51. Erklärungsnot

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Surprise surprise allerseits,

willkommen in 2024! Hier gibt es ein Überraschungskapitel für euch. 🤭
Ich wünsche euch für dieses neue Jahr alles Gute und unzählige wundervolle Momente.

Liebe Grüße 🙋🏼‍♀️

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Mark POV

Niemals hatte ich gedacht, dass ich Ellie jemals wiedersehen würde und all die Jahre hatte ich es mir verboten, nach ihr zu suchen auch wenn ich es immer mal wieder überlegt hatte.
Verfluchte Scheiße! Ich hatte meine eigene Schwester entführt!
Mir wurde schlecht bei dem Gedanken und auch die Berichte des Kinderheims drängten sich zurück in den Vordergrund. Ellie oder besser gesagt Samia hatte alles andere als eine schöne Kindheit gehabt. Dabei ist das genau das Gegenteil von dem was ich mir für sie gewünscht und was sie verdient hatte.

Warum hatte ich nicht früher geschaltet? Das mysteriöse Auftauchen in den Berichten des kleinen Mädchens bei einer Sozialstation ohne jeglichen Hinweis auf dessen Herkunft. Auch wenn viele Daten zum Schutz von Samia geändert worden waren, hätte ich es sehen müssen. Aber das hatte ich vermutlich nicht gewollt. Weil nicht sein kann was nicht sein soll.

Mit voller Wucht schlug ich mit der Faust gegen den nächsten Baum, sodass die Rinde etwas abplatzte und meine Haut aufriss. Dennoch vermochte diese Verletzung den Schmerz nicht überspielen, den ich in mir spürte.

Ellie!

Mir war bewusst, dass ich irgendwann zurück musste doch alles in mir sträubte sich dagegen.
Ich als großer Bruder hatte immer versucht, meine Schwester vor allem und jedem zu schützen und jetzt hatte ich ihr Leben eigenhändig zerstört indem ich ihr das hier alles angetan hatte. Ich sollte zurückgehen und diesen unschuldigen Menschen gehen lassen und ein weiteres Mal aus meinem Leben streichen aber ein Teil in mir, der mit jedem Schritt wuchs, den ich widerstrebend durch den Wald zurück zum Anwesen ging, wollte sie nicht ein zweites Mal verlieren. Zudem gab es da noch unsere Geschäfte, die nicht aus dem Ruder laufen durften, dann würde es nämlich für uns alle gefährlich werden.
Es stand fest, dass ich Samia die Wahrheit nicht sagen würde.

Plötzlich durchzuckte mich ein Gedanke. Wusste sie es vielleicht schon? Hat sie mich erkannt? Etwas gespürt? Sonst hätte sie doch gestern nicht so friedlich an meiner Seite auf dem Sofa geschlafen. Obwohl, kann sie sich überhaupt noch an mich erinnern selbst wenn sie die Wahrheit wüsste? Ellie war noch so unendlich klein als ich sie das letzte Mal gesehen hatte!
Unmögliche konnte sie sich erinnern, denn selbst meine Erinnerungen waren verblasst und ich war immerhin sieben Jahre älter als meine Schwester und hatte somit alles viel intensiver wahrgenommen.

Ehe ich mich versah, stand ich heftig atmend wie angewurzelt in unserer Auffahrt und brachte es nicht über mich, auch nur einen Schritt weiter zu gehen.
Nie zuvor hatte ich mich so hilflos gefühlt und das fühlte sich verdammt beschissen an.

Samia POV

Viel zu spät verstand ich, was der Mann mit dem Seitenschneider vorhatte, da spürte ich schon einen stechenden Schmerz an meinem kleinen Finger und die Welt blieb stehen. In mir drehte sich dafür alles umso schneller und wilde Punkte vernebelten mein Gesichtsfeld. Wieder und wieder stieg mir Galle hoch und ich hatte Mühe, weder zu brechen, noch ohnmächtig zu werden.
Dieser Mann hat mir gerade einen Finger abgeschnitten! Meinen Gedanken flogen wild durcheinander und ich trudelte unkontrolliert in einen Tunnel weit entfernt von der Realität bis Damian an meiner Schulter rüttelte.

„Reiß dich doch mal zusammen und sieh hin!" Zwang er mich drehte meinen Kopf grob zu meiner Hand. Mechanisch heftete sich mein Blick auf meine Hand. Ich sah hin ohne wirklich zu sehen oder zu verstehen. Die Bilder fanden keinerlei Verknüpfung zu meinem Hirn.
Und erst als Damian in meine Fingerkuppe kniff, realisierte ich, dass mein Finger gar nicht abgetrennt war.
Perplex starrte ich voller Ungläubigkeit meinen Finger an, als könne er doch noch jeden Moment abfallen und ich traue mich nicht, ihn zu bewegen, denn ich hatte jegliches Gefühl im ganzen Körper verloren.
Auf beiden Seiten des Fingers hatte ich lediglich kleine Schnittwunden, aus denen jedoch kaum Blut hervortrat.
Paralysiert konnte ich meinen Blick nicht von meinen eigenen Gliedmaßen abwenden, was Damian jedoch wütend knurren ließ: „Ich habe dich was gefragt und wie du siehst meine ich es ernst."
Ich schluckte trocken denn ich hatte kein Wort seiner Frage verstanden auch wenn ich mir denken konnte, worum es noch immer ging. Was ich nicht wusste, war, was der Mann noch hören wollte. Ich hatte ihm doch schon alles erzählt.

„Was. Hast. Du. Getan?" flüsterte der Mann mir gefährlich entgegen und hob zur Verdeutlichung das Werkzeug wieder an. Panik ergriff mich und ich rasselte die ganze Geschichte von meiner Schlaflosigkeit, dem Exkurs in den Sportraum mitsamt iPod, und der Begegnung mit Mark möglichst detailliert und kleinschrittig erneut herunter. Mehrfach brach meine Stimme dabei, doch ich krächzte irgendwie weiter. Ich musste den Mann besänftigen wenn mir etwas an meinen Fingern lag.

Keuchend endigte ich mit der Geschichte und sah den Mann hoffnungsvoll an während mein Körper noch immer unkontrollierbar zitterte.

Aus dessen Blick war nichts zu lesen und es trieb mich in den Wahnsinn, dass er nichts sagte, sondern mich nur anstarrte.
„Bitte sag doch etwas" entwich mir ein verzweifeltes Flüstern und ich biss mir auf die Lippe für diese Dummheit.

„Du hältst mich wohl für dumm, hmm? Glaubst du wirklich ich kaufe dir die Story ab? Da ist rein gar nichts dran, was Mark derart aufregen würde! NICHTS!"
Wieder drückte Damian meine Hand fester an die Wand und setzte den Seitenschneider erneut an.
„Nein! Nein!! Bitte tu mir nicht weh! Ich weiß nicht was ich noch erzählen soll, das ist alles! Da war nichts anderes! Du musst mir bitte glauben!" schluchzte ich hemmungslos obwohl ich bereits die Hoffnung aufgegeben hatte und mein Kopf kraftlos an die Wand gekippt war.

Wieder spürte ich den Druck an meinem Finger und Kniff mit einem kaum hörbaren „Bitte nicht!" meine Augen zusammen.

Wenige Sekunden später war der Druck plötzlich weg. „Verflucht nochmal! Wenn jemand nicht lügen kann, dann bist das ja wohl du." knirschte Damian unzufrieden und ich wagte es, meine Augen einen Spalt zu öffnen. So konnte ich gerade noch sehen, wie der Mann den Seitenschneider in seiner Hose verstaute und sich erhob. Hoffnung durchströmte mich und mein ganzer Körper begann zu kribbeln als würde er jetzt erst wieder mit Leben gefüllt.
Damian erhob sich und seufzte genervt bevor er auf mich hinunterblickte.

„Bei Mark wirst du nicht nochmal so ein Glück haben, da kannst du schonmal von ausgehen."
Spuckte der Mann mir entgegen ehe er sich umdrehte und den Raum verließ. Kurz darauf ging das Licht auf und ich blieb somit alleine im Dunkeln und völlig verstört zurück.

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