Kapitel 73

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Als Arran und Naia aus dem Raum liefen, war von Juan nichts zu sehen. Dafür lehnte Ethan neben einer Tür. Die Arme verschränkt. Er sah auf, als er Arran und Naia bemerkte und deutete mit seinem Kopf auf die Tür neben sich. Erst dann löste er sich von seinem Platz und lief selbst in den Raum hinein. Naia und Arran tauschten einen letzten Blick, ehe sie dem Kahlkopf folgten. Als sie den Raum betraten, waren dort die üblichen Verdächtigen um den Schreibtisch versammelt auf dem ein großer Stadtplan lag. Juan war hinter dem Schreibtisch. Die Arme rechts und links neben den Plan abgestützt, sah er auf die Karte hinab. Die Stirn in Falten gelegt. Auch Rascal war bei ihnen, doch er hob nicht den Blick. Sein Gesicht wirkte wie leer gefegt. Scheinbar war er entschlossen seine Gefühle einfach zu unterdrücken. Arran war der Letzte, der Rascal dabei stören würde. „Kommt rein." Brachte Juan hervor, ohne aufzublicken. „Also. Was gibt es?" Fragte Arran selbstsicher. Früher hatte er sich den Starken und Höherrangigen immer unterworfen, doch mit jedem Tag gewann er mehr Selbstvertrauen. „Es scheint wirklich etwas vor sich zu gehen." Sagte Juan und sah endlich auf und zu Arran herüber. Dieser hatte mittlerweile den Schreibtisch mit dem Plan erreicht und sah ebenfalls hinab. Er fragte sich ein wenig was es da zu sehen gab. Alles was er sah, waren im ersten Moment irgendwelche Rechtecke, doch als er die Orte genauer betrachtete, markierten sie neben dem Hotel auch den Ort von Tomás Versteck. Einige von Lirios kleineren Standorten, sicher dank Rascal, Rio und Leo. Dazu noch zwei weitere Orte. Sie lagen beide in Wohngebieten. Scheinbar erkannte Juan, was Arran dort beobachtete. „Marco und Tomás alte Wohnungen." Dabei deutete er auf sie. „Beide Gebäude sind in Tomás Besitz. Ich habe sie der vollständigkeitshalber markiert. Man weiß nie." „Und die Nadeln?" Fragte Arran mit Blick auf den restlichen Plan. Er war regelrecht von Nadeln überhäuft. „Zusammentreffen oder Sichtungen von Mortes und Lirio in den letzten Stunden. Ich habe alle Informationen zusammengetragen, die uns zur Verfügung standen. Wir hören den Polizeifunk ab, Rascal war so nett uns auch ein paar Informationen zu übermitteln, die das Militär besitzt. Dazu habe ich noch Männer, die bei Mortes geblieben sind und einen kleinen Trupp habe ich in die Nähe des Hotels geschickt. Sie beobachten es. Nur für den Fall, das wir den Angriff verpassen." Arran sah auf den Plan, als sah er endlich was Juan dort sah. Weiße Nadelköpfe mussten für Lirio stehen, schwarze für Mortes. Auffällig war, das sie sich größtenteils voneinander fern hielten, den es gab sehr wenige rote Nadeln. Vermutlich die Orte, an denen sie zusammentrafen. „Blanco würde das Hotel nicht überirdisch angreifen." Verkündete Arran endlich, nachdem er sich sortiert hat. Auch war er beeindruckt was Juan alles vorbereitet hatte, während Arran nicht mehr als geschlafen hatte. Auf die eine oder andere Weise. Juan nickte auf Arrans Worte, als hätte er es längst gewusst. „Es gibt also geheime Wege hinein?" Juans schwarze Augen musterten Arran genau, während Arran auf die Linie der Kanalisation zeigte. „Ganz klassisch über die Kanalisation. Wenn sie das Hotel angreifen, dann von dort. Der Zugang ist von beiden Seiten gut getarnt. Es wäre ein Wunder, wenn Muro und damit Mortes den Geheimgang gefunden hätten." Juan nickte. „Können wir den Zugang beobachten?" Sofort schüttelte Arran den Kopf. „Der Bereich wird videoüberwacht und das nicht vom Hotelinneren. Man würde uns bemerken." Nachdenklich blickte Juan zu Ethan herüber. „Sag den Spähern Bescheid. Sie sollen auf verdächtigte Geräusche achten und sich von der Kanalisation fernhalten." Ethan stand sofort auf und verschwand. Noch im hinausgehen, zog er sein Telefon aus der Tasche. Dann flog die Tür hinter ihm zu. „Was siehst du noch?" Fragte Juan an Arran gerichtet. Wieder sah Arran auf den Plan. „Blanco achtet darauf seinen Standort nicht preiszugeben. Ich vermute ihn in der Nähe des Hafens. Hier. Dort wird er sehr wahrscheinlich sein. Es ist der größte Standort. Die Männer, die man überall sieht. Ich glaube er behält die Umgebung im Auge." Juan sah hinab, dann nickte er. „Das dachte ich mir schon. Tomás tut das selbe. Sie weichen den Kämpfen aus. Ich denke die wenigen Zusammenstoße waren ungewollt. So wie ich das sehe, achtet Blanco sogar darauf das nicht auffällt, das er Tomás Versteck kennt. Er lässt es nicht gesondert überwachen." „Nur weil man keinen Lirio dort sieht, heißt es nicht, das er es nicht im Auge behält." „Sie halten also beide die Füße still und warten auf den Angriff des anderen." Überlegte Juan laut und blickte auf. „Vielleicht können sie das Hotel unbemerkt angreifen, aber spätestens wenn Lirio sich auf den Weg zu Tomás macht, wissen wir das es los geht." Juan hob die Hand und strich in Gedanken versunken über seinen Oberlippenbart. „Ich kann mir nicht vorstellen, das Blanco das zeigt. Er wird sich solange verhüllen wie er kann. Die Frage ist also, wie bewegt er unauffällig all seine Männer in die Nähe von Tomás Versteck und-" „-wo wird Blanco sein." Vollendete Arran den Gedanken. Nun richtete Juan sich zu seiner vollen Größe auf und löste seine Hände vom Tisch. Trat wie sie oft schon zum Fenster herüber und alle Blicke folgten ihm. „Außerdem glaube ich, das wir etwas übersehen haben. Tomás und Blanco wollen beide die Herrschaft über die Stadt. Sie werden so viele Überläufer haben wollen, wie sie kriegen und nur den Rest ausschalten." „Sie werden also Capture the flag spielen?" Alle Blicke sahen überrascht zu Rico. „Sorry ich meine, sie werden ihrerseits versuchen nur den Anführer auszuschalten." Juan nickte und deutete mit der Hand in Ricos Richtung. „Genau das denke ich. Wenn das stimmt, hat Lirio einen Vorteil. Ihr Versteck ist noch Geheim. Azul wird viele davon kennen, doch in welchem Blanco ist, ist auch Azul nicht bekannt. Arran, was denkst du? Wird Blanco ebenfalls zu Tomás gehen?" Nun waren es Arrans Augen, die aus dem Fenster glitten. Die Bäume betrachtet, die sie vor Milestone abschirmten. Was dachte er? Würde Blanco wirklich so ein Risiko eingehen, allerdings.. „Muss er das Risiko nicht eingehen? Vor aller Augen seine Macht beweisen." Steuerte Naia bei und vollendete damit Arrans eigene Gedanken. Doch so sehr Arran an diese Worte glauben wollte, so sehr schüttelte er den Kopf. „Er würde sich niemals selbst in Gefahr bringen und sich an einem Überfall beteiligen. Ist das nur mein Gefühl, oder glaubt ihr auch, das hier etwas nicht stimmt? Wenn Blanco weiß wer sein Gegner ist und die Beiden noch eine offene Rechnung haben. Wenn sie Beide nicht viele Männer verlieren wollen. Dann ist das Hotel zu gewinnen nur ein Machtbeweis und den anderen irgendwie los werden, ihr primäres Ziel." Arran hatte sich von seinem Platz gelöst, war nachdenklich den Raum auf und ab gelaufen, als würde ihm das beim Denken helfen. Es war wieder Naia, die dem etwas hinzuzufügen hatte. „Was ist, wenn sie sich wie Moriarty und Sherlock Holmes verhalten? Sie erinnern mich an die Beiden. Sie beide sind von sich überzeugt. Sie beide halten sich für besser als der Rest und sie beide würden die Genugtuung wollen, den anderen höchst persönlich auszuschalten." „Das würde nur Sinn machen, wenn Tomás weiß wann und wo Blanco angreift." Stille setzte ein, als sie alle erkannten, das sie sich im Kreis drehten. Das sie nicht wussten, wie die Beiden reagieren würden. Sie hatten nicht genug Informationen. „Wir sind uns einig, das sie sich irgendwie ausschalten wollen. Wir haben Variante eins. Brooks Informationen stimmen und Blanco möchte Tomás vor all seinen Männern angreifen. Variante zwei, Tomás ist überzeugt Blanco am Hotel herauszulocken und wird dort sein. Variante drei, und an das glaube ich am wenigsten, Tomás greift Blancos Versteck an." „Und Variante vier. Sie treffen sich auf neutralem Gebiet." Wieder legten sich die Augen auf Naia. „Wie sollten sie das kommunizieren? Sie können sich wohl kaum anrufen." Wieder entstand schweigen, als Naia nicht wusste, wie sie ihre Eingebung erklären sollte. Arran vertraute ihren Worten, doch selbst sie konnte sich täuschen und ihr fehlte für diese Aktion eindeutig Wissen, das nur die anderen hatten. Wie und wo die Mafia agierte. „Dann haben wir keine Wahl." Schlussfolgerte Juan und stellte sich demonstrativ in die Mitte des Raumes. „Wir müssen uns aufteilen. Ich halte es für wahrscheinlich das wir sie entweder in Tomás Versteck oder am Hotel finden werden. Da ich und meine Männer das Versteck kennen und ihr, Rojo, das Hotel, sollten wir uns auch genau so aufteilen. Ein Teil meiner Männer wird dich begleiten." Aufteilen. Arran gefiel die Idee nicht. Sie waren sowieso schon wenige und nun mussten sie das auch noch auf zwei mögliche Orte verteilen. Aber sie hatten keine Wahl. Sie wussten zu wenig um einzuschätzen, wo genau die beiden Anführer sich zeigen würden. „Einverstanden." Sagte Arran endlich. Doch sein Blick blieb ernst. „Es gibt noch etwas anderes. Jemand muss hier bleiben und auf Naia aufpassen. Sich bereit halten und sie zu einem Treffpunkt mit mir begleiten." Sein Blick glitt zu Rico herüber. „Ich mach das." Und stoppte dort verwirrt. Dann drehte er den Kopf zurück. Erkannte das Ethan zurück war und wieder mit verschränkten Armen neben der Tür lehnte. Ohne jeden Zweifel hatte der Kahlkopf gesprochen. Arran reagiere bevor er nachdachte. Er schnaubte verächtlich. „Du bist der Letzte, dem ich Naia überlasse." Naia trat vor, doch Arran hob die Hand und zeigte ihr an still zu sein. „Du willst also einen deiner Männer hier lassen, nur um sie in Sicherheit zu wissen? Damit würden nur noch drei Leute das Hotel kennen. Wenn ihr fallt und die Anführer sind dort. Wir dürfen diese Chance nicht versauen." Widersprach Ethan mit Nachdruck, doch Arran hatte nicht vor von seiner Entscheidung zurückzuweichen. „Das mag sein, aber du wirst nicht auf sie acht geben." Arran löste sich von seinem Platz und trat näher an Ethan heran. Dort war wieder sein Verlangen dem Kahlkopf mit dem tätowierten Kreuz eine zu verpassen. Ihm eine Kugel durch den Körper zu jagen. Für alles. Für den Tod seiner Mutter. „Ich möchte meine Schuld begleichen." Sagte Ethan ruhig, versöhnlich. Seine verschränkten Hände lösten sich und auch er trat näher an Arran heran, nur das er fast traurig dreinblickte. „Ich kann nicht gut machen, was ich alles falsch gemacht hab in meinem Leben, aber bitte gib mir die Chance wenigstens jetzt das richtige zu tun. Ich wusste es, als ich von Rojo hörte. Man vergisst niemals seinen ersten Mord. Ich erinnere mich daran, wie sich der Schuss löste und wie jemand um sie weinte und wie ich, feige wie ich war, einfach wegrannte. Es sollte nichtmal passieren. Ich wollte einfach nur meine Muskeln spielen lassen. Es war ein Unfall, aber trotzdem meine Schuld. Ich möchte es wieder gut machen. Wenigstens ein Stück weit." Arran war noch immer geblendet von seinem Hass auf diesen Kerl. Seine Worte klangen versöhnlich, doch diese Ehrlichkeit kam bei Arran nicht an. Wieder schaltete sein Gehirn auf Rache. Wieder trat er vor und griff hinter sich um seine Waffe zu ziehen, als eine Hand ihn berührte. Sofort dachte er an den Moment, als Naia ihm in den Weg gesprungen war um Ethan zu beschützen und sofort hatte er Angst, das sie es wieder tat. Seine Hand stoppte. Seine ganze Aktion stoppte und er sah zurück. Und tatsächlich. Naia berührte seine Hand und sah lächelnd zu ihm hinauf. „Vergib ihm Rojo. Vergib ihm und lass es ihn tun. Es wird euch beide ein Stück weit befreien." Arran starrte zu Naia zurück, während sein Gehirn versuchte wieder logisch zu denken. Im Hintergrund hörte er Juan. „Ethan hat Recht. Du brauchst deine Männer am Hotel. Ethan ist ein guter Mann." Ein guter Mann. Der Mörder seiner Mutter sollte ein guter Mann sein? Auch er hatte hier viele Leute, die ihn verachteten, doch in diesem Moment konnte er das nicht sehen. In diesem Moment war er Blind. „Nein." War alles was er sagte, als er seine Hand von Naia zurückzog, als wäre sie Gift. Es tat ihm leid, doch er ertrug ihren Blick und ihre Bitte nicht. Er ertrug nichts von alle dem hier. „Wir haben einen Plan." Sagte Arran endlich, als er sich einfach abwandte. Er musterte Ethan ein letztes Mal mit bösen Blick, dann stieß er ihn einfach mit der Schulter bei seinem Weg aus dem Raum heraus. Schon während er ging, wusste er, das er überreagierte. Doch er konnte nicht länger bei Ethan und der Vorstellung bleiben, das dieser Kerl auf Naia acht gab. Er musste fort von dort, bis er wieder klar denken konnte.

Sein roter Himmel - Su Cielo RojoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt