Kapitel 45

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Er hatte jedes ihrer Worte gehört, doch er blieb ihr jeder Antwort schuldig. Saß einfach stumm da und trank den Frühstückskaffee. Sie versuchte nichtmal das Gespräch wieder aufzunehmen. Trank genauso stumm ihre gesüßte, braune Milch. Er war völlig in seine Gedanken versunken. Überlegte fieberhaft, wie er sie von Rojo fern halten konnte. Er dachte über alles nach, doch nichts davon war eine Option. Er konnte sie nicht zwingen bis an ihr Lebensende in diesem Zimmer zu bleiben. Kein Mensch überlebte soetwas lang. Einsamkeit folterte einen genauso, wie es Schmerzen taten. Arran wusste das nur zu gut. Von seiner ‚Arbeit' und von sich selbst. Vorsichtig hob er den Blick und beobachtete sie. Er wusste das sie seinen Blick spürte. Sie tat es immer. Selbst durch die größte Menschenmenge hatte sie zu ihm geblickt. Jetzt wusste er warum. Sie hatte auf den Blick gewartet. Sie hatte gehofft, das er zu ihr schaute und sie hatte es gespürt wenn es wirklich passierte. Doch diesmal sah sie nicht auf. Beschmierte einfach ein Brötchen mit Nuss-Nougat-Creme, als gäbe es ihn gar nicht. Er wusste warum. Sie wusste das er mit sich rang und sie wartete, bis er zu dem einzigen Schluss kam, der Sinn ergab. Er musste sie an seinem Leben teilhaben lassen, oder sie würde hier drin zerbrechen. Auch das konnte sie zerbrechen. Wenn sie nur noch mehr Angst vor Rojo bekam. Doch in jedem Zweifel war dort eine Stimme, die ihn an ihre Stärke erinnerte. Sie hatte gesehen, wie er jemanden angeschossen hatte, trotzdem sprach sie wie selbstverständlich davon, das sie ihn irgendwann wieder Werewolf nennen wollte. Langsam öffnete sich sein Mund und sie löste ihren Blick endlich von dem Brötchen. Sah zu ihm auf. Blaue Augen empfingen ihn und schenkten ihm eine Gewissheit. Sie wusste zu welchem Ergebnis er gekommen war. „Naia." Fing er an. Er suchte nach den richtigen Worten und er hatte sie gerade gefunden, als es an der Tür klopfte. „Rojoooo." Trällerte eine nervtötende Stimme und Arran konnte nur mit Mühe ein Augenrollen unterdrücken. Dieser Kerl konnte ihm sowas von gestohlen bleiben, da klopfte es ein zweites Mal an der Tür. „Ich weiß das du hier bist Rojo. Mach auf, das Zeug ist schwer." Brummte ihm Brooks Stimme entgegen. Schwer? Arran wollte auch das ignorieren, doch da ließ Naia einfach das Brötchen fallen und stand auf. „Naia warte! Deine Klamotten!" Auch er sprang auf, doch da war sie schon halb an der Tür. Nur kurz hatte er ihr Gesicht gesehen. Es war das selbe als sie mit zittrigen Schritten das Zimmer verlassen wollte. Sie fürchtete sich vor dem Kerl, doch sie hatte sich entschieden. Sie wollte sich dem stellen. Warum nur hatte sie diese Entscheidung getroffen? Warum wollte sie sich ändern? Er wollte nicht, das sie so abstumpfte, wie die anderen Frauen, die man hier so traf. Es war zu spät. Überraschend flink hatte sie die Tür erreicht und zog sie einfach auf. „Hallo!" Brook hatte kurz breit gegrinst, aber die entschiedene Reaktion überrumpelte ihn kurz. Er blickte Naia verdutzt an und sie nutzte diese Chance. „Wir kennen uns nicht. Ich bin Naia. Freut mich." Arran war mittlerweile um den Tisch herum gelaufen und sah wie Brook mit einer Kiste in Händen dastand. Hinter ihm sah Arran noch weitere Schatten. „Freut dich?" Fragte Brook überrascht. Seine Augen glitten an Naias Körper entlang. Musterten das große Shirt und die lockere Hose. Ein Grinsen formte sich auf seinen Lippen. Arran hatte mittlerweile zu Naia aufgeschlossen. Er sah wie ihre Augen kurz an ihr hinabglitten. Sie hatte es vergessen. Ihre Wangen färbten sich rot. Sie sah aus, als hätten sie eine sehr intensive Nacht gehabt. Deutlich körperlicher. Bevor sie anfing sich irgendwie zu verteidigen, streckte Arran den Arm aus und drückte ihn zwischen Naia und Brook an den Türrahmen. Sein Blick wurde eisig. „Sagte ich nicht, du sollst dich von ihr fernhalten?" Naia verstummte. Arran sah, wie sie die Hand ballte. Die Härte in seiner Stimme traf sie noch immer, doch er konnte vor Brook nicht auf Arran machen. Nun sah sie ihn doch wieder. Sollte sie das wirklich glücklich machen? Wie konnte er verhindern, das sie ihn so sehen musste? Brooks verächtliches Lachen erklang. „Da trag ich dir extra das scheiß schwere Zeug hier rauf." Brook. Arran konnte weder dessen grau gefärbten Haare, noch die schwarzen Augenbrauen und die brauen Haut an dem Kerl ausstehen. Der Kerl wusste, das er gut aussah. Doch sein schönes Gesicht verbarg nur seinen völlig geisteskranken Charakter. Naia hatte Arran gefragt, ob er genoss was er für seine Familie getan hatte. Er genoss es nicht, doch Brook genoss es aufs Vollste. Er war süchtig nach der Gewalt und der Macht, die er glaubte zu haben. „Ich bin übrigens Brook." Sagte der Grauhaarige zuckersüß, da wurde Arrans Blick noch drohender. „Was willst du hier?" „Entspann dich. Noch will ich gar nichts. Erst recht nicht, wenn hier Rojos Cielo steht und ihr Bodyguard mich böse anblickt. Ihre Sachen. Ich mache nur ungern deine Drecksarbeit, aber Blanco bestand darauf. Mach dich mal nützlich." Brook trat vor und drückte Arran einfach die Kiste in die Hand. „Da ist übrigens noch mehr." Arran ignorierte seinen Widersacher einfach und sah zu der jungen Frau. „Naia." Sie nickte sofort und wich zurück. „Ich hab deine Kiste. Verpiss dich. Ich hol den Rest selbst." Brooks Augen gierten ein letztes Mal in den Raum und es war Arran, der ihm in den Weg trat. Naia hinter sich versteckte. Arran hatte es bereits öffentlich gemacht. Das ersparte ihm jetzt jeden Gedanken was alle denken würden. Sie dachten das richtige. Komm ihr zu nah und ich reiß dir genüsslich jede Rippe einzeln aus dem Körper. Brook schien abzuwiegen, ob er Rojo weiter provozieren sollte. Ob er sich Naia annähern sollte. Er entschied sich wohl für einen Mittelweg. „Es war mir eine Freude Naia. Ich hoffe wir sehen uns bald wieder." Er grinste zufrieden, als Arrans Hand den Karton so fest umschlang, als wollte er diesen mit roher Gewalt zerdrücken. Dann hörte er Worte, die ihn völlig kalt erwischten. „Danke ich verzichte." Sagte Naia überraschend hinter Arran. Er sah sogar über die Schulter. Ihre Hand war noch immer fest geballt und dort lag Angst in ihren Augen. Doch dort lag auch wieder dieser Wille. Sie nahm all ihren Mut zusammen, trat vor und zog einfach die Tür zu. Sie konnten Brooks Lachen auf dem Gang hören. „Sie gefällt mir Rojo. Sie gefällt mir sogar sehr." Trällerte Brook immer leiser werdend. Scheinbar verschwand er tatsächlich. Erst als seine Schritte verhallten, sank Naia auf die Knie. Die Anspannung war von ihr abgefallen. Fahrig stellte Arran die dämliche Kiste irgendwo ab, ehe er zu ihr kam und ebenfalls auf ein Knie sank. „Naia. Gehts? Du musst dich von ihm fernhalten!" Sagte er überzeugt. Sie sah nicht auf. Schaffte sie es nicht ihm in die Augen zu blicken, weil sie nicht wollte das er ihre Angst vor ihm sah? Doch sie nickte. „Nana sagt immer das man nichts schlechtes über Menschen sagen soll. Aber dieser Brook." Sie schüttelte ungläubig den Kopf. Hatte sie auch in Brook Dinge gesehen, wie sie immer in Arran las? „Er ist ein Monster." Brachte sie endlich hervor. Sie atmete einmal tief durch, dann sah sie mutig zu Arran auf. Dort war noch immer Angst, doch sie wirkte entschlossen, ehe sie schwach lächelte. „Rojo ist anders. Rojo ist nicht wie er." Für einen Moment war er überrascht, dann brach sein harter Blick und wurde sanfter. Er lächelte sogar kurz. „Das solltest du ihm aber lieber nicht sagen." Er hob eine Hand und patete ihren Kopf. Sie nickte. „Mach ich nicht." Sie tauschten kurz einen Blick des Verständnisses, ehe Naias Kopf sich neugierig drehte. „Sind das meine Sachen?" Für einen Moment blickte sie traurig drein, doch dann schien sie diese Traurigkeit von sich wegzuschieben. Manchmal war verdrängen die beste Option, die man hatte. Diesmal konnte sogar Arran ihre Gedanken lesen. Dort schwebte die Frage im Raum, wie sie an diese Sachen gekommen waren und Arran konnte nur hoffen, das Brook nur seinen Job gemacht hatte. Ohne irgendwen in der Nähe anzugehen. Naia stand auf und lief zu der Kiste. Der Deckel hing nur lose drauf und so musste sie ihn nur kurz ergreifen, ehe sie auf Bilder hinabblickte. Auch Arran war zu ihr gekommen. Dort war der Rosenkranz und die Mariastatue. Nana hatte sie geliebt. Naias Hände griffen vor und zogen ein eingerahmtes Bild heraus. Die 15 jährigen Naia und Arran blickten ihnen entgegen. Umrandet von ihren alten Freunden. Arran ertrug das Bild nicht. Sofort richtete er sich auf und zog sein Handy hervor. „Ich geh deine Sachen holen." Er war fast erleichtert, als er den Gang betrat und die Tür hinter sich schloss. Er wusste das sie das alles für Arran ertrug. Aber nicht für den Rojo Arran, sondern für diesen 15 jährigen Jungen. Er hatte mit diesem Jungen fast nichts mehr gemein außer das ihm Naia wichtig war. Irgendwann, würde auch ihr das klar sein und sie würde sich fragen, für was sie all das hier eigentlich durchmachte. Doch er war nicht länger in diesem Zimmer in dem es Arran noch gab. Er war auf dem Gang und damit Rojo. Sein Blick wurde seltsam leer, als er Ricos Nummer wählte. „Kommt in die Tiefgarage. Wir müssen ein paar Kisten hochtragen." „Bin in 5 Minuten da." Mehr sagte Arran schon gar nicht mehr, da legte er einfach auf und lief los.


Sein roter Himmel - Su Cielo RojoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt