16. Krisensitzung (Stefans POV)

1.9K 53 0
                                    

Hello hello! Wir haben die ersten 1000 Reads geknackt, vielen Dank dafür. Dieses Kapitel geht also mit besonderem Gruß an meiner treuen Leser (:

————————————————————————

Mein Handy vibrierte dumpf auf dem Tisch und ich sah von den Unterlagen vor mir auf.
„Besprechung in der Küche in 10 Minuten" konnte ich die Nachricht von Mark auf dem Display erkennen. Na da bin ich aber mal gespannt. Nie zuvor hatte ich Mark mit einem auch nur annähernd ähnlichen Verhalten erlebt und ich kannte ihn nun schon beinahe 15 Jahre. Doch seit er diese Frau zum ersten Mal im Wald angesehen hatte, war er völlig verändert. Er war launisch, seine Handlungen unvorhersehbar denn er schien einen Narren an der Frau gefressen zu haben. Gar nicht unbedingt im sexuellen Sinne sondern vielmehr hatte die Kleine es geschafft, einen nie da gewesenen Beschützerinstinkt in unserem Anführer zu wecken. Das war definitiv neu und nicht der Mark den wir kannten und den wir für sein sonst so zielgerichtetes Handeln kannten und schätzen. Doch nun stand alles mit einem Mal Kopf und ich war mir sicher, dass Mark ebenso wie wir völlig verwirrt über sein eigenes Verhalten war. Nicht ohne Grund hatte er zunächst versucht seine normale Linie zu behalten, hatte versucht hart zu der jungen Frau zu sein wie zu jeder und jedem anderen sonst auch, doch der Erfolg war miserabel.
Ich gebe offen zu, dass ich im Wald kaum mit der Wimper gezuckt hätte, Samia neben dem Arschloch, wegen dem wir überhaupt da gewesen waren, zu begraben, einfach um den ganzen scheiß Trubel, den wir jetzt mit ihr am Arsch hatten, zu umgehen. Ich weiß es wäre unfair gewesen und hätte gegen unsere oder wohl eher Marks heilige Prinzipien verstoßen aber das war mir in dem Moment völlig egal. Jedoch würde meine Entscheidung mittlerweile wohl auch anders ausfallen und ich musste Mark Recht geben, dass Samia etwas an sich hatte, was einen in den Bann zog, ihre unschuldige Art, ihre Gutgläubigkeit und wie wir heute erlebt hatten, ihr ausgeprägter Gerechtigkeitssinn und das unvergleichliche Harmoniebedürfnis. Nie zuvor hatte ich eine so reine und unverfälschte Person kennengelernt wie unsere Entführte und ich gebe zu, dass ich Mark verstehen kann. Ich hoffe nur, dass wir uns durch sie nicht verletzlich machen und deshalb Schwierigkeiten bekommen, das könnte für uns alle gefährlich werden.
Seufzend erhob ich mich also und schlenderte Richtung Küche um die anderen zu treffen. Mark stand bereits mit einer Tasse Kaffee an die Arbeitsplatte gelehnt da und hatte seine Beine lässig überkreuzt. Außer ihm war noch niemand da und mit einem Blick ins Wohnzimmer stellte ich fest, dass auch die Entführte nicht zu sehen war. Wahrscheinlich hatte Mark sie weggeschickt damit wir ungestört sprechen konnten. Mark schien mein Blick nicht entgangen zu sein.
„Sie ist draußen." erklärte er kurz ihre Abwesenheit was mich eine Augenbraue hochziehen ließ.
„Sie ist mit Damian etwas aneinandergeraten aber da war noch was anderes was sie bedrückt hatte also habe ich es aus ihr herausgequetscht. Sie hat sich gewünscht ab und an in den Garten zu dürfen. Da das unserem Gespräch hier ganz gut tut und sie eh nicht wegkommt, hatte ich nichts dagegen einzuwenden" erklärte er weiter während Aiden ebenfalls den Raum betrat. Nun war ich nicht mehr der einzige, der die Stirn nachdenklich gerunzelt hatte. Diese Frau war ein Rätsel.
„Das war ihr Wunsch? In den Garten zu dürfen? Kein Geheule oder Geflehe, dass sie nach Hause will?" hakte ich deshalb nach während ich den Vollautomaten bediente.
„Nein erstaunlicherweise nicht. Sie ist zwar naiv aber nicht dumm. Ihr wird bewusst sein, dass wir sie nicht einfach so gehen lassen werden." hielt Mark die Antwort knapp.
Inzwischen waren alle eingetroffen und hatten sich mit oder ohne Kaffee einen Platz gesucht.
Mark atmete einmal tief durch bevor er zu sprechen begann.
„Wie ihr euch sicher denken könnt, geht es um unseren weiblichen Gast." stieg er ein und macht eine kurze Pause bevor er fortfuhr. „Ich weiß sie stellt gerade alles ziemlich auf den Kopf und macht unsere Situation nicht einfacher. Dass ihr darüber angepisst seid kann ich verstehen und auch dass ihr mein eigenes Verhalten nicht gut heißt verstehe ich. Ganz ehrlich: ich weiß selbst nicht was da gerade mit mir los ist. Ich habe sowas noch nie erlebt aber es ist mir wichtig, dass keiner von euch ihr wehtut oder sie unnötig verängstigt. Wir dürfen nicht vergessen, dass sie letztendlich nichts falsch gemacht hat. Sie hat sich einfach nur im Wald verlaufen und ist uns dabei ungünstig in die Quere gekommen. Sie ist jetzt hier und das müssen wir akzeptieren. Ich möchte ihr so viele Freiheiten wie möglich geben in der Hoffnung, dass sie es uns dann nicht zu schwer macht.
Ich habe heute morgen einiges über sie in Erfahrung gebracht und würde die Infos gerne mit euch teilen damit ihr ihr entsprechend begegnen könnt." Mark erzählte von Samias unschönen Kindheit und wie sensibel sie dadurch war. Offensichtlich hatte die junge Frau keinerlei Kontakte gepflegt um sich selbst zu schützen. Als er die wahrscheinlichen Gewalterfahrungen in einer Pflegefamilie thematisierte, blitzte vor meinem Inneren Auge die Situation vorhin auf, als die Kleine gedacht hatte, dass ich sie ohne wirklichen Grund schlagen würde und sie hatte sich nichtmal gewehrt. Sie hatte einfach nur die Augen geschossen und vermutlich gehofft, dass es schnell vorbeigehen würde.
Ein Blick zu den anderen zeigte mir, dass sie auch nicht ganz unberührt von ihrer Vergangenheit waren. Die Beklemmung, die förmlich in der Luft der Küche schwebte, war etwas, das wir so noch nie empfunden hatten.
„Was macht das Mädchen bitte mit uns?" fragte ich mich ehe Mark fortfuhr.
„Ich weiß ich verlange euch damit viel ab aber bitte seid nicht so grob zu ihr, körperlich schonmal gar nicht. Wenn sie Fragen hat, beantwortet sie soweit es geht ehrlich, wenn ihr ihr Grenzen aufzeigen müsst, lasst es entweder mich machen oder geht dabei bedacht vor. Redet ihr lauter mit ihr, mit einem strengen Ton oder baut euch einfach vor ihr auf, dann ist sie schon maßlos eingeschüchtert, mehr braucht es bei ihr gar nicht. Verschränkte Arme bringen sie übrigens auch schon aus dem Konzept, das kann man super bei ihr anwenden um sie etwas unter Druck zu setzen wenn sie zum Beispiel nicht reden will." Mark lachte kurz über diese Feststellung und auch mir war diese Wirkung auf die Frau nicht entgangen. Nach einer kurzen Pause fuhr Mark fort „Meine Überlegung auf lange Sicht ist es nämlich, sie vielleicht sogar gehen zu lassen wenn wir in einigen Monaten aus der angespannten Situation raus sind aber dafür wäre es förderlich, dass wir uns ihr gegenüber nicht noch mehr zu Schulden kommen lassen."
Einige Anmerkungen und Einwände gingen zu seiner Überlegung durch die Runde, wurden aber sachlich geklärt. Letztendlich wäre das wirklich der Optimalfall wenn sie gehen könnte und das Problem wäre auf lange Sicht geklärt.
„Damit hätten wir das größte Thema vorerst abgehakt, kommen wir zu einem gewöhnlichen Thema. Salvatore verlangt ein Treffen und das wenn möglich diese Woche, am besten gleich heute. Bevor ich ihm heute Abend anbieten, wollte ich eure Meinung dazu wissen."
„Ich mag den Wichser nicht, das weißt du." bemerkt Damian.
„Um mögen geht es hier nicht, wir brauchen ihn für unsere Geschäfte." Wand Aiden ein und es wurde zustimmend genickt weshalb er weiterfuhr. „Lass ihn heute kommen, dann haben wir das Thema durch."
„Sehe ich auch so. Dann gebe ich ihm Bescheid." entschied Mark schlussendlich und die relevanten Themen schienen damit erledigt.
„Jo, was essen wir gleich?" warf ich deshalb ein. Sofort erfüllte lockeres Gerede die Küche. Dafür liebte ich meine Männer einfach, wir konnten binnen einer Sekunde von professionell und ernst zu entspannt umschalten.
Die Entscheidung fiel auf einfache Bologneser. Wurde Zeit, dass unser Koch bald aus seinem wohlverdienten Urlaub zurück war, dann mussten wir uns wenigstens nicht mehr um den Kram kümmern.
Bald brodelten die Nudeln im Topf und die Soße in der Pfanne, was bedeutet, dass es Zeit war, Samia aus dem Garten aufzulesen. Mark war schon auf dem Weg zur Tür als ich ihn mit bestimmten Druck an der Schulter zurückhielt.
„Ich sammel unseren Zwerg ein, du kannst den Tisch decken, du machst das immer so schön akkurat." zog ich ihn auf und nachdem er mich kurz kritisch gemustert hatte, nickte er und ließ mich an der Tür alleine.

ENTFÜHRTWo Geschichten leben. Entdecke jetzt