Kapitel 37

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Er war schon dabei sich umzudrehen, als die Tür in sein ersehntes Zuhause öffnete und eine Gestalt im Hoodie austrat. Sein Mund fiel wortlos auf, seine Augen weiteten sich und sein Atem stockte. Es war kaum etwas von Naia zu erkennen und doch erkannte er sie sofort. Er hätte sie in dem Outfit auch in einer Menschenmenge erkannt. War es die Größe oder die Art wie sie sich bewegte? Wer wusste das schon. Alles was er wusste: Dort war sie. Der Mensch, der ihm am meisten fehlte und für den er zu viel getan hatte, um ihr gerecht zu werden. Er sah wie sie die Tür abschloss und dann ihren Blick über die Umgebung gleiten ließ. Sie suchte nach Gefahren und sie fand eine. Ihn. Im Licht des Mondes leuchteten ihm ihre blauen Augen entgegen. Sie riss diese erschrocken auf und wollte schon umdrehen, als sie plötzlich stoppte. Alles in ihm schrie auf. Dreh ab, doch sie drehte nicht ab und er rührte sich nicht. Sie standen sich einfach gegenüber und er sah es. Sie hatte ihn erkannt. Er könnte die selben Fragen stellen, wie er sich gestellt hatte. War es die Größe, oder die Haltung? War es ein Gefühl im Inneren, das zu schwingen begann? Es war ein endloser Moment, ehe sie plötzlich den Kopf senkte. Den Blickkontakt brach und die Treppen hinabeilte. Einfach an ihm vorbei lief. Endlich löste Arran die Hände aus seiner Brusttasche. Sie starrte noch immer auf den Boden hinab, als er ihren Oberarm zu fassen bekam. „Bist du verrückt?" Zischte er ihr leise zu. Handelte bevor er nachdachte. Handelte, wie sein Herz es ihm sagte, während sein Kopf aufschrie sie gehen zu lassen. Sie stoppte tatsächlich. „Nachts ist gefährlich! Du weißt sie haben kein Erbarmen." Flüsterte er weiter auf sie ein, während sie ihn noch immer nicht ansah. Er hatte oft davon geträumt mit ihr zu reden, doch jetzt spürte er den Abstand, den er selbst erzeugt hatte. Das Ergebnis seiner Entscheidung zu gehen und die Beiden einfach zurück zu lassen. In diesem Moment fragte er sich, ob es das wert gewesen war. Hatte er erreicht was er erreichen wollte? War Sunburn jetzt wirklich sicherer geworden? Noch waren sie nicht im Fokus des Krieges und er hatte Los Mortes damals vertreiben können. Und doch. War es das wirklich wert gewesen? „Für manche ist es hier viel gefährlicher als für andere. Ihr solltet mein Cafe besuchen, wenn die Sonne scheint. Ich kann noch immer nicht so gut backen wie Nana, aber das wird langsam." >Ihr solltet.< Es waren Worte, wie ein Schlag ins Gesicht. Worte, bei denen er, wie verbrannt, von ihr abließ. >Für manche ist es hier viel gefährlicher.< Sie wusste es. Sie wusste zu was er geworden war. Sie wusste das er Rojo war. „Ich hab noch was vor. Mein Freund wartet." Sagte sie schnell, nutzte, das er sie losgelassen hatte und eilte los. Fort von ihm. Sie log. Er kannte all ihre Instagram Bilder. Wenn sie nichtmal Jacob verheimlichte, dann hätte sie auch jemand neues nicht verheimlicht. Außerdem war sie eine schreckliche Lügnerin. Für einen Moment sah er ihr einfach hinterher. Traurig. Von Sorge erfüllt. Warum war sie wirklich spät nachts unterwegs? Wieso konnten sie nicht mehr alles teilen? Wer hatte das Cafe besucht und was war mit Nana? Er hatte nicht eine Antwort gefunden und so folgte er ihr leise. Nicht um die Antworten zu finden, sondern weil sie sich ständig in Schwierigkeiten brachte. Er durfte nicht zulassen, das ihr etwas geschah. Ihr Weg führte sie quer durch das halbe Viertel. War sie von allen guten Geistern verlassen? Wenn sie das tat, dann musste etwas ernstes passiert sein. Irgendetwas. Arran wollte es wissen. Er musste es wissen. Es war wichtig. Das spürte er. Er beobachtete wie sie bei einem Arzt an der Haustür stoppte. Sie klingelte Sturm bis jemand heimlich den Vorhang ein Stück zur Seite schob. Fast sofort schwang der Vorhang zurück, ehe der Arzt die Tür tatsächlich öffnete. „Naia? Um Himmels Willen." Er blickte die Straßen auf und ab, doch er bemerkte nicht einmal Arran. Wäre hier Gefahr, die Beiden hätten keine Chance. Naia erzählte dem Arzt irgendetwas und dessen Gesicht verdunkelte sich. Arrans ungutes Gefühl wurde immer stärker. „Warte kurz." Der Mann verschwand nur um Augenblicke später mit einer winzigen Tüte wieder aufzutauchen. „Hier. Du musst es ihr in die Ader spritzen. Arran sah, wie sie die Tüte entgegenahm und nickte. "Kind du machst Sachen! Hier her zu kommen. Das ist viel zu gefährlich! Beeil dich und schau zu das dich keiner sieht. Morgen früh komme ich bei dir und deiner Nana vorbei." Damit schloss er eilig die Tür und man hörte, wie er sie mehrfach verriegelte. Arran biss die Zähne zusammen. Dieser Feigling ließ Naia einfach allein auf der Straße zurück. Doch was hatte Naia ihm erzählt? Was war mit Nana? Naia drehte ab und lief die selbe Streckte hastig zurück und Arran folgte ihr weiterhin heimlich. Besorgter als noch vor wenigen Augenblicken. Er war erleichtert als Naia die Treppe zur Wohnung unbeschadet erreichte. Sie hatte Glück gehabt und er auch. Wären wirklich Los Mortes aufgetaucht und er hätte eingreifen müssen. Es gab so vieles was ihn daran traurig stimmen würde. Allen voran das Naia dann sah, zu was er geworden war. Es Live miterlebt hätte. Er schüttelte den Kopf, während sie die Stufen hinaufeilte. Sie schloss die Tür auf und dann. Erstarrte sie. „NANA!" Durchbrach ihre Stimme laut die Stille der Nacht. Irgendwo begann ein Hund laut zu bellen. Aufgeweckt durch den lauten Schrei. Arran vergaß jede Vorsicht. Jede Zurückhaltung. All die Jahre. Seine Unwürdigkeit. Er vergaß alles und rannte die Treppen hinauf. Naia war auf ihre Knie gesunken und Arran sah eine Träne zu Boden tropfen, während Naia mit zittrigen Händen nach der am Boden liegenden alten Dame griff. Sie berührte und nach dem Puls fühlte. „Nana, warum?" Naia hob den Blick und sah zum Sofa. Ihre Stimme war brüchig. „Warum bist du nicht liegen geblieben?" Arran sah aus den Augenwinkeln, die zu Boden gefallene Decke, doch sein Hauptaugenwerk galt Nana. Sie lag schwer atmend am Boden. Schweiß glänzte auf ihrem Gesicht. Selbst im fahlen Licht des Mondes konnte man sehen, wie bleich Nana war und wie Müde sie wirkte. Sie war in einer schrecklichen Verfassung. Dort lag die stärkste alte Dame, die Arran kannte und war nicht mehr als ein Häufchen Elend. Arran vergaß endgültig jede Zurückhaltung. Seine Vergangenheit und seine Entscheidungen spielten einfach keine Rolle mehr. Er schloss die Tür hinter sich und eilte zu Naia. Sank auf die Knie. „Ich mach das." Sagte er und Naia wich tatsächlich zur Seite. Stand auf und eilte zur Küchenzeile um kaltes Wasser zu holen, während Arran die alte Dame auf seine Arme gebetet hochhob. Vorsichtig stand er auf und balancierte die Dame zum Sofa zurück. Ihr Blick war seltsam fern, doch ihre Augen fokussierten ihn trotzdem. Ihr Blick wurde so endlos traurig. „Arran." Erkannte sie. Sie hob ihre Hand und berührte seine Wange, als musste sie ihn berühren um es sicher zu wissen. Ein schwaches Lächeln erfüllte ihn. „Ja Nana. Ich bin es. Alles wird gut." Er setzte sie vorsichtig ab und schon war Naia bei ihm. Legte Nana ein kühles, nasses Tuch auf die Stirn. „Die Medizin, wo ist sie?" Fragte Arran sofort und Naia nickte zerstreut. „Da." Sie war überfordert, während er zu funktionieren begann. Man lernte zu funktionieren, wenn man einmal Gangster wurde. Weitermachen, egal was um einen herum passierte. Bloß nicht erstarren. Das war wohl die wichtigste Lektion, die man auf der Straße zu lernen hatte. Die Tüte raschelte und wenig später hielt Naia eine Spritze in Händen. Sie war bereits gefüllt. Arran streckte eine Hand aus und Naia reichte sie ihm. Eine Plastikkappe steckte auf der Spritze. „Wohin?" Fragte er, während er die Plastikkappe entfernte. „Vene." Sagte Naia. Arran nickte und setzte an. Bewies damit, das er etwas konnte, was man nicht können sollte. Das man aber tat, um wenigstens ab und zu zu vergessen. Abzuschalten. Zu fliehen.

Sein roter Himmel - Su Cielo RojoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt