Kapitel 22

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Naia und Arran liefen eilig durch die Schulgänge. Es war kurz vor Schulbeginn und Arran blickte schon wieder griesgrämig drein. „Weil du morgens nie aus dem Bett kommst. Wann lernst du das eigentlich mal?" Fragte er mürrisch und Naia biss hastig von ihrem Toast ab. Sie wollte ihm schon mit vollem Mund antworten, doch er hielt ihr die Hand hin. „Schluck erst runter." So schluckte sie ihren nur angekauten Happen herunter und grinste schief. „Du musst nicht warten! Das hab ich dir schonmal gesagt." „Man frägt mich dann trotzdem immer wo du bist." Antwortete er gleichgültig, weil sie dieses Gespräch gefühlt jeden Morgen führen. Als einer der letzten betraten sie den Raum und sofort blieben sie stehen. Es war zu ruhig und das Schluchzen von Cassy war zu hören. Gestern noch hatte sie völlig unbeschwert gewirkt. Arran und Naia warfen sich einen Blick zu, ehe sie langsam näher traten. „Cassy?" Fragte Naia sanft und diese blickte auf. Sie hatte nichtmal versucht sich zu schminken. Ihre Augen waren rot und zugequollen. Es war so schlimm das Arran sich fragte, warum Cassy überhaupt zur Schule kam und nicht einfach krank machte. Er würde so sicher nicht zur Schule gehen, doch dann öffnete sich Cassys Mund und Arran bereute diesen Gedanken sofort. „Mein Vater.." Fing sie an, dann senkte sie den Blick und wischte ihre Tränen an einem durchnässten Tempo ab. Kiki hielt ihr liebevoll ein Neues hin, während Naia zu Cassy trat und sie umarmte. „Es tut mir leid Cassy." Es war als verstand jeder hier im Raum was mit Cassy war. Jeder außer Arran, doch er wagte es nicht den Mund zu öffnen. „Wir sind für dich da." Sprach Naia sanft weiter und Cassy nickte weinend. „Er hatte es versprochen." Brachte sie endlich hervor und Arrans Augen weiteten sich. Hatte? Wieso hatte? Was hatte er versprochen. Etwas an dieser Szene erinnerte Arran an vergangenes. Gab ihm das Gefühl, das er Cassys Schicksal teilte, doch er begriff es nicht bis Baxter näher zu ihm trat. Scheinbar hatte Baxter Arrans Verwirrung gesehen. „Ihr Vater wurde gestern erschossen." Flüsterte er leise und Arrans Augen wurden riesig. Er wurde ... Bilder quollen aus ihm hervor. 10 Jahre alte Bilder, die er noch immer nicht vergessen hatte. Würde er es je? Das Blaulicht vor der Tür und die Trage mit der Hand. Arrans Herz begann schneller zu schlagen und ihm wurde unerträglich heiß. Warum war da das Gefühl, das er Cassys Schicksal teilte? Warum hatte er das Gefühl, die Worte seiner eigenen Mutter zu hören. >Er hatte es doch versprochen.< Wiederholt wie ein endloses quälende Mantra. Baxter öffnete ein weiteres Mal den Mund und mit einem Schlag wusste Arran, das er es nicht hören wollte. Doch er war wie erstarrt und beobachtete hilflos, wie Jacob weitersprach. „Er war ein Mitglied der Los Mortes. Es gab einen Kampf." Mit einem Schlag drehte Arran ab und rannte einfach aus dem Zimmer. „Arran?!" Rief Jacob dem Rothaarigen fassungslos hinterher. Arran blieb nicht stehen. Er rannte und rannte, bis er das Schuldach erreichte. Langsam lief er einige Schritte auf das Dach hinaus, ehe er die Augen schloss. Versuchte die Erinnerungen in sich niederzukämpfen. Los Mortes. Eine Gang von vielen, die diese Stadt unsicher machten. Man redete hinter vorgehaltenen Händen über die Gangs. Leise, mit engen Freunden. Bis heute wusste er nicht, welcher Gruppe sein Vater angehörte, doch er wusste, das es ein Auftragsmord gewesen war. Seine Mutter hatte es ihm nie erzählt. Doch sie war nicht grundlos aus ihrem alten Leben verschwunden. Waren untergetaucht in einem der ärmsten Viertel der Stadt mit kaum Geld in den Taschen. Arran erinnerte sich nichtmal an den Namen seines Vaters und Summer verlor nie auch nur ein Wort über ihn. Alles was Arran wusste, war der Tag an dem seine Mutter ungewöhnlich still wurde und es hatte nur eine kurze Suche im Internet gebraucht um herauszufinden das an diesem Tag ein Familienvater Tod aufgefunden worden war. Die Medien hatten von dem Mord berichtet, doch sie hatten weder Namen des Opfers noch der Gruppierung genannt zu die er gehört hatte. Nun also hatte Cassy wirklich das selbe Schicksal ereilt. Seine Gedanken überschlugen sich. Plötzlich bekam sein aufeinandertreffen mit Gangleuten in der 6.ten eine ganz neue Bedeutung. Sunburn war ein sicheres Viertel gewesen. Doch in letzter Zeit.. Hatte deswegen Cassys Dad sterben müssen? Weil dort irgendetwas vor sich ging in einer Welt mit der er nie in Kontakt treten wollte? „Arran.." Sagte eine vertraute Stimme. Er wollte sich rühren und ihr sagen das alles ok war. Doch das war es nicht und sie wusste das. Sie war eine der Wenigen, die die ganze Wahrheit kannte. Die Einzige, der er alles anvertraut hatte. Rico wusste nichts davon. Jacob nur das sie das selbe Schicksal teilten. Niemand wusste alles. Nur sie. Vorsichtig schlangen sich ihre Arme von hinten um ihn. Mittlerweile musste sie von unten nach oben greifen. Er war gewachsen in letzter Zeit. War nun größer als sie, doch in diesem Moment fühlte er sich wieder klein und hilflos. „Ich sollte mich entschuldigen." Fing er an und ihr griff um ihn wurde noch fester. Es gab ihm tatsächlich Halt. „Ich bin froh, wenn du wegrennst." Sagte sie plötzlich und er öffnete die Augen. Wollte sich umdrehen. „Naia." Fing er an, doch sie redete einfach weiter. Hielt ihn fest „Ich habe mehr Angst, das du hinrennst." Langsam löste sie ihren Griff damit er sich drehen konnte. Sie blickte vorsichtig zu ihm hinauf und er zu ihr herunter. „Naia. Deswegen sollte ich nicht vor Freunden wegrennen." „Aber vor ihm." Sagte sie hinzu als laß sie etwas in seinen Gedanken, das er selbst noch nicht entdeckt hatte. Er sah die Angst in ihren Augen. Ehrliche wahrhaftige Angst. Große Angst. Eine Angst, die ihm seine nahm. Vorsichtig hob er eine Hand und legte sie auf ihren Kopf. Lächelte sogar leicht. „Wir halten an unserem Plan fest. Wir machen unseren Abschluss und dann verschwinden wir von hier und gehen studieren. Wir rennen weg." Für einen Moment zögerte Naia, ehe sie ihn ganz los ließ und nickte. „Promesa?" Fragte sie vorsichtig und er seufzte. Manchmal war sie wirklich wie Nana. Zum Glück war er nicht ganz dumm. „Versprochen."

Wenig später kehrten sie zur Klasse zurück. Jetzt verstand Arran auch warum Cassy gekommen war. Nicht, weil ihr der Tag irgendetwas lehren würde. Nicht weil sie Mitleid wollte, sondern weil sie ihre Freunde brauchte und Abstand. Abstand um die Kraft zu finden für die Beerdigung heute Nachmittag. Ohne zu zögern, schlossen sie sich alle Cassy an und begleiteten sie zu einem ihrer schwersten Schritte. Kiki und Ella hielten Cassys Hand während Naia Arrans hielt. „Bist du sicher, das du mitkommen willst?" Fragte sie leise und er nickte. Naia hoffte das er weiter wegrannte, doch er hasste diesen Gedanken. Er begleitete Naia oder seine Mam auch nicht Heim, weil er sie dann im Stich lassen wollte. Er konnte nicht ewig davor wegrennen. Naias Hand drückte ihn fester, riss ihm weg von diesem Gedanken. Er sah zu ihr herab und dort war wieder Angst in ihren Augen. Kurz schenkte er ihr ein Lächeln, ehe sie weiter liefen bis sie den Sarg und das Grab erreichten. Cassys Schluchzen war unüberhörbar. Der Priester erzählte irgendwelche Geschichten über Cas Dad und Arran starrte auf dessen Bild. Er hatte Cas Dad nie kennengelernt, doch jetzt verspürte er Hass auf ihn. Auf Leo – Jacobs Bruder. Auf seinen eigenen Vater. All das Leid der hier Anwesenden. All das Leid von all den Familien. Nur weil sie diese dumme Entscheidung trafen. Warum? Es war eine Frage in seinem Kopf auf die er einfach keine Antwort fand und als er Naias Händedruck spürte wusste er, das sie hoffte er würde es auch niemals. Musste er diese Antwort wirklich finden? Er mochte Naias Worte. Wenn es nach ihr gingen solle er immer wegrennen und wenn er nun den Sarg betrachtete, dann wusste er, das wegrennen die bessere Option war. Man sollte niemals ein Teil von diesem ganzen Scheiß werden, sonst hatte man längst verloren.


Sein roter Himmel - Su Cielo RojoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt