Kapitel 53

4 3 0
                                    

Endlich startete auch er den Motor und fuhr los. Orangene Lichter zogen in einem wiederkehrenden Takt über ihm hinweg. Tauchten sein ernstes Gesicht in wandernde Schatten. Kein Radio lief, sein Blick glitt immer wieder in den Rückspiegel. Er erwartete verfolgt zu werden, doch niemand folgte ihm. Es war ruhig, bis er nach wenigen Autominuten den Treffpunkt mit Rascal erreichte. Er stand längst bereit. Die Arme in der Hosentasche vergraben und mit Augen, die die Umgebung im Blick behielten. Er sah auf, als Arran vorfuhr und er stieg ein, kaum das das Auto stand. „Rojo. Wir sind spät dran." Erkannte Rascal. Auch Arran sah kurz zur Autouhr. Das Aufeinandertreffen mit Brook hatte ihn einige wichtige Minuten gekostet. „Das holen wir wieder rein." Rascal hatte sich noch nichtmal ganz angeschnallt, da fuhr Arran bereits los. Wieder zogen die Lichter über sie hinweg, während sie still dasaßen. Noch immer wusste nur Arran wohin sie fuhren. So wie nur Sleeper und Leo ihre Ziele kannten. Je weniger es wussten, desto schwerer wurde es für Maulwürfe die Aktionen zu verraten. Flog eine Aktion auf, dann rollten Köpfe und zwar jener, die das Geheimnis als einzige kannten. Naia hatte klar gestellt, das sie Sky und Sleeper nicht vertrauen würde, doch sie würden ihren Job machen. Darauf konnte Arran vertrauen. Sie waren nicht dumm. Jeder, der einstieg, hatte etwas zu verlieren und Blanco hatte klar gemacht, das er es nutzen würde. Viel mehr noch. Rojo hatte Schwäche gezeigt mit Naias erscheinen. Einen Job jetzt gut zu machen, könnte bedeuten seinen Platz einzunehmen. Höher zu wandern in der Hierarchie. Keiner würde diese Chance verspielen. „Also, wo gehts hin?" Fragte Rascal endlich. Sein Blick glitt aus dem Fenster heraus. Er schien einordnen zu wollen, was ihn erwarten könnte. Wollte er Arran in eine Falle locken? Er würde einen der höheren Köpfe von El Lirio bei sich haben. Das war eine Chance Rojo gefangen zu nehmen und damit El Lirio erheblich zu schaden. Das allerdings war ein Trugschluss. Arran war genauso ersetzbar wie Brook, Azul oder Necro. Nur ein Mensch machte die Regeln in El Lirio und dieser jemand war mehr als vorsichtig. Blanco. „Wir haben Informationen von einer Waffenlieferung an Mortes. Wir werden sie angreifen und die Waffen selbst mitnehmen." Rascals Augen weiteten sich. Sie lösten sich vom Fenster und starrten direkt zu Rojo. Damit hatte er nicht gerechnet. „Ist das die wichtige Waffenlieferungen? Die anderen sind die Ablenkung?" Fragte Rascal fassungslos und Arran grinste kurz. „Sleeper und Sky werden tatsächlich Waffen empfangen, aber richtig. Mortes zu schwächen ist unser Ziel." Arran blickte in den Rückspiegel und setzte den Blinker. Sie kamen ihrem Ziel näher und noch immer wurden sie nicht verfolgt. In dieser dunklen Nacht würde Arran jeden verdächtigen Wagen entdecken, solange er nicht gekonnt mit ausgeschaltenen Scheinwerfern herumfuhr. „Wenn du heute also daneben zielst, sind wir Tod." Es war das Erste mal, das Arran bei so einem gefährlichen Job nicht Rico oder Leo an seiner Seite hatte um seinen Rücken zu schützen. Arran hatte ernsthaft vorgehabt den heutigen Auftrag für ein Gespräch mit Rascal zu nutzen. Doch er hatte Blancos Wut bereits auf sich gezogen. Man würde ihn jetzt noch besser im Auge behalten. Es war keine Option mehr. Wenigstens noch nicht. Allerdings war es auch nicht ganz sinnlos. Wenn er Zeit mit Rascal verbrachte, könnte er ihn im Auge behalten und eine Verbindung zu ihm aufbauen. Er brauchte Rascals Vertrauen, nur dann würde der Spitzel auch seine sichere Position aufgeben. „Scheiße." Erkannte Rascal endlich. Fast sofort zog er seine Waffe hervor. Arran erwartete erschossen zu werden, doch der Spitzel legte sie einfach nur auf seinen Schoss. „Du machst mir doch jetzt nicht schlapp?" Rascal schüttelte sofort den Kopf, ehe er grinste. „Ich wollte so eine Chance schon immer." „Dann vergeig sie nicht, oder ich mach dich höchst persönlich kalt." Er warf Rascal einen finsteren Blick zu, doch Rascal hielt ihm stand. Das musste Arran dem Kerl lassen. Nerven hatte er. „Oder Mortes." Rascal grinste kurz. Selbst Arran musste kurz grinsen, dann verdunkelte sich sein Blick. „Wir sind fast da." Das Startsignal. Genug mit dem Smalltalk. Nun war es Arran, der die Lichter ausschaltete und allein auf seine Nachtsicht vertrauend, weiterfuhr. Niemand war zu sehen. Es war ruhig. Es war Nacht. Keiner, der halbwegs bei Verstand war, war nun freiwillig auf den Beinen. Besonders im Hafengebiet. Doch ihr Ziel lag nicht am großen Haupthafen. Sie zielten auf eine kleine Bucht. Oft ankerten die großen Schiffe im offenen Gewässer und es waren kleinere Motorboote, auf die die Lieferungen verteilt und an verschiedenen Orten an Land gebracht wurden. Verteilen. Das war die wichtigste Regeln bei allen illegalen Lieferungen. Niemals nur einen Weg nutzen, der abgefangen werden konnte. So viele unterschiedliche Wege gehen, wie möglich war. Nur so wurde sichergestellt, das viel ankam. Ob Drogen oder Waffen spielte da keine Rolle. Sie erreichten einen abgelegenen Parkplatz und stoppten das Auto. Ein letztes Mal nickten sie sich zu, ehe sie ausstiegen. Das Erste, das sie empfing, war der Geruch nach salziger Luft und das Rauschen des Meeres. Wenn man in Sunburn aufwuchs, konnte man nicht meinen, das Milestone auch so etwas idyllisches barg. Dabei konnte diese Bucht nicht weiter von Sunburn entfernt liegen. Es war ein wunderschöner Strand an dem, am Tag, die Hölle los war. Es war kein Vergleich zu dem Flussarm in dem Arran damals mit seinen Freunden immer gebadet hatte. Im Grunde wirkte es, als wären sie in einer ganz anderen Welt angekommen. Am Rand des Horizontes konnten sie tatsächlich mehrere ankernde Boote erkennen, besser gesagt die Lichter mit denen sie sich voreinander warnten. Es war kein ungewöhnlicher Anblick. Einige Containerschiffe rasteten hier. Jedes davon könnte das Boot der Schmuggler sein, doch welches würden sie niemals erraten, selbst wenn es Tag wäre. Das Zweite, das Arran wahrnahm, war ein ungutes Gefühl. Es war seltsam ruhig hier. Für seinen Geschmack zu ruhig. Von dem Parkplatz aus, konnten sie die Bucht überblicken. Es war niemand zu sehen. Versteckten sie sich in den Büschen? Augenblicklich zog er seine Waffe und sah zu Rascal. Er wirkte konzentriert, die Waffe in Händen, die er schon im Auto gezogen hatte. Sie nickten sich kurz zu, ehe sie langsam von ihrem Auto wegschlichen. Je weiter sie kamen, desto nagender wurde das Gefühl in Arrans Bauch. Mit einem Mal stoppte er. Sicher, sie waren früher da, um sich zu verstecken bevor Mortes kam, trotzdem irritierte ihn etwas. Was war es? Er deutete Rascal wortlos an, einen anderen Weg zu gehen. Sie teilten sich auf, auch wenn er damit wieder Gefahr lief, dem Militär in die Arme zu spielen. War es das? War das Militär hier und wartete nur darauf ihn Ding festzumachen? Was wurde dann aus Naia? Er versuchte sie sofort aus seinen Gedanken zu verbannen. Er durfte sich jetzt nicht ablenken lassen. Er hörte einen Knall. Irgendwo war eine Bombe explodiert. Fast sofort wirbelte er zurück. Es war nicht am Strand und nicht am Auto. Es musste vom Hafen kommen. Rico und Leo! Ein Geheul durchbrach die Stille, als die Feuerwehrsirene zu ertönen begann. Dann hörte er Schritte, die versuchten sich in dem Lärm zu verstecken. Er hatte Schwierigkeiten die Schritte auseinander zu halten, doch grob überschlagen waren es mehr als fünf. Aus einem Reflex heraus, verschwand er hinter dem Stamm eines Baumes. Doch kein Schuss erklang. Wer auch immer das war, das Ziel war nicht ihn zu töten. Also doch Militär? Warum dann die Explosion? Er hätte zu gerne erfahren, wie es seinen Freunden ging, doch dafür hatte er keine Zeit. Er musste hier weg. Das wusste er. Er griff in seine Tasche und zog eine Granate hervor. Es gab keinen Grund mehr sich zu verstecken. Er war nicht nur einfach aufgeflogen. Man hatte auf ihn gewartet und zwar um ihn gefangen zu nehmen. Das konnte nur zwei Gründe haben. Das war Rascals Werk und es war das Militär, oder. Schüsse erklangen nicht weit entfernt von ihm. Rascal. Er wurde beschossen? So eine Ablenkung war sinnlos. Das bedeutete etwas anderes, das ihn noch mehr besorgte. Jemand in El Lirio hatte sie an Los Mortes verkauft. Rojos Auftrag war ein direkter Befehl von Blanco gewesen. Nur die höchstrangigen waren eingeweiht gewesen. Jemand aus der Führungsebene hatte sie verraten? Brook. War er nicht mit dem Motorrad weggefahren? Noch immer übertönten die Sirenen jedes Geräusch und doch konzentrierte Arran sich auf das wenige, das er sonst hörte. Er konnte grob die Richtung ausmachen. Er zögerte nicht länger. Er zog den Stift einer Granate und warf sie davon. Dorthin wo er die Feinde vermutete. Er versteckte sich hinter dem Baum um nicht von Splittern getroffen zu werden. Die Granate explodierte mit einem unglaublich lauten Knall. Die Blätter raschelten in der Druckwelle. Sein Gehör piepte einfach nur noch. Er hörte nichts mehr. Weder, ob jemand schrie, noch, ob er verfolgt wurde. Trotzdem huschte er von einem Baum zum nächsten. In der Dunkelheit der mondlosen Nacht war es schwer irgendetwas im Wald zu erkennen. Im Grunde rannte er fast blind durchs Dickicht. Als sein Gehör zurückkehrte, hörte er eine weitere Explosion. Irgendwo in der Stadt. Was ging hier vor sich?

Sein roter Himmel - Su Cielo RojoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt