Kapitel 23

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Songempfehlung: Lova - Lonely Ones

Ich starrte geradewegs in ein Gesicht das mir schmerzlichst vertraut war und das ich in den letzten Wochen fürchterlich vermisst hatte. Ein Gesicht mit warmen, braunen Augen, die mich nun voller Liebe aber auch voller Sorge anschauten. Ein Gesicht, das ich schon kannte, seit ich als Kind noch in die Windeln machte. Meine Augen wanderten über eine Nase, die fast perfekt war, wäre da nicht der leichte Höcker, den er sich zugezogen hatte, als er im Kindesalter vom Fahrrad gefallen war. Die rundlichen Wangen, die ihn schon immer hatten jünger wirken lassen, als er eigentlich war, überzogen eine leichte Röte.

»Laney!«, seine Lippen formten sich zu einem breiten, umwerfenden Lächeln, das wohl sicher dem ein oder anderen Mädchen schlotternde Knie bescherte. Mein Blick schweifte über ihn hinweg. Er war relativ hochgewachsen, schlank und sehnig, was in der blauen Jeans und dem Stanford Merchandise T-Shirt umso mehr auffiel. Er war gutaussehend. Nicht auf diese rohe, männliche Art, wie es bei Julian der Fall war, sondern mehr auf diese Tom Holland Art und Weise.

»Josh?«, der überraschte Unterton in meiner Stimme verriet, dass er die letzte Person war, mit der ich gerechnet hatte. Nie und nimmer wäre ich darauf gekommen, dass ausgerechnet mein bester Freund vor der Tür stehen würde. Dass er vom anderen Ende des Landes, von Kalifornien, hierher nach Connecticut reisen würde. Und schon gar nicht nach unserem Streit. Nachdem ich ihm das Herz gebrochen hatte.

»Was tust du hier...«, noch ehe ich aussprechen konnte, lief Josh an Julian vorbei, ließ sich auf der Kante meines Krankenbetts nieder und schloss mich in eine stürmische Umarmung.

Ein ersticktes hmpf kam über meine Lippen und obwohl Josh behutsam die Arme um mich legte, wurde mein Brustkorb von einem stechenden Schmerz durchzuckt.

»Verdammt Laney, ich habe mir solche Sorgen gemacht«, murmelte er an meinem Ohr, ehe er mich wieder freigab. Aus funkelnden Augen sah er mich an. »Ich habe mir sofort einen Flug gebucht, als ich es erfahren habe!«

Wie von selbst schlang sich Joshs Hand um die meine.

Aus großen Augen erwiderte ich seinen Blick. Ich war so überrumpelt, dass mir keine Antwort über die Lippen kommen wollte.

»Was zur Hölle hast du dir nur dabei gedacht, an einem Sportfest teilzunehmen? Bist du von allen guten Geistern verlassen?«, fuhr er damit fort, mir eine Standpauke zu halten.

Benommen schluckte ich den Kloß in meinem Hals herunter, während ich vollkommen überfordert mit der Situation war. Obwohl ich mich über Joshs Besuch freute, kam ich nicht umhin, an ihm vorbei zu Julian zu spitzeln, der noch immer an der Tür stand, durch die er gerade hatte verschwinden wollen, bevor Josh erschienen war.

Doch Julian erwiderte meinen Blick nicht.

Nein, seine Augen waren auf meine und Joshs ineinander verschlungenen Hände gerichtet und als mir klar wurde, wie das Ganze auf Julian wirken musste, entzog ich Josh blitzartig meine Hand. Für mich persönlich war nichts dabei, die Hand meines besten Freundes zu halten. Josh und ich hatten schon oft Händchen gehalten. Im Kindergarten. Jedes Mal, wenn ich im Krankenhaus war. Auf dem Abschlussball der High School... Es war eine freundschaftliche Geste. Aber in so manch Außenstehenden mochte diese Geste einen anderen Eindruck erwecken.

Josh meine Hand zu entziehen sorgte dafür, dass Julian den Blick wieder hob und mich direkt ansah.

Sein Gesicht ließ nicht die geringste Gefühlsregung erkennen. Sie war eine pure Maske blanker Gleichgültigkeit. Julian beherrschte die Rolle des unnahbaren Professors nahezu perfekt.

Aber seine Augen...

Himmel. Seine Augen funkelten in einem solchen Giftgrün, dass ich fürchtete jeden Moment an einem Giftmord statt einem schwachen Herzen zu sterben.

Her HeartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt