Kapitel 20

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Songempfehlung: Chris Brown - Grass Ain't Greener

»Mann, der hat dich ja ganz schön auf dem Kieker«, hörte ich Charlotte sagen, während sie nach der Vorlesung ihre sieben Sachen packte und sich von der Bank erhob.

»Das kannst du laut sagen«, murmelte ich verdrossen.

Ich tat es Charlotte nach, stopfte meine Unterlagen in die Tasche und ging die Stufen des Saals nach unten. Am Pult jedoch trennten wir uns voneinander. Charlotte warf mir einen aufmunternden Blick zu, ehe sie mit den anderen Studenten nach draußen lief.

Ich unterdessen verharrte an Ort und Stelle und wartete, während sich der Raum leerte. Es kam mir vor wie eine halbe Ewigkeit. Zudem vermied ich es, Julian anzusehen, der hinter dem Pult stand und irgendwelche Papiere sortierte.

Erst nachdem auch der letzte meiner Kommilitonen den Vorlesungssaal verlassen hatte, wandte ich mich ihm zu.

Er kam um den Schreibtisch herum, lehnte sich mit demonstrativ verschränkten Armen dagegen und starrte mich an. Seine Augen waren ausdruckslos. Leer. Kalt. Kälter als die Antarktis. Hastig senkte ich den Blick, denn ich wusste, dass ich mich ziemlich daneben benommen hatte. Mir war klar, dass eine Entschuldigung das Mindeste war.

»Du brauchst nichts zu sagen, ich weiß, dass das gerade ziemlich scheiße von mir war und es tut mir leid.«

Kurze Stille.

»Schön, dass du das wenigstens einsiehst.«

»Gut. Kann ich dann gehen?«, fragte ich überstürzt. Ich konnte es kaum erwarten, hier raus zu kommen. Seine Nähe brachte mich schon wieder um den Verstand, drang in jede Pore meines Körpers ein, betörte mich.

»Nein.«

»Nein?«, überrascht hob ich das Gesicht.

»Nein.«

»Warum nein

Diese Konversation grenzte an Lächerlichkeit. Sofern man das ständige Wiederholen eines Wortes überhaupt als Konversation beschreiben konnte.

»Ich glaube, wir sollten über letzten Samstag reden, Laney, meinst du nicht auch?«

Ich sog scharf die Luft ein.

»Ich...«, ich stockte. Dann ließ ich resigniert die Schultern fallen. Er hatte ja recht. Ich konnte es nicht ewig vor mir herschieben. Es widerstrebte mir nur, mich mit den Konsequenzen unseres Handelns auseinanderzusetzen. Mich mit den Gefühlen auseinanderzusetzen, die seit letzten Samstag in mir brodelten, wie ein Vulkan. Kurz davor auszubrechen. Zu explodieren. Ich wollte dieses Gespräch so schnell wie möglich hinter mich bringen.

»Hör mal, Julian, es war... der Kuss war... ein großer Fehler«, ich brachte es fast nicht zustande, die Worte auszusprechen. Ich räusperte mich und riss mich zusammen. »Es tut mir leid, dass ich dich geküsst habe. Es wird nie wieder vorkommen, das verspreche ich.«

Wieder kurze Stille.
Eine laute Stille, vor der ich am liebsten davongerannt wäre. Mein Fluchtinstinkt setzte ein.

»Darf ich jetzt gehen?«, fragte ich nervös.

Ich spürte seinen Blick auf mir.

»Nein.« Sagte er wieder.

Ich öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Wie festgewachsen stand ich noch immer auf der gleichen Stelle. Julian rollte mit der Zunge. Dann stieß er sich vom Pult ab und kam ein paar Schritte auf mich zu.

»Ich wollte mit dir über letzten Samstag reden. Keinen Monolog hören.«

»W-wie bitte?«, stotterte ich, während er immer näher kam. Wut sammelte sich in meinem Bauch. »Aber wir haben doch gerade darüber geredet...«

Her HeartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt