Kapitel 2

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Professor Dr... Was?!

Mein Herz blieb für den Bruchteil einer Sekunde stehen. Völlig fassungslos riss ich die Augen auf und starrte mein Gegenüber an. Sollte das ein blöder Scherz sein? Wie hoch war die Wahrscheinlichkeit ausgerechnet auf den Professor zu treffen, dessen Namen ich soeben noch ins Lächerliche gezogen hatte? Richtig! Die Wahrscheinlichkeit war gleich Null! Zu allem Übel sah dieser Typ mir gegenüber auch überhaupt nicht aus wie ein Professor. Ein weiteres Mal ließ ich meinen Blick über ihn hinweg wandern. Es hatte eher den Anschein, als müsste er auf der anderen Seite des Vorlesungssaals sitzen und langweiligen Vorträgen von echten Professoren lauschen. Professoren in Anzügen mit Westen, grau meliertem Haar und Lesebrillen. Stellte man sich so nicht einen waschechten Dozenten am Yale College vor? Doch der Mann, der vor mir stand, hatte nichts mit einem Professor gemein, rein gar nichts. Er war weder alt und hatte grau meliertes Haar noch trug er eine Lesebrille oder einen altertümlichen Anzug.

Nein, sicher nahm mich der Typ nur auf den Arm. Ein Fünftsemestler, der mir als Freshman einen kleinen Streich spielen wollte.

Ich stieß ein lautes hysterisches Lachen aus.

»Das...das soll ein Scherz sein, oder?«, fragte ich zweifelnd. Instinktiv hielt ich die Luft an, während ich gespannt auf eine Antwort wartete. Stattdessen aber verschränkte der Typ demonstrativ die Arme vor der Brust und blickte nachdenklich auf mich herab.

»Wie war nochmal gleich Ihr Name?«, verlangte er zu wissen.

Ein ungutes Gefühl braute sich in meinem Innern zusammen. Für einen Wimpernschlag lang erwog ich, einfach auf dem Absatz Kehrt zu machen, die Beine in die Hand zu nehmen und davonzulaufen. Sogleich verwarf ich diese sinnlose Idee jedoch wieder.

»Laney«, stammelte ich nervös. »Laney Taylor.«

»Nun, Miss Taylor«, begann er mit tiefer, melodischer Stimme zu sprechen, während er ein Schlüsselbund aus seiner Jeanstasche zog. »Ich mag vieles sein, aber ich bin sicher kein aufgeblasener Möchtegern, der sich durch die schmachtenden Blicke seiner Studentinnen profiliert«, er warf mir einen bedeutenden Blick aus seinen grünen Augen zu. »Um es in ihren Worten auszudrücken.«

Während ich dabei zusah, wie er die Tür zum Vorlesungssaal aufschloss, sickerte langsam aber sicher die Erkenntnis durch, dass es sich bei dem Mann wahrhaftig um meinen zukünftigen Dozenten handelte. Was bedeutete, dass ich mir soeben ein Eigentor geschossen hatte, indem ich ihn auf ziemlich derbe Weise beleidigt hatte...

»Scheiße«, gequält verzog ich das Gesicht, das mittlerweile wohl puterrot war.

Nicht zu fassen, dass ich erst ein paar Stunden hier war und schon in das größte Fettnäpfchen trat, das diese Welt zu bieten hatte. Ich wünschte, es würde sich einfach ein Loch im Boden auftun, in dem ich klammheimlich verschwinden konnte. Leider war dem nicht so und ich musste mich dieser äußerst unangenehmen Situation stellen. Für gewöhnlich begann ich in solchen Momenten wie ein Wasserfall zu reden. Aber zum ersten Mal in meinem Leben fehlten mir die Worte. Dennoch musste ich irgendwie retten, was noch zu retten war. Ich würde versuchen müssen, diese Situation zu entschärfen, um nicht gleich einen schlechten ersten Eindruck bei meinem zukünftigen Dozenten zu hinterlassen. Krampfhaft überlegte ich, wie ich das anstellen sollte. Eine schlichte Entschuldigung erschien mir ein guter Anfang.

»Mr Wright, ich...«, betreten suchte ich nach den richtigen Worten.

»Für Sie immer noch Professor Wright«, warf er unwirsch dazwischen.

Verdutzt erwiderte ich seinen Blick. Ihn mit Professor Wright anzusprechen hatte zwar seine Richtigkeit, aber die Art und Weise, wie er mich korrigierte, schien nur dem Ziel zu dienen, mich zu verärgern. Was war das für ein aufgeblasener Wichtigtuer?

Her HeartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt