53. Ohne Vertrauen

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Guten Morgen allerseits,

auf in die nächste Runde würde ich sagen und danach auf ins Wochenende🥳

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Mark POV

Ich musste meine Schwester aus dieser Hölle befreien und zwar schleunigst, sonst sah ich für ihre Psyche schwarz. Samia war völlig am Ende und dass sie überhaupt noch bei Bewusstsein war, zeigte mir dass sie eine Kämpferin war. Genau wie ich.
Kein Wunder, denn in unseren Adern floss das selbe Blut.

Schnell schüttelte ich mir die Gedanken aus dem Kopf, um mich zunächst auf das hier und jetzt zu konzentrieren.
Ich scannte die Fesseln der Frau ab und entdeckte die Schlösser. Kabelbinder wären mir lieber gewesen, weil ich diese einfach hätte zerreißen können und ich keine Lust hatte, nach oben zu gehen und die anderen nach den Schlüsseln zu fragen.
Die Schlösser waren eindeutig Damians Handschrift, der stand schon immer auf son Kram und das deckte sich auch mit Samias Aussage, dass er ihr die Flausen davon in den Kopf gesetzt hatte, dass ich wütend auf sie war.

Ich schluchte trocken um mir nicht bildlich vorzustellen, wie meine Jungs Samia hier in den Keller verfrachtet und was sie mit ihr angestellt hatten. Sie werden nicht zimperlich gewesen sein, denn offensichtlich hatten sie meinen Ausraster völlig falsch interpretiert. Wir hätten sie auch nur ansatzweise die Wahrheit erahnen können wenn ich sie selbst nicht so recht glauben konnte.

Umso erleichterter war ich, dass die Frau von mir zumindest körperlich überwiegend unversehrt war. Eine Wange schimmerte lila und einige Schürfwunden waren an den nackten Armen zu sehen.
Auch wenn das für unsere Verhältnisse wirklich nichts im Vergleich zu anderen Opfern von uns war, packte mich dennoch die Wut, dass die anderen ihr dennoch wehgetan hatten. Samia war unschuldig, verdammt!

Auch auf mich selbst war ich unendlich wütend, dass ich die Lage nicht sofort im Wald erkannt und entsprechend gehandelt hatte.
Ich hätte Samia einfach nach Hause bringen sollen und die Sache wäre erledigt gewesen. So zumindest die Theorie. Ob ich mich wirklich von dieser Frau hätte fernhalten können, wenn ich gewusst hätte, wer sie ist, das bezweifle ich tatsächlich.

„Hätte, wäre, sollte, könnte.. Reiß dich zusammen, man!" fluchte ich stumm und fokussierte mich wieder auf die Frau vor mir während ich mich in Zeitlupe hinhockte. Sie zitterte und ihr Blick war schwach, mit dem sie mich musterte und auf eine Reaktion meinerseits wartete. Jeglicher Glanz war aus ihren tiefbraunen Augen verschwunden und ich musste mit aller Kraft davon abhalten, dem Drang zu widerstehen, meine Schwester in den Arm zu nehmen. Das würde sie vollends verstören.

„Was redest du denn da für ein Quatsch? Ich bin nicht wütend auf dich." redete ich auf Samia ein und hätte mich dafür ohrfeigen können, dass meine Stimme nicht so sanft klang wie ich es mir gewünscht hätte.

Viel zu ruckartig erhob ich mich, was Samia zurückschrecken ließ und ihr Hinterkopf unsanft Bekanntschaft mit der Wand machte.
Wieder rügte ich mich für mein unsensibles Verhalten. Ich war es einfach nicht mehr gewöhnt, so sanft mit jemandem umzugehen, das Vertrauen von jemanden zu gewinnen. Von jemandem der mir zudem unendlich wichtig war. Mir war bewusst, dass ich die junge Frau vor mir gar nicht kannte und sie lange nicht mehr meine kleine Prinzessin von vor 18 Jahren war, aber das änderte nichts an der Tatsache, dass wir Geschwister waren.

Ich verließ rückwärts den Raum, während ich beschwichtigend auf Samia einredete.
Ihr Ausdruck spiegelte so viele Emotionen gleichzeitig wieder, dass es unmöglich war, alle einzeln zu benenne. Angst, nein eher Panik, Verwirrung über meinen Abgang und meine Worte, Reue und ein Fünkchen Hoffnung, dass ich sie tatsächlich verschonen würde, dominierten ganz eindeutig.

Im Nebenraum griff ich schnell nach dem Bolzenschneider mit dem ich endlich diese verdammten Schlösser öffnen würde und beeilte mich zurück zu Samia zu kommen.
Ihr Blick empfing mich augenblicklich, ebenso wie sie mich bis zur letzten Sekunde beobachtet hatte, als ich zuvor den Raum verlassen hatte.
Als sie jedoch das Werkzeug in meiner Hand erblickte, verpuffte ihre Hoffnung sichtbar und ihre Gesichtsfarbe wechselte im Sekundentakt von aschfahl über rot bis hin zu grün und wieder zurück.

Mit dem nächsten Schritt, den ich auf sie zumachte verließ ein verzweifelter Schrei ihre Kehle und ließ mich erschaudern. Was war hier bitte los? Vor einer halben Minute hatte ich mich ihr doch auch schon genähert und das hatte nicht diese extreme Reaktion hervorgerufen.

„Samia beruhig dich bitte! Ich werde dich jetzt los machen." sprach ich über ihr angeschwollenes Weinen mit ihr, welches mir beinahe das Herz brach. Diese Schmerz war ekelhaft und mir völlig unbekannt.
Wieder machte ich deshalb ein Schritt auf sie zu um aus dieser Situation zu kommen, doch wieder reagierte sie panisch. Samia drückte sich an die Wand, zerrte an den Fesseln und ballte ihre Hände zu Fäusten, sodass ihre Knöchel weiß hervortraten.

„Bitte mach das nicht!" flehte sie unkontrolliert keuchend.

„Was soll ich nicht machen? Die Fesseln lösen?" jetzt war ich es, der verwirrt war.

„Nein.. also doch.. aber nicht mit der Zange.. meine Finger.. bitte nicht." Samia war so in ihrer Panik gefangen, dass sie völlig wirres Zeug redete und ihr Kopf war seitlich gegen die Wand gekippt doch ihr Körper zugleich verkrampft war.

Eine weitere Sekunde und ein erneuter Blick auf ihre verkrampften Hände ließen den Groschen bei mir fallen und ich wünschte er wäre es nicht. Sofort legte ich den Schneider weg.

„Hey, ich habe ihn weggelegt! Schau her, Samia! Ich bin nicht hier um dir wehzutun."

Angestrengt gehorchte die Frau mir und scannte meine Hand und dann das Werkzeug auf dem Boden ab dann schaute sie zaghaft zu mir, hielt meinem Blick jedoch nicht lange stand.

„Was hat Damian mit dir gemacht?" flüsterte ich, weil ich mir sicher war, dass meine Stimme vor Wut gezittert hätte wenn ich lauter gesprochen hätte.

Meine Frage ließ meine Schwester in sich zusammensacken und ihre Lippe begann zu beben. Eine Träne löste sich aus ihrem Augenwinkel und ihr Blick ging nun ins Leere während sie immer wieder ihren Kopf schüttelte.

„Samia? Ich schaue mir deine Hände jetzt an. Wenn es dir wehtut sag es mir sofort."

Schockiert fanden ihre Augen zurück zu mir und sie schüttelte nun energischer den Kopf.
Mir war bewusst, dass sie nicht angefasst werden wollte aber ich musste sicher sein, dass kein Finger gebrochen war.

Langsam ging ich die letzten zwei Schritte auf die Frau zu und hockte mich vor sie, ehe ich nach der ersten Hand griff und vorsichtig ihre Faust löste.
Mal wieder hatte Samia das Atmen eingestellt aber ließ mich, am Rande ihrer Kräfte, gewähren.
Die Haut von der Gefesselten war eiskalt. Kein Wunder, schließlich saß sie nur in ihrem Sportshirt hier im Keller.
Die erste Hand war völlig unversehrt, sodass ich mich der zweiten widmete. Dort konnte ich an dem kleinen Finger beidseitig minimale Schnitte ausmachen.

Damian dieses Schwein, er hatte meiner Schwester tatsächlich den Finger abtrennen wollen.

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