Kapitel 4

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Songempfehlung: Tate McRae - Uh oh

Für einen kurzen Wimpernschlag lang war ich gefesselt von diesen wunderschönen Augen.

Dann erinnerte ich mich jedoch zu wem sie gehörten und verzog grimmig das Gesicht.

Manchmal wünschte ich mir, dass sich im Boden einfach ein Loch auftat, in dem ich verschwinden konnte. Es war nicht gelogen, als ich Caya heute Morgen erzählt hatte, dass ich ein absoluter Experte und Meister in der Kunst der Tollpatschigkeit war. Die Anzahl der Fettnäpfchen, in die ich am heutigen Tag schon getreten war, war lächerlich. Insbesondere die Tatsache, dass ich nun schon zum zweiten Mal in dasselbe Fettnäpfchen trat, war nicht nur lächerlich, sondern gleichermaßen dämlich.

Es stand jedenfalls nicht zur Debatte, ob Professor Wright meine kleine Schimpftirade überhört haben könnte, so dicht wie er sich in Hörweite befand.

Völlig regungslos saß ich da und starrte ihn an, mein Kopf mittlerweile wohl so rot wie eine Tomate. Professor Wrights Gesichtsausdruck dagegen wirkte undurchdringlich. Lediglich das leichte Zucken einer seiner Mundwinkel schien andeuten zu wollen, dass er sich über mich amüsierte. Um ehrlich zu sein war ich mir nicht so sicher, ob mich das beruhigen oder beängstigen sollte. Ob es ein gutes oder ein schlechtes Zeichen war. Ob er meinen Spruch mit Humor nahm oder sich darüber ärgerte.

Es trug auch nicht gerade zur Besserung bei, dass mir bei alldem nicht entging, wie unglaublich gut er aussah. Das hellbraune Haar war etwas durcheinander und ließ die besondere Farbe seiner Augen hervorstechen. Auf seinen Lippen zeichnete sich ein schiefes Lächeln ab, dass die perfekt geschwungenen Züge seines Gesichts betonte. Nur mit Mühe konnte ich meine Augen von dem Longsleeve losreißen, unter dem sich seine athletische Statur allzu deutlich abzeichnete. Ganz zu Schweigen von...

Stopp!

Um Himmels Willen, war ich von allen guten Geistern verlassen? Um ein Haar wäre ich zu ebenjenen schmachtenden Studentinnen geworden, die ich vorhin noch zum Gespött gemacht hatte.

»Ich bin beeindruckt, Miss Taylor«, Professor Wrights Augen blitzten vergnügt. »Vom aufgeblasenen Möchtegern zum arroganten, überheblichen und anmaßenden Mistkerl. Ich bin mir nur noch nicht so ganz sicher, ob das eine Verbesserung oder eine Verschlechterung ist?«, er neigte nachdenklich den Kopf.

Ich schluckte schwer, während sich eine gähnende Leere in mir ausbreitete. Statt einer Antwort, starrte ich ihn einfach nur an.

»Wussten Sie, dass Verleumdung strafbar ist?«

Unterrichtete er jetzt auch noch Jura oder was?

Das provokante Glitzern in Professor Wrights Augen verriet mir, dass er überaus Spaß daran hatte, mich derart zu schikanieren. Doch am meisten schien es ihm Genugtuung zu verschaffen, dass ich ihm gnadenlos ausgeliefert war. Er war sich bewusst darüber, dass ich innerlich kochte und nichts lieber getan hätte, als meiner Wut freien Lauf zu lassen - doch ich tat gut daran, meine Zunge zu hüten. Ein weiteres falsches Wort und ich wäre die meiste Zeit in Yale gewesen. Ich durfte mir keine zusätzlichen Ausrutscher erlauben, das wusste ich. Das wussten wir beide. Und genau dies war es, was ihm insgeheim frohlockte. Es war beinahe, als würde ihm das Wörtchen Schadenfreude auf die Stirn geschrieben stehen.

»Mr Wright...«, ich hielt kurz inne und korrigierte mich sogleich. »Professor Wright, ich...«

»Sparen Sie sich Ihren Atem und Ihre scheinheiligen Ausreden«, schnitt er mir unwirsch das Wort ab. »Stecken Sie lieber Energie in den Unterricht nächste Woche, um mich davon zu überzeugen, sie nicht dem Dekan zu melden.«

Mein Herz stolperte verdächtig, während Caya neben mir erschrocken nach Luft schnappte. Ich hatte mich also nicht verhört. Professor Wright spielte tatsächlich mit dem Gedanken, mich zu melden.

Her HeartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt