Kapitel 25

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Songempfehlung: Austin Georgio - Dangerous Hands

»Alles okay bei dir?«, rief Julian mir über den Lärm des Motors zu.

»Alles super«, grölte ich zurück, schlang meine Arme noch fester um ihn und beobachtete die vorbeiziehenden Autos.

Motorradfahren war ein außergewöhnliches Gefühl. Verrückt. Unglaublich.

Noch nie in meinem Leben hatte ich mich so leicht gefühlt. Leicht wie eine Feder und doch so schnell, dass wir den Wind durchschnitten wie ein Blitz. Freiheit durchströmte jede einzelne Faser meines Körpers und ich fühlte mich so lebendig, wie schon lange nicht mehr. Der Fahrtwind stieß gegen mein Visier. Ich spürte, wie er an meiner Kleidung riss. Wie er meine Haare, die darunter hervorlugten, durcheinander wirbelte.

Hatte ich anfangs noch Angst gehabt, so war diese nun völlig verflogen. Zwar besaß ich noch immer größten Respekt, denn eine Maschine von zweihundert Kilogramm sicher über den Asphalt zu steuern, war bestimmt gar nicht mal so einfach und zusätzlich musste man immer mit Fehlern und Unachtsamkeit anderer rechnen, aber ich verstand nun, warum so viele Menschen die Begeisterung fürs Motorradfahren teilten.

Julian fuhr wirklich sehr anständig. Er lenkte das Bike souverän und aufmerksam über die Straßen New Havens und von Minute zu Minute spürte ich, wie mein Vertrauen in ihn immer größer wurde. Wie es wuchs.

Wir kamen an Waterbury vorbei, von wo aus wir weiter nach Litchfield fuhren. Dort nahmen wir den South Litchfield Hills Scenic Drive. Hierbei handelte es sich um eine beliebte Motorradstrecke, die einige der atemberaubendste Ausblicke Connecticuts bot. Es war eine malerische Fahrt, die uns durch eine Postkartenwelt mit sanften Hügeln führte. Ich sah jahrhundertealten Scheunen, historische Städte und überdachte Brücken.

Wir machten einen Zwischenstopp im Litchfield Town Green, das im achtzehnten Jahrhundert erbaut wurde. Der lange, schmale Park, der in drei Abschnitte unterteilt war, nämlich in den Center Park, West Park und East Park, glich einem absoluten Märchen und erinnerte mich ein wenig an die fiktive Stadt Stars Hollow aus Gilmore Girls. Das Litchfield Green war ein wunderbarer Ort zum Einkaufen, Essen und Eintauchen in die lokale Geschichte und Architektur.

Julian lud mich auf einen Kaffee ein und nebeneinander schlenderten wir mit unseren Helmen in der einen und dem Kaffee in der anderen Hand, über die Grünfläche. Ich konnte nicht anders, als mich zu fragen, wie wir wohl auf Außenstehende wirkten. Den Altersunterschied sah man uns jedenfalls nur minimal an, da Julian noch einen ziemlich jungen Eindruck erweckte. Nebenbei bemerkt handelte er sich zudem den ein oder anderen anerkennenden Blick weiblichen Publikums ein. Ich konnte es den Frauen nicht verdenken. Julian war groß. Er überragte mich um einen ganzen Kopf, sodass ich ihm gerade mal bis zum Schlüsselbein reichte. Das braune Haar war ein wildes Durcheinander von der Fahrt und seine Augen strahlten in einem solchen Grün, für das es keine gerechte Bezeichnung gab. Außerdem sah er in der Motorradmontur einfach nur heiß aus. Ich konnte es nicht anders ausdrücken. Julian war die reinste Sünde. Wer ihn nicht kannte und ihn in dieser Aufmachung sah, nahm sicher an, dass er der Inbegriff eines Draufgängers war. Und vielleicht steckte auch ein bisschen davon in ihm. Obwohl er einerseits der pedantische, strukturverliebte Professor war, so besaß er auch eine abenteuerlustige, offene und leidenschaftliche Ader, die er selten zeigte. In solchen Momenten erinnerte er mich mehr an einen Teenager. Einen Teenager, der sich sehr selten erlaubt hatte, einfach mal der Junge zu sein, der er gewesen war.

Auf einer Parkbank in der Nähe des Bikes ließen wir uns schließlich nieder und ich schälte mich aus der dicken Jacke, um mich etwas abzukühlen. Es war ein verdammt warmer Oktobertag.

»Gefällt es dir bisher?«, fragte Julian und warf mir einen neugierigen Seitenblick zu.

»Das Motorradfahren oder Litchfield?«, scherzte ich, obwohl ich genau wusste, dass er ersteres meinte.

Her HeartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt