese unschuldigen braunen Augen so vertraut vor?"
Kurz bevor ich mein Zimmer erreicht hatte ging der unverkennbare Alarmton an meinem Handy an.
Samia hatte das Gebäude verlassen.

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