61. Flashback

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Hallöchen allerseits,

ich schaffe es heute endlich mal wieder, euch ein fertiges Kapitel hochzuladen und wünsche euch viel Spaß damit.
Habt ein schönes Wochenende und lasst gerne Kommentare da🥰

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Stefan POV

Wie in Zeitlupe öffnete sich endlich die Badezimmertür und die Entführte schlüpfte durch den Spalt in den Raum hinein.
Mit steifen Schritten und gesenktem Kopf ging sie noch ein Stück in den Raum hinein und ich musste mich nicht anstrengen um zu erkennen, wie ihr diese Annäherung widerstrebte. Dass sie keinen Alternative hatte als auf meine Anweisungen zu warten, war uns beiden bewusst.

Ich musste zugeben, dass der Anblick dieser erschöpften und letztendlich völlig unschuldigen Frau mir für einen Sekundenbruchteil ein schlechtes Gewissen verpasste. Ich hatte sie eben ohne Grund viel zu grob angepackt und Mark würde mich seinem ungewöhnlichen Verhalten nach zu urteilen vermutlich dafür büßen lassen wollen aber Samia würde eh kein Wort über unser Zusammentreffen erwähnen, da war ich mir sicher.

Die Kleine hatte wirklich keinen Schimmer, wieviel Glück sie hatte, dass unser Anführer sich offensichtlich in sie verguckt hatte. Sonst wäre sie vermutlich längst irgendwo im Wald vergraben auch wenn der Gedanke mich selber auch nicht glücklich stimmte.

„Komm her" meine emotionslosen Worte ließen die Frau zusammenzucken aber sie gehorchte bevor ich strenger nachfordern musste.
Wackelig kam die Frau auf mich zu, doch kein einziges Mal hatte sie mich angesehen.
Unschlüssig blieb sie mit zwei Metern Sicherheitsabstand zu mir stehen und ich hatte keine Lust, sie umständlich noch näher zu kommandieren, weshalb ich selber aufstand und die Distanz zu ihr überbrückte.

Ohne Vorwarnung hob ich ihr Kinn mit der einen Hand an und mit der anderen fuhr ich über die gerötete Haut an ihrem Hals.
Samia hatte gar nicht erst die Chance gehabt, die Flucht zu ergreifen und sie unterdrückte wenig erfolgreich einen panischen Laut während sich Gänsehaut auf ihrer Haut ausbreitete.
Unsere Blicke trafen sich und für einen kurzen Moment konnte ich durch die schimmernden braunen Augen unseres Opfers tief in ihr Innerstes blicken. In der Frau tobte ein unbändiger Sturm aus Schmerz, Angst und Skepsis und doch blitzt deutlich Wärme und Offenherzigkeit immer wieder auf. Diese Mischung aus Emotion war aber ganz klar nicht nur auf ihre Situation hier bei uns zurückzuführen, dafür waren die Gefühle zu tief. Sie mussten einen deutlich älteren Hintergrund haben.

Nun war ich es, der beinahe erschrocken seine Hand zurückzog denn plötzlich konnte ich Marks Verhalten absolut verstehen und für eine Millisekunde hatte ich in ihrem Gesicht jemanden erkannt, aber eine Zuordnung gelang mir nicht.
Diese feinen Gesichtszüge kannte ich doch irgendwoher?

Schlagartig fielen mir wieder Marks Worte ein. „Sie kommt mir irgendwie bekannt vor." Das konnte doch jetzt kein Zufall mehr sein? Wer zur Hölle war die Kleine? Selbst wenn Mark es schon herausgefunden haben sollte, wollte er es uns offensichtlich nicht mitteilen. Sonst hätte er seinen Mund schon aufgemacht.

Als mir bewusst wurde, dass ich völlig gedankenverloren noch immer dicht vor der Frau stand, wessen Panik spürbar von Sekunde zu Sekunde wuchs, rief ich mich zur Ordnung und griff nach der Creme, die ich geholt hatte, als Samia in der Badewanne gelegen hatte.

Die junge Frau ahnte was ich vorhatte und es missfiel ihr natürlich.
„Es ist alles in Ordnung. Es tut wirklich nicht weh." versuchte sie sich rauszureden, doch ich ignorierte sie.
Kurz bevor ich die Schmerzsalbe auf die gequetschten Stellen an ihrem Hals auftragen konnte wich sie einen Schritt zurück.
„Kann ich das bitte selber machen?" flüsterte sie mehr als dass sie sprach. Ich hielt inne und sie legte noch ein „Bitte Stefan?" hinterher und ich konnte mir vorstellen, dass sie es nicht mochte, dass ich sie wieder anfassen würde aber ich hatte keine Lust auf eine Diskussion und überbrückte den Abstand zwischen uns und hielt sie mit einer Hand am Oberarm fest, ehe sie die Flucht ergreifen konnte.
„Halt einfach still." warnte ich sie.

Ihre Haut war weich und der rasende Puls deutlich spürbar. Ihr süßer Duft stieg in meine Nase und ich bemühte mich wirklich mit all meiner Kraft, ihr nicht wehzutun.

Ihrem Blick nach zu urteilen war jede noch so kleine Berührung allerdings mehr Schmerz für sie als jede Folter, die sie im Keller durchgemacht hatte. Ich verstand nicht, warum sie ein solches Problem mit Nähe hatte. Jede unserer Annäherungen machte sie völlig wehrlos und die Panik stand ihr ins Gesicht geschrieben, dabei hatten wir sie die meiste Zeit wirklich gut behandelt. Gut, die Szene im Keller mal außen vor gelassen. Aber für unsere Verhältnisse trugen wir dieses Mädchen wirklich auf Händen.

„Und, war das jetzt so schlimm, dass man sich so anstellen musste?" fragte ich schärfer als geplant nachdem ich fertig war und ich bekam einen gesenkten und geschüttelten Kopf als Antwort.

Angenervt über ihre stimmlose Reaktion seufzte ich und verstaute die Creme in meiner Hosentasche.

„Nächstes Mal erwarte ich eine richtige Antwort und jetzt Abflug."

Ich führte die Frau aus dem Zimmer und die Treppe hinunter und sie ließ es geschehen bis wir uns der Kellertür näherten.
Die Entführte wurde immer langsamer und versuchte möglichst weit nach rechts , weg von der Tür zu kommen. Samia ließ sich nur noch widerwillig weiterziehen und ihre Atmung verwandelte sich mit jedem Schritt, den ich sie mitzog, mehr in schluchzende Schnappatmungen. Ihr Blick war fest auf die Kellertür geheftet und ich war mir nicht sicher ob sie mich überhaupt noch wahrnahm geschweige denn realisierte, dass ich gar nicht auf den Keller zusteuerte.

Ich konnte verstehen, dass sie keine guten Erfahrungen dort unten gesammelt hatte aber deshalb jetzt so einen Aufstand zu machen fand ich definitiv überflüssig.
Ohne große Überlegung griff ich um ihre Taille, hob sie an und drückte sie an mich.
So transportiert ich die Kleine möglichst schnell vom Keller weg und ließ die strampelnde Frau erst auf dem Sofa runter. Dort fixierte ich sie mit Nachdruck um sie halbwegs zu beruhigen.
„Hör jetzt endlich auf mit dem Scheiß! Es ist doch gar nichts passiert. Kapier das bitte endlich." fauchte ich sie an.
Zum Glück hörte Samia tatsächlich auf, sich zu wehren und blickte sich verwirrt um, als wäre sie aus einem Traum erwacht.

Nachdem ich sie losgelassen hatte, rappelte sie sich blitzschnell auf, sprang vom Sofa und entfernte sich haarersufend noch weiter von mir und vor auch von der Kellertür.
Die Frau zitterte am ganzen Körper und ihr hektischer Blick glitt immer wieder in Richtung Keller, ganz so als könne jederzeit ein leibhaftiges Monster aus dem Untergeschoss aufsteigen und sie verschlingen.
Dieses Verhalten verriet mir definitiv mehr als nur, dass sie heute dort gefoltert war. Sie hatte eindeutig eine manifestierte Phobie vor Kellern und das nicht erst seit gerade.

„Was ist dein Problem mit dem Keller?" fragte ich sie ohne Vorwarnung und mit der notwendigen Strenge um sie zum Reden zu kriegen.

Ernsthaft überrascht sah sie mich an. Überrascht von meinem Interesse an ihrer Person auf der einen und Überraschung darüber, dass ich sie mal wieder gelesen hatte, auf der anderen Seite.
In ihrem aufgewühlten Blick rangen Angst und Verwunderung miteinander.

„Du machst mir nichts vor, Süße. Du hattest schon mehr Panik als ich dich in den Keller gebracht habe als in dem Moment wo wir dich in den Kofferraum gepackt haben und du realisiert hast, in was für einer Scheiße du gelandet bist. Und bis zu dem Zeitpunkt als ich dich da runtergebracht habe, hat dir noch niemand ernsthaft was angetan. Also frage ich dich nur noch dieses eine Mal: was hat die Kellergeschichte an sich."

Alles in der Frau vor mir versteifte sich augenblicklich und ausnahmsweise hatte das nichts mit mir oder einem der anderen Männer zutun sondern mit den Bildern in ihrem Kopf, die sie schon hierher mitgebracht hatte.

Ich machte eine einladende Handbewegung Richtung Sofa.
„Setz dich ruhig aber Hauptsache du redest."
Sichtlich erleichtert schlich die Frau beinahe wie in Zeitlupe in Richtung der Garnitur aber ließ sich entkräftet davor fallen, das Sofa stärkend im Rücken.
Mir war bewusst, dass es sie schmerzte zu sprechen aber ich musste etwas über dieses Mädchen herausfinden. Jede Kleinigkeit könnte helfen, um rauszufinden, woher sie uns bekannt vorkam.

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