Kapitel 6

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Mit mehreren Pflastern übers Gesicht verteilt, saß Arran am Esstisch und blickte zu seiner Mutter, statt in die Cornflakes hinein. Cornflakes, die langsam eine breiige, undefinierbare Masse wurden. „Bitte Mam. Naia ist sonst heute ganz allein in der Schule!" Versuchte er verzweifelt das abzuwenden, das er mit dem ersten Schlag befürchtet hatte. Nein, das er befürchtet hatte, als er den Zettel weitergereicht hatte. Vielleicht sogar schon, als er angefangen hatte zu schreiben. „Ich habe dich gewarnt Arran. Noch einmal! Das hättest du dir gestern überlegen sollen. Sie ist jetzt wegen dir allein!" Sagte Summer hart und Arran verzog das Gesicht. Eine schmerzhafte Idee. „Bitte Mam. Ich wurde geschlagen. Ich hab nicht zurückgeschlagen!" Er hatte dieses Argument schon tausende Male gebracht und er bekam die selbe Antwort zum tausendsten mal. „Gut und wer hat dich geschlagen?" Fragte seine Mam nun und blickte auf und er hinab auf seinen gelben Brei. „Das kann ich dir nicht sagen." „Dann kannst du heute auch nicht zur Schule. Und den Rest der Woche auch nicht. Kein Fernsehen für dich und kein Spielen. Solange du deine Lektion nicht lernst, bist du ein schlechter Einfluss für Naia!" Vieles davon empfand er als unfair, weil er eigentlich anders gehandelt hatte, als all die vielen Male davor, doch Summers letzter Satz traf ihn hart. Er war ein schlechter Einfluss für Naia. Nicht einmal er konnte dem widersprechen. Er war es. Das wusste er. Solange er Dinge regelte, wie er sie immer regelte. Mit Fäusten. Solange würde er immer wieder dafür sorgen, das Naia so traurig an der Ecke stand und ihm trotzdem Beistand. „Ich werde mich ändern, Mam. Ich werde aufhören ein schlechter Einfluss für Naia zu sein." Summer sah überrascht auf und zu ihrem Sohn. Er sah es aus den Augenwinkeln. Langsam trat sie näher und küsste sein Haar. „Ich bin stolz auf dich, Arran. So handelt ein richtiger Mann." Als Summer zurücktrat, rieb er sich peinlich berührt über die Haare, als könnte er so den Kuss ungeschehen machen. „Muss ich immer noch mit ins Altersheim?" Fragte er nun hoffnungsvoll und er bekam sofort eine Absage. „Ja." Sie sagte es so bestimmend, das er sein Gebettel endlich einstellte. Er hatte verloren. „Und das isst du auf. Wir werfen kein Essen weg." Er blinzelte, ehe er auf seine Schüssel hinabblickte und das Gesicht verzog. Widerwillig stopfte er sich die zuckersüße Milch mit dem undefinierbaren Brei in den Mund. Als er das Essen endlich überstanden hatte, zog er sich an und folgte seiner Mam. Wie immer zog er seine Kapuze über die Haare und vergrub seine Hände in der Brusttasche. „So siehst du aus wie ein Krimineller." Tadelte Summer ihn, doch er vergrub seine Hände nur noch tiefer. „Aber so guggen die Leute nicht." Er hörte das Seufzen seiner Mutter. Scheinbar wollte sie ihm das lassen. „Na wenn du dich dann weniger schlägerst meinetwegen. Na komm, ich komm sonst zu spät." Sie schob ihn eilig aus der Tür heraus und sperrte die Wohnung gut ab, ehe sie sich in Bewegung setzten. Früher wären sie einfach mit dem Auto gefahren. Dort war es angenehm kühl mit der Klimaanlage. Doch mit ihrem neuen Leben quetschten sie sich zusammen in einen völlig überfüllten und völlig überhitzen Bus. Der Geruch von Schweiß hing den Leuten an und der Wind der geöffneten Seitenfenster half dagegen nicht im geringsten. Auch war es so voll, das die Leute nicht einmal umfallen konnten, obwohl der Bus so binär fuhr als gab es nur Vollgas und Vollbremsung. Bei jedem Ruck schob es die Menschenmasse etwas vor oder zurück. Summer zog ihren Sohn näher an sich heran und Arran verzog genervt das Gesicht, als es ihn jedesmal fast umwarf. Er war groß für sein Alter, trotzdem war er noch immer viel zu klein um an die Gummihalterungen an der Decke zu gelangen. So baumelte er immer wieder zwischen Füßen und den Händen seiner Mam hin und her. Als endlich ihre Haltestelle erreicht war, schoben sie sich mühsam durch die Menge hinaus und blobbten regelrecht aus dem Bus heraus. Piepend schlossen sich die Türen wieder und der Bus trug die restliche Menschenmenge fort. Summers Hände berührten seine Schulter und schoben ihn weiter. Sie mussten wenigstens nicht mehr weit laufen. Das staatliche Altersheim lag direkt an der Haltestelle, die nach dem Heim benannt war. Die Einrichtung war genauso schwül, wie der Bus. Es war schlecht finanziert und bei weitem nicht so gut ausgestattet, wie die teuren Privatkliniken und trotzdem gut besucht. Nicht viele konnten sich die teuren Heime leisten und diese lagen auch nicht gerade in dem Stadtviertel, in dem sie nun lebten. Kaum, das sie das Haus betraten, stieg Arran der ekelhafte Geruch von Desinfektionsmittel in die Nase. Sie passierten den großen Eingangsbereich. Einige ältere Leute liefen hier mit ihren Rollatoren vorbei. Jene, die noch etwas fitter auf den Beinen waren. Es gab auch ganz andere Fälle. Als die alten Leute Arran erkannten, blieben sie stehen und winkten. „Arran, schön dich wieder zu sehen!" Rief Mrs Fernández, eine der alten Damen. Dann kniff sie die Augen etwas zusammen. Sie sah bereits sehr schlecht. „Was ist denn mit deinem Gesicht passiert?" Summer lachte kurz auf. „Ja Arran, was ist denn mit deinem Gesicht passiert." Sofort vergrub er seine Arme tiefer in seiner Brusttasche, als wollte er darin verschwinden. „Bin hingefallen." Ein alter Mann neben Mrs Fernández lachte auf. „Das habe ich auch immer gesagt!" Summer lächelte, ehe sie ihren Sohn weiterschob. „Na los." Sie betraten das Schwesternzimmer des Altersheimes. „Summer. Oh du hast den kleinen Arran mitgebracht. Hast du wieder Ärger gemacht?" Fragte Summers Arbeitskollegin und der Rothaarige verzog genervt das Gesicht. Er war nicht klein und wie viele wollten das jetzt eigentlich noch fragen? „Wann stellt er nichts an?" Antwortete Summer erschöpft und Arran sah beleidigt hoch. „Ich hab doch gesagt, das ich das ab jetzt nicht mehr mache!" Entwich es ihm trotzig und es war die Arbeitskollegin, die amüsiert lachte. „Du hast es wirklich nicht leicht Summer." Die Frau legte Arrans Mam mitfühlend eine Hand auf die Schulter, dann eilte sie weiter, während Summer endlich eintrat und sich umzog. „Kann ich im Zimmer bleiben?" Fragte Arran hoffnungsvoll, doch Summer lachte auf. Es war ein fieses Lachen, weil sie genau wusste, wie sehr er es hasste. „Die Patienten werden sich sehr freuen dich zu sehen." Nur mit mühe unterdrückte Arran den Kommentar, das er sich nicht freute.


Sein roter Himmel - Su Cielo RojoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt