Kapitel 60

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Die Stille hatte Naia und Arran dazu gebracht, sich auf ihre Liegen zu legen. Mit einem Arm unter dem Kopf und einem über seinen Augen hatte er lange nachgedacht, bis ihm doch die Augen zugefallen waren. Endlich schlief er ein wenig. Naia schien das zu wissen, denn sie schwieg die ganze Zeit. Schwieg, bis er mit rasendem Herz aus seinem Schlaf schreckte. Sich aufrichtete und dorthin griff wo eigentlich sein Kopfkissen war. Dort wo er immer eine Waffe bereit gehalten hatte. Sein Griff ging natürlich ins Leere und das ließ ihn nur noch verstörter zurück. Es brauchte einen Moment, ehe er endlich die Situation verarbeitet hatte. Zelle bei Mortes. Gefangen. Keine Waffe. Erstmal keine lebensbedrohliche Situation. Er hatte geschlafen. Etwas, das längst bitter nötig gewesen war. Jetzt spürte er den Mangel an Schlaf, den er seinem Körper zugemutet hatte. Sein Kopf war ganz schlaftrunken. Bilder, seines diffusen Schlafes schwebten durch seinen Geist. Erschöpft ließ er wieder den Kopf sinken und starrte an die Decke. „Arran, ich bin zu Rojos Cielo geworden." Mit einem Schlag war jede Müdigkeit vergessen. Er war so schnell aufrecht, als wäre er wieder aus seinem Schlaf geschreckt. Seine Augen weit aufgerissen und er mit einem Schlag hellwach. Er wollte etwas sagen und als er sie auf der anderen Seite erkannte, lag sie zu seiner Überraschung nicht. Sie saß aufrecht auf ihrer Liege und blickte mit leerer Miene an die Wand ihr gegenüber. Sie sah nicht zu Arran. So wie sie nicht zu ihm gesehen hatte, als sie zurück gekommen war. Als sie in ihre Hände weint hatte und sich weigerte ihn anzusehen. Als er ihre Worte gehört hatte, bestätigte sich, was er befürchtet hatte. Sie hatte etwas getan, für das sie sich selbst verachtete und sie schämte sich, nicht mehr das zu sein, was er so sehr geliebt hatte. Ein unschuldiger, starker Himmel. Sie wurde zu einem Himmel, der sich rot färbte um mit dem klar zu kommen, was Rojo getan hatte. Begriff Tomás, das er, mit seinem handeln, Naia nur weiter vom diesem blauen Himmel wegführte, der einen von Freiheit träumen ließ? Er wollte ihr etwas sagen, um sie zu trösten. Doch er wusste, sie würde ihr Schweigen dann nicht brechen. Sie wollte reden und er musste nun warten. Warten bis sie den Mut fand zu sagen, was sie so sehr quälte. Die wahren Worte und ihren Schmerz. Im Grunde ahnte er es schon. Vermutlich brauchte es ihre Worte nicht mehr. Er kannte diese Welt, doch er wollte Gewissheit und er wollte das sie es sich von der Seele redete. Wieder tropfte eine Träne von ihrer Nase und Arran fragte sich, ob sie nicht bald keine Träne mehr haben konnte. Sie weinte so viel und er hasste sich dafür. Er wollte sie strahlen sehen. Nicht einmal sie konnte in dieser Situation mehr ein Lächeln aufsetzen und etwas gutes finden. „Ich dachte, ich verstehe es, wenn ich an deiner Seite bleibe." Brach sie weiter ihr Schweigen und Arran blickte traurig drein. Man verstand es nicht, wenn man nur zusah. Man verstand es erst, wenn es passiert war. Wenn man die erste falsche Entscheidung traf und jemand wurde, der man niemals werden wollte. „Ich konnte den Selbsthass in dir sehen. Aber ich wusste nicht, was das mit einem macht. Wie sehr es einen quält. Ich wusste man sieht die Bilder bis in seine Träume, doch ich habe es unterschätzt." Diese eine Träne war irgendwo in ihrer Kleidung versunken, doch diesmal folgte keine zweite. Sie kippte den Kopf und sah endlich zu ihm. „Ich habe ihn verraten, nur um zu beschützen was mir wichtig ist. Er.. er hat um Vergebung gebettelt. Hätte ich gelogen, er wäre noch am Leben. Aber er lebt nicht mehr. Sie haben ihn aus Rache erschossen. Direkt vor mir. In dem einen Moment... Da bettelte er um sein Leben und dann ist überall Blut und er für immer verstummt." Sie stockte kurz und ihr Blick war so fern und leer. Sie hatte noch nicht alles gesagt. Wer, wenn nicht Arran, wusste das. „Dort waren so viele. Tomás sagte, entweder ich entlarve den Verräter in der Gruppe, oder du verlierst ein Körperteil. Er würde mir so viele Chancen geben wie du Glieder hast." Für einen Moment sah er tatsächlich auf seine Finger. Hatte ihn Juan deswegen beschützt? Weil Tomás sonst sein Druckmittel verlor? Es bewies noch etwas anderes. Tomás war wirklich paranoid. Er vertraute Naias Worten keine Sekunde. Er hatte gewusst wer der Spitzel war. Alles was er getan hatte, war Naia zu testen. „Naia. Er wusste es. Er wusste wer es war. Deine Worte haben nichts geändert." Arran versuchte sie mit diesem Wissen zu trösten, doch er wusste es tröstete nicht. Er kannte die Wahrheit. Nichts würde einen trösten. Man hatte den Tod eines anderen Menschen in Kauf genommen um einen Anderen zu retten. Nicht einmal Drogen konnten einem diese Gewissheit jemals nehmen. Alles was sie konnten, waren dafür zu sorgen, das man es für ein paar Stunden vergaß. „Doch das haben sie." Sagte Naia plötzlich mit Nachdruck. Ihr ferner Blick klarte auf. „Sie beweisen, das ich die selben Entscheidungen wie Rojo treffen würde. Wie du Arran. Um dich zu schützen, gehe ich über Leichen. Nichts an mir gleicht einem Himmel." Jeder Mensch träumt davon perfekt zu sein. Jeder Mensch glaubt das man weiß, was moralisch richtig ist und man würde in jeder Situation die Moral wählen. Doch es war eine Lüge. Nur die wenigsten waren bereit für die Moral alles aufzugeben das ihnen wichtig war. Realität war, die meisten würden ihren Arsch retten oder diejenigen, die einem etwas bedeuteten. Es war das eine, zu ahnen, das man egoistisch handeln würde. Es war ein anderes, es tatsächlich getan zu haben. Dieses Wissen und die Taten, die damit zusammen hingen konnten einen zerstören. Sie konnten einen im tiefsten Inneren erschüttern und dort gab es wieder zwei Arten von Menschen. Jene, die es akzeptierten oder gar zu genießen lernten und jene, die völlig daran zerbrachen und oftmals nur einen Ausweg kannten um sich von dieser Schuld zu läutern. Eine Angst erfüllte Arran. Was wenn Naia daran zerbrach? Was wenn er sie deswegen verlor? Hier rettete nur um sie dann doch zu verlieren. Er schluckte allein bei dieser Vorstellung. Er überlegte, wie er all das aus ihrem Kopf brachte. Er fand keine Worte. Er hatte es so oft versucht. Es war wie die Entscheidung, ob man der Mafia beitrat. Man konnte reden, wie man wollte. War die Entscheidung getroffen, half selbst das beste Argument nichts mehr. „Nana. Deine Mutter. Auch sie müssen diese Schuld gefühlt haben." Sagte Naia plötzlich und schluckte. Schloss die Augen, als sie daran dachte. „Sie Beide wurden durch einen Anschlag einem Teil ihrer Familie beraubt. Doch alles an das sie dachten, war die Kinder zu retten. Sie ließen alles stehn und liegen dafür." Arran dachte über Naias Worte nach. Hatte seine Mutter Schuld empfunden? Dafür, seinen Vater einfach zurückgelassen zu haben. Hatte sie ihn je beerdigt? Arran wenigstens, konnte sich an keinen Beerdigung erinnern. Sie hatten die Polizei getroffen und dort war diese Liege gewesen und dann, gingen sie fort. Summer hatte nur das nötigste eingepackt und war verschwunden. „Summer und Nana. Sie beide waren unglaublich willensstarke Frauen." Erkannte Arran. Etwas, das er schon immer gewusst hatte. Wie hätte seine Mutter in dieser Situation reagiert? Er wusste die Antwort und in diesem Moment schwor er sich. Würde er noch ein einziges Mal die Chance bekommen. Er würde Naia schnappen und von immer von hier verschwinden. Alles stehen und liegen lassen, Hauptsache, sie fanden Sicherheit und dann.. dann würde er mit der selben Stärke leben, die auch seine Mutter bewiesen hatte. „Und ich glaube, sie hätten die selbe Entscheidung getroffen, wie ich." Brachte Naia endlich hervor. Wieder schloss sie die Augen. Wirkte in ihre Gedanken versunken. „Ich wollte zu Rojos Cielo werden und ich werde zu Rojos Cielo." Sie schüttelte den Kopf, als wollte sie sich sammeln, dann öffnete sie ihre Augen und sah ihn direkt an. Direkt in Arrans Augen und die Stärke in ihrem Blick beruhigte ihn. „Weißt du was ihn ausmacht? Rojo meine ich." Rojo? Was sollte ihn ausmachen? Er war eisern und kaltblütig. Naia ersparte Arran diese Antwort. „Rojo hat die falschen Entscheidungen getroffen und viel schlimmes verbrochen. Du hast viel schlimmes verbrochen Arran. Aber du hast niemals aufgegeben und das werde ich auch nicht. Wenn Rojos Cielo zu sein nicht nur bedeutet Rojo zu verstehen sondern wie Rojo zu werden. Dann werde ich das. Ich habe immer an all das Leid denken müssen, das du hinterließt, aber jetzt weiß ich, mit welcher Stärke du das durchgestanden hast. Nicht weil du es mochtest, sondern weil Rojo seine Familie liebt. Weil du mich liebst." Für einen Moment sah er sie buff an, dann schüttelte er den Kopf. „Ich hätte tun sollen, was Jacob sagte." Brach er sein Schweigen. „Ich hätte warten sollen bis wir ein Stipendium bekommen und mit dir verschwinden." Doch ihr Blick löste sich nicht von ihm. „Und ich hätte dein Leid nicht in Kauf nehmen sollen. Ich hätte gehen sollen, damit nichts mehr in Milestone ist, das du beschützen willst. Dann hättest auch du gehen können." Er hob die Hand und fuhr sich durch sein Haar, ehe auch er sich gegen die Wand lehnte und die gegenüberliegende Wand anblickte. „Werewolf und Cielo. Scheint, als fühlen wir uns Beide diesem Bild schon lange nicht mehr würdig." Erkannte Arran langsam. Fast schon amüsiert von der eigenen Ironie dieses Momentes. „Aber wir sollten es dennoch nie aufgeben. Vielleicht, können wir irgendwann genau das wieder sein." Das wieder sein? Es klang zu schön um wahr zu sein. Arran wusste nur eines. Wenn er die Chance erhielt, er würde mit Naia gehen und wie Summer das Leben genießen, das sie dann geschenkt bekommen hätten. „Ich bin egoistisch Naia. Auch wenn du dich nicht so siehst. Auch wenn du Rojos Cielo bist. Für mich, wirst du immer mi cielo rojo sein. Mein roter Himmel." „Arran-" Fing Naia an, doch das Scheppern der Tür unterbrach, was sie sagen wollte.

Sein roter Himmel - Su Cielo RojoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt