54. Befreiung

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Einen wunderschönen guten Morgen euch allen!

Wir haben das Wochenende fast erreicht und dazu gibt es passend ein wenig Lesestoff😊

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Samia POV

„Er hat mir nicht geglaubt. Ich habe einfach nicht genau genug erzählt." brachte ich kraftlos hervor.
Ich kam einfach nicht mehr mit. Nichts verstand ich mehr. Erst Marks Ausraster, dann Damians Folter und nun war Mark so freundlich wie nie zuvor. Mir war bewusst, dass diese Freundlichkeit nicht echt war und mein Entführer nur irgendetwas im Schilde führte aber ich verstand einfach nicht was. Alleine bei dem Anblick dieses riesigen Bolzenschneiders rebellierte mein Magen erneut.

„Was hat er dich gefragt?" fragte Mark leise. Warum sprach er so leise? Das macht mich völlig nervös. Wenn er schreien, und toben würde, wüsste ich zumindest im Ansatz woran ich war aber so wie er jetzt war konnte in der nächsten Sekunde alles passieren.

Seine tätowierten Hände auf meiner Haut brannten förmlich, jede Berührung war wie Feuer und doch wünschte ich mir, dass er diese Besorgnis, diese Fürsorglichkeit nicht nur bösartig vorspielte, sondern mich wirklich losmachen würde.

„Wie ich dich so wütend gemacht habe." brachte ich fester hervor als ich gedacht hatte und wagte einen flüchtigen Blick zu Mark, doch wie zuvor war in seiner Miene nichts zu erahnen was als Nächstes kommen würde.

„Das hast du nicht, auch wenn es vielleicht so aussah. Merk dir das bitte. Du bist an nichts von alledem hier Schuld, okay?"

Nicht schuld also? Fragte ich mich während ich hier gefesselt im Keller saß und froh sein konnte, noch alle Finger zu haben nachdem ich mir so ne blöde Nummer im Sportraum geliefert hatte.
Dennoch nickte ich um den Mann vor mir zufrieden zu stellen.

„Ich werde jetzt trotzdem diesen Bolzenschneider nehmen und die Schlösser öffnen. Du bist schon unterkühlt und musst dringend unter eine warme Dusche."

Ganz klar, das war nicht echt. Wie auch?!
Automatisch bildete sich ein Kloß in meinem Hals, als das Monster vor mir nach dem Werkzeug griff und alles in mir schrie, den Mann mit meinen freien Füßen wegzudrücken, mich irgendwie zu wehren aber wie Damian mir gezeigt hatte, brachte es mir nichts außer dass man mich wieder schmerzhaft an die Wand quetschen würde.
Mark hatte den Schneider jetzt in der Hand und mir entwichen seltsame keuchend und schluchzende Geräusche.

„Samia ich verletzte dich nicht, bitte vertrau mir." redete der Mann mir ein und wenn ich in seine Augen sah hätte ich ihm beinahe geglaubt, so viel Wärme strahlten sie in dem Moment aus.

„Ich kann nicht." fiepte ich wahrheitsgemäß ehe ich es hätte verhindern können wie sollte ich auch nur einem dieser Menschen nach allem was sie getan hatten vertrauen?

Mark sah mich nochmals kurz an ehe er den Bolzenschneider anhob und für einen kurzen Moment hatte ich tatsächlich eine Emotion in seinem Blick lesen können. Schmerz gepaart mit Traurigkeit.
Darüber konnte ich jedoch nicht länger nachdenken, denn er setzte das Höllending irgendwo an, die Ketten klirrten und ich konnte nicht sagen, ob es einer meiner Finger waren, die zwischen den Schneiden war, denn ich hatte jegliches Gefühl in meinen Händen verloren.

„Ich weiß. Und ich kann es dir nicht verübeln." flüsterte Mark so leise, dass ich nicht sicher war, ob ich es richtig verstanden hatte. Dann spannten sich seine Muskeln im Oberarm an und ein ekelhaftes Geräusch ertönte und hallte in meinem Kopf immer und immer wieder. „Knack!"
Dann wieder Klirren von Metall und erneut dieses für mich beinahe ohrenbetäubende knacken.
Am Rande nahm ich war, wie Mark das Werkzeug weglegte und nach meinen wunden Handgelenken griff.
Plötzlich legte der Mann meine Arme tatsächlich in meinem Schoß ab. Hektisch blickte ich hinab und zählte meine Finger einige Male durch. Es waren alle dran.

Mark hatte nicht gelogen. Er hatte meine Fesseln gelöst und mich dabei nicht verletzt. Die Frage war nur was als Nächstes passieren würde.

Tausend Bilder von jeglichen mir bekannten Foltermethoden flogen durch meinen Kopf und wie automatisiert sprang ich auf, hechtete in das kleine angrenzende Zimmer und ergab mich erneut in die Toilette.

Es war zu viel! Weit mehr als ich vertragen hätte. Dennoch rappelte ich mich zügig wieder auf um noch meinen Mund auszuspülen ehe der Mann mich womöglich aus dieser Nische hinauszerren würde. Die einzige Reaktion von Mark bisher war, dass er scharf die Luft eingesogen hatte. Danach war es still. Auf dem Weg zum Waschbecken gaben meine wackeligen Beine nach und nur mit Mühe konnte ich mich im letzten Moment an dem Porzellan festkrallen. Kalter Schweiß stand mir in der Stirn und auch mein Rücken war klatschnass. Nachdem ich meinen Mund gespült hatte, um den widerlichen Geschmack loszuwerden, trank ich noch einige vorsichtige Schlucke. Nur für alle Fälle, dachte ich mir, denn wer wusste schon, ob ich weiterhin essen und trinken durfte. Zuletzt war ich mir einen Schwall des eiskalten Wassers ins Gesicht, doch dieser belebte mich nicht wie erwartet.
Zu ausgelaugt war mein Körper für jegliche Reaktion. Aber immerhin waren die verkrusteten Tränenspuren fortgewaschen.
„Samia?" war Marks tiefe Stimme zu vernehmen und ich spürte förmlich die Vibration der Luft und doch war die Intention hinter seiner Frage für mich nicht erkenntlich. War mein Entführer ungeduldig, genervt, wütend? Ich wusste es nicht und beeilte mich deshalb, so schnell es ging, in den Hauptraum zurückzukehren.
Das Licht dort blendete mich, auch wenn ich zuvor an die Helligkeit gewöhnt war. Es schien mir als würde alles in meinem Körper vor Erschöpfung verrücktspielen.
Bemüht, in eine halbwegs aufrechte Position zu kommen, hielt ich mich krampfhaft an der Mauer fest, die die zwei Räume voneinander trennte und blinzelte meinem Peiniger entgegen.

Ich war verloren, das war mein Ende. Ich hatte keine Fluchtmöglichkeit und den Zorn eines haben Dutzends Killer auf mich gezogen. Selbst wenn ich es an Mark vorbei schaffen würde, wären oben noch immer die anderen Männer und vom Gelände schaffte man es auch nicht lebend.

„Ist alles in Ordnung?" riss mich Marks Stimme aus den Gedanken, welche viel zu sanft war, als dass ich mich noch auf meine Sinne verlassen konnte.
Zudem keifte meine innere Stimme wutentbrannt zurück „Was soll denn bitte noch in Ordnung sein?!" und es fiel mir schwer, Mark diese Wörter nicht tatsächlich entgegen zu spucken. Was hatte ich auch noch zu verlieren?

Ich öffnete meinen Mund um dem Dreckskerl vor mir zu antworten aber ich brachte keinen Ton hervor. Auch das Sprechen überanstrengte mich maßlos, weshalb ich nur wahrheitsgemäß den Kopf schüttelte ehe meine Knie endgültig ihren Dienst quittierten. Unsanft prallte ich mit diesen auf den unebenen Boden und ein kurzer Schmerz durchzuckte mich und zeigte mir damit, dass ich überhaupt noch am leben und fähig war, irgendetwas zu empfinden.

In dieser zusammengesackten, knienden Position verharrte ich, denn ich hatte keine Chance mehr, mich aus eigener Kraft zu bewegen.
Ehe ich mich versah, tauchte Mark in meinem eingetrübten Gesichtsfeld auf und augenblicklich scannte ich ihn nach irgendwelchen Werkzeugen ab.
Der Bolzenschneider war nicht zu sehen und auch sonst erkannte ich kein Folterinstrument bei ihm.
Der Mann hochte sich vor mich, ein Knie dabei am Boden, auf dem anderen, angestellten Knie lag einer seiner tätowierten Unterarme.
Selbst in dieser Position war alles an diesem Mann einschüchternd. Seine gerade Haltung, das breite Kreuz, die vernarbte Haut mit all den schwarzen Verzierungen. Ich war überzeugt davon, dass diese Ausstrahlung vermutlich jeden zweiten in die Flucht schlagen würde auch ohne irgendwelche Informationen über das grausame Verhalten dieses Kerls. Ich hatte diese Theorie im Wald selbst bestätigt. Dieser Mann hatte mir schon Angst eingeflößt, bevor er ein einziges Wort gesprochen oder eine einzige Tat vollbracht hatte.
Mark war ein Killer durch und durch und diese Tatsache wurde von jeder seiner Zellen förmlich hinausgeschrien.

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