08. Strenge Beobachtung (Marks POV)

2.5K 58 1
                                    

Aus dem Augenwinkel hatte ich jede Regung von Samia beobachtet. Sie hatte sich still und so weit es ging von Danny weg, der neben ihr saß, ans Ende der Couch gekauert. Erst nach sicherlich einer Stunde stand sie dann unsicher auf, nachdem sie mit Danny gesprochen hatte. Ich spürte ihre Unsicherheit darüber, dass sie einfach so aufstehen und sich alleine bewegen durfte. Ihr Weg führte sie in die Küche und ich vermutete, dass sie durstig war. "Gutes Mädchen!" dachte ich mir, denn es war wichtig, dass sie trank. Um die Messer und anderen Gegenstände, die sie als Waffen benutzen könnte, machte ich mir keine Sorgen, dafür war ihr Angst vor unserer Reaktion zu groß und soviel Menschenverstand besaß sie definitiv um zu verstehen, dass sie alleine mit einem Messer bewaffnet wohl nichts gegen sechs Männer wie uns ausrichten konnte. Trotzdem gab ich Damian ein Zeichen ein Auge auf sie zu haben da er gerade eh auf dem Weg in die Küche war.
Als er zurück kam, Samia jedoch nicht blickte ich ihn fragend an.
„Entspann dich, es ist alles in Ordnung. Dein Zwerg ist nur nicht an die Gläser drangekommen und ich glaube sie musste mal. Außerdem findest du sie mit dem Sender den du ihr verpasst hast, doch eh überall wieder. "
Damian hatte Recht. Selbst wenn sie weglaufen würde, würde ich durch ihren Sender informiert sobald sie das Gebäude verlassen würde. 
Weitere Minuten verstrichen, doch die Kleine tauchte nicht wieder auf. Irgendwie hatte ich es mir schon gedacht, dass sie freiwillig nicht wieder zu uns kommen würde. Wahrscheinlich hatte sie sich in irgendeine „sichere" Ecke verzogen und hoffte vielleicht, dass wir sie so schnell nicht finden würden.
Nach gut einer Viertelstunde stand ich dann aber doch auf, um nach ihr zu sehen. Mein Handy verriet mir, dass sie gleich im Flur links ist und ich machte mich auf den Weg  dorthin.
Schon als ich um die Ecke bog, konnte ich sie im Schein des Mondlichtes auf dem Boden vor dem Fenster liegen sehen. Ich musste grinsen. Ich hatte mir schon gedacht, dass sie den Ausblick lieben würde. Samia regte sich nicht obwohl ich mich nicht bemühte leise zu gehen. Meine schweren Schritte hätte sie also definitiv hören müssen. Als ich mich hinter sie hockte, bestätigte sich meine Vermutung. Sie schlief tief und fest. Ihre Gesichtszüge waren entspannt, ganz im Gegenteil zu den ängstlichen Blicken, die ihr hübsches Gesicht zuvor erfüllt hatten. Es tat gut sie so zu sehen doch mir war bewusst, dass es lange dauern würde, bis sie auch um uns herum wieder entspannt leben könnte. Unser Ziel war es nicht, sie zu verletzen, ihr wehzutun oder sie zu brechen. Allerdings musste sie sich mit ihrem neuen Leben abfinden und sich an unsere Regeln halten, sonst würde es gefährlich werden.
Ich atmete tief durch bei dem Gedanken an den langen Weg den wir vor uns hatten, wobei eine Sache meine Hoffnung wachsen ließ, dass sie sich doch an uns gewöhnen würde. Ich hatte die letzten Stunden nicht ausschließlich mit Arbeit verbracht sondern ich hatte meine verschiedenen Informationsquellen sprudeln lassen mit Infos über Samia. Sie schien auch in ihrem vorigen Leben wenige und vor allem nie tiefe Kontakte gepflegt zu haben. Nichtmal zu ihren Eltern. Diese hatte sie höchstens mal zu Weihnachten besucht. Was uns die Situation erleichterte ließ mich auf der anderen Seite verwundert, denn die Kleine schien mir eigentlich nicht eine unsoziale Einsiedlerin zu sein. Vielmehr vermutete ich, dass sie aus welchem Grund auch immer, nicht schnell vertrauen und sich emotional binden konnte.
„Die Kleine muss erstmal ins Bett" beschloss ich und griff vorsichtig, um sie nicht wieder zu wecken, unter sie und hob sie mühelos hoch. „An dem Fliegengewicht müssen wir noch arbeiten." notierte ich mir stumm und war froh, dass Samia diesmal nicht aufwachte. Ihr Kopf kippte matt gegen meine Brust während ich die junge Frau ins obere Geschoss trug. In dem Gästezimmer mit dem schönsten Ausblick auf den Garten, legte ich sie vorsichtig in dem Bett ab und legte die Decke über sie.
Noch für einen Moment setzte ich mich an die Bettkante und beobachtete die regelmäßigen Atemzüge meines Entführungsopfers.
„Verdammte Scheiße!" fluchte ich in Gedanken. „Seit wann interessiert dich das Wohlbefinden fremder Leute?! Reiß dich zusammen! Wir haben sie mitgenommen, damit sie nicht reden kann. Mehr nicht! Ich hätte sie vielleicht doch besser in den Keller gesperrt.. so hätte ich vielleicht eine bessere Distanz zu ihr." Den Gedanken verwarf ich schnell wieder denn ich wusste selbst nicht was mit mir los war oder wie Samia es geschafft hatte, innerhalb von einem Sekundenbruchteil diesen Beschützerinstinkt in mir auszulösen, dass ich bereit war alle Umstände, die ihr Entführung machen würde, in Kauf zu nehmen.
Schnell stieß ich mich am Bett ab und verließ das Zimmer ohne mich noch einmal umzudrehen. „Fuck, was mache ich hier eigentlich?!" Frauen waren für mich bisher immer nur so etwas wie Objekte mit denen ich körperliche Bedürfnisse stillen konnte und so sollte es auch eigentlich bleiben.
Ich zog die Tür des Gästezimmers hinter mir, schloss aber nicht ab. „Ich finde dich eh übels überall, Kleines!" ein fieses Grinsen huschte über mein Gesicht, was schon eher meinem alten ich entsprach.

ENTFÜHRTWo Geschichten leben. Entdecke jetzt