Kapitel 50.1

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Sie besprachen noch fast 30 Minuten, wie es laufen sollte, ehe Arran sie alle entließ damit sie sich für heute Abend ausruhen konnten. Auch er lehnte sich müde in seinem Stuhl zurück und schloss kurz die Augen. Sollte er jemand anderes das Telefon überlassen? Er war müde. Er könnte eine Pause gut gebrauchen. „Ich mag Sky und Sleeper nicht." Sagte plötzlich die Stimme einer Person, die er tatsächlich kurz vergessen hatte. Schlagartig richtete er sich wieder auf und blickte hinter sich. Naia hatte noch immer ihr Handy in der Hand auf dem sie ein Spiel spielte. Doch jetzt sah sie zu ihm statt auf den Display. Er atmete erleichtert aus. „Du magst sie nicht?" Fragte er überrascht. „Ja ich mag sie nicht. Sie wirken wie Angsthasen." Er lächelte kurz, überrascht, wie sie es zu verpacken versuchte. „So und was ist mit den anderen?" Er drehte seinen Stuhl um, um sie nicht immer über die Schulter anblicken zu müssen. „Rascal mag ich. Der ist niedlich." Sie zwinkerte kurz und seine Augenbrauen wanderten nach oben, als er sie mit einer Mischung aus Unglauben und Eifersucht bedachte. „Niedlich? Das hört er sicher gern. Ein niedlicher Gangster." „Ich mein sein Aussehen. Er ist wirklich hübsch." Der Satz machte es nicht besser. „Soll ich dir seine Nummer geben?" Selbst er hörte wie seine Stimme von etwas säuerlichen erfüllt war. Er bereute es sofort. „Rascals Cielo. Klingt doch gut." Neckte sie ihn und seine Augenbrauen zuckten bereits genervt. Er hatte das Bedürfnis Rascal noch einmal zu rufen, nur um ihm eine zu verpassen. „Mach was du willst." Brummte er und wandte sich einfach wieder seinem Schreibtisch zu. Er wusste, das sie ihm nur etwas sagen wollte, ohne das es auffiel. Immerhin beobachtete Blanco sie. Und er wusste das sie tapfer versuchte, so zu tun, als schockierten sie all die Dinge nicht, die er entschied und in Auftrag gab. „Arran." Sie wollte noch etwas sagen, da klopfte es wieder. „Boss." Leo. Arran seufzte und nickte, obwohl Leo es nicht sehen konnte. „Ja was ist?" Er schob die Gefühle in sich einfach wieder fort und sah zu wie Leo eintrat. „Ich hab die Unterlagen." Arran sah ihn nachdenklich an. Hatte er etwas in Auftrag gegeben? Dann wurden seine Augen groß. Ja das hatte er. „Ich habs gerade erst bekommen." Erklärte sich Leo. Er trat näher und reichte die Unterlagen Arran. Dieser nahm sie an sich und was er fand, waren Zeitungsartikel. Alte. „Ich hab mich ein wenig umgehört. Las Floras. Du wolltest wissen was es mit ihnen auf sich hat. Sie waren vor über 20 Jahren die Gang, die Milestone beherrschte. Es war eine Organisation, die drei Anführer besaß und jeder hatte eine Splittergruppe unter sich. La Rosa, El Tulipán und -" „-El Lirio." Erkannte Arran ohne auch nur eine Zeile in den Zeitungen gelesen zu haben. Leo nickte und Arran faltete die Hände. Las Floras war also früher die führende Macht gewesen. Es war nicht schwer zu erraten was dann passierte. Immerhin hatte Nana es ihm erzählt. „El Lirio hat die anderen Beiden verraten und wurde dann alleiniger Herrscher?" Fragte Arran das Offensichtliche und Leo nickte wieder. „Ja. Die Anführer von La Rosa und El Tulipán wurden getötet. Die Gruppen zerfielen und zerstreuten sich in der Stadt. Viele schlossen sich einfach El Lirio an. Aber nicht alle." „Die anderen könnten Mitglieder von Los Mortes sein." Schlussfolgerte Arran weiter. Wenn sie Mitglieder waren, dann mussten viele von ihnen jetzt zwischen 40 und 60 sein. Also ungefähr in Blancos Alter. Der Mann im Anzug, der bei der Beerdigung erschienen war. War er nicht ungefähr in Blancos Alter gewesen? Es würde passen. Sehr sogar. Los Mortes. Die Toten. War das eine Anspielung? Sollte es Blanco sagen, das die Gefallen zurück waren und bereit, ihre alte Position zurückzuerobern? Es klang alles so schlüssig. Los Mortes wusste genau, wo sie angreifen mussten, um wichtige Handelsrouten zu stören. Sie kesselten Blanco im Stadtkern ein um ihn von seinem Geld, Drogen und Waffen abzutrennen. Für eine neue Gang, war das ein überaus geschicktes Verhalten. Eine Gang, die auf Rache aus war. Naias Onkel, dessen erscheinen Nana in den Tod getrieben hatte. Welche Rolle spielte er bei Los Mortes? War das eine Chance um Naia von hier zu befreien? Oder war es Rascal? Immerhin hatte Naia ihm gesagt, das sie Rascal für jemand gutes hielt. „Danke. Ruh dich jetzt aus. Wir müssen heute Abend fit sein." Beendete Arran das Gespräch, das mehr Fragen aufwarf als sie zu klären. Leo stand fast sofort auf. „Geht klar Boss, dann bis später." Er sah noch einmal auf. „Machs gut Naia." „Du auch Leo." Arran drehte den Kopf hin und her. Sah wie die Beiden einen Blick tauschten, den Arran nicht verstand. Dann wandte Leo sich ab und ging. Die Tür war kaum zu als Naia aufstand und zu Arran trat. „Arran." Er war halb in seine Gedanken und Zweifel vertieft. „Mh?" Er sah in ihre Augen hinauf. Er konnte Sorge darin sehen. „Du siehst müde aus." Eine Aussage, die ihn überraschte. Mit der er nicht gerechnet hatte. Es war ein Lächeln, das sich auf seine Lippen verirrte. „Ich bin einiges gewöhnt." Er war tatsächlich müde, aber das war er eigentlich immer. Er schob den Stuhl zurück und stand auf, nur um an ihr vorbei zum Fenster zu gehen. „Auch einen Entzug während eines gefährlichen Auftrages in der Nacht?" Es war eine Frage, die ihn tief traf. Seine Augen rissen auf und er wirbelte herum. Er sah die offene Sorge in ihren Augen. Ein Entzug. Er hasste sich, doch seine Augen glitten zu einer Schublade und als er zu Naia zurück blickte, wusste er das sie begriff was dort war. Das sie auch dorthin gesehen hatte. Dort wo scheinbar nichts war, als eine Kommode. Was sollte er sagen? Er nahm das Zeug nicht regelmäßig. Er war nicht süchtig. „Arran. Du bist süchtig." Sagte sie, als hätte sie seine Gedanken gelesen. „Kannst du dich heute Abend konzentrieren? Deine Hand zittert." Er sah hinab. Das war ihm auch schon aufgefallen. Er hatte sich mühe gegeben es zu verstecken. Er war nicht süchtig und doch war ihm klar, das er Dinge versteckte. Sein Schwitzen, das Zittern seiner Hände. Es war ein Süchtiger, der sich versuchte einzureden, das er alles unter Kontrolle hatte. Er hatte es nicht unter Kontrolle und Naia wusste es. Naia hatte recht. Mit dieser Hand könnte er verfehlen und sein Leben aushauchen und ihres gleich mit. Doch er wollte nicht. In diesem Moment wollte er nicht. Nicht solange sie hier war. Er wollte die richtige Entscheidung treffen. „Ich hab alles unter Kontrolle." Brachte er mürrisch heraus. Mürrisch ertappt worden zu sein. Wieder glitten seine Augen zu der Schublade. Wie ein verdammter Junkie hingen seine Augen daran und jetzt wurde ihm klar, das er das schon den ganzen Tag tat. Das er auch nachts in ihrem Zimmer an die Schublade und an das Zeug darin gedacht hatte. „Ich glaube es ist besser wenn ich jetzt gehe." Sagte Naia überraschend. Er löste endlich seinen Blick und sah zu ihr. Dort war noch immer Sorge in ihren Augen. Aber auch Entschlossenheit. Es war etwas, das ihn bitter lächeln ließ. „Es ist der falsche Moment dafür was?" Fragte er. Er ertrug ihren Blick nicht und sah fort. Anfangs hatte er es einfach vergessen. Die Sorge um Naia hatte es vergessen gemacht, doch seit gestern hatte er versucht es unter Kontrolle zu halten. Sie hatte es also gemerkt und sie wusste, er wollte es ihr nicht zeigen. Darum wollte sie gehen. Vermutlich, wollte sie es auch selbst nicht sehen. Nicht sehen, wie er es nahm, wie er darauf reagierte, bis das Hoch langsam abklang und er wieder normal war. Er brauchte es nicht mehr um sich gut zu fühlen, sondern um sich normal zu fühlen. Wo genau hatte er es eigentlich noch unter Kontrolle? Er wusste es selber nicht. Eine Stimme in seinem Inneren hauchte es ihm trotzdem noch immer zu und er hörte darauf. „Vielleicht solltest du wirklich gehen. Ich komme später zu dir, bevor es losgeht." Er schaffte es nichtmal mehr ihr in die Augen zu blicken. Er sah fort. Hinaus aus dem Fenster und doch sah er auf die Spiegelung darin. Sah ihr nicken. „Ok." Sie wusste wohl selbst nicht mehr was sie ihm sagen sollte. Als sie sich abwandte und den Raum verließ. Einfach ging ohne ein weiteres Wort zu sagen. Es ließ ihn mit einer eigenartigen Stille zurück. Eine mit Scham gefüllte Stille, die er ertrug, obwohl er sie nicht spüren wollte.


Sein roter Himmel - Su Cielo RojoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt