Kapitel 41

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Es war der Morgen der Beerdigung. Drei Tage hatten Naia und Arran zusammen in dieser Wohnung gelebt, als wäre alles wie früher. Doch so sehr Arran auch versuchte die Stille zu füllen. So wenig kam er an die aufgeweckte alte Dame heran, die ein Raum mit ihrer Anwesenheit auszufüllen gewusst hatte. Ihm und Naia war nicht viel mehr eingefallen, als wie früher irgendwelche Telenovelas anzuschauen. Arran kam es vor, wie ein zerbrechlicher Traum, wissend, das er bald wieder erwachen musste. Zurück musste. Wieder Rojo werden musste. Das wussten sie Beide. Egal zu welcher Entscheidung Arran in den letzten Tagen gekommen war, um nicht aufzufallen, musste er so tun als wäre er noch immer ganz Rojo. Ohne jeden Skrupell. Die Tage waren rum und die Beerdigung stand kurz bevor. Naia stand bereits ganz in Schwarz gekleidet im Wohnzimmer. Arran trug wieder seinen schwarzen Hoodie, diesmal sogar noch Capi und Sonnenbrille. Nicht mehr lange und sie mussten aufbrechen, doch sie würden nicht zusammen gehen. Jacob und Cesco würden Naia abholen und mit ihr zur Beerdigung fahren. Er würde ihnen heimlich mit Abstand folgen und in einigen Entfernung der Beerdigung beiwohnen. Es gefiel ihm nicht. Er wollte sie offen begleiten, doch sie war sicherer so. Neben ihr stand eine gepackte Tasche. Direkt nach der Beerdigung würde sie mit Jacob untertauchen. Sie war noch immer am sichersten, wenn niemand ihre Verbindung kannte und er musste zurück. Rico und Leo texteten ihn fast stündlich zu. Es wurden bereits Fragen gestellt. Jetzt waren es also nur noch Augenblicke und dieser Traum von Ruhe war ausgeträumt. Sie würden erst wieder so einen Moment genießen, wenn Arran seinen Worten Taten folgen ließ und mit ihr von hier verschwand. „Naia." Brach er endlich das Schweigen. Er sah die Traurigkeit auf ihrem Gesicht. Sie zitterte bereits leicht. Sie hatte Angst vor dem was folgen würde. Natürlich. Eine Beerdigung war der endgültige Beweis, das dieser Mensch nie wieder kommen würde. Das es nicht nur ein finsterer Alptraum war. Es wurde Realität. Langsam blickte sie auf und nickte. „Ist schon gut.." Fing sie an, doch er schüttelte den Kopf. „Nichts ist gut. Es tut mir leid, das ich dich nicht begleiten kann." Wieder nickte sie verloren. So verloren, das er nicht gehen wollte. „Cesco und Jacob werden da sein. Und ich weiß das du nicht weit weg bist." Er lächelte schwach, als er etwas näher trat. „Naia. Ich weiß du musstest schon so lange warten. Aber bitte warte noch ein wenig. Ich werde es möglich machen." Bevor sie antworten konnte, klingelte es an der Tür. Jacob und Cesco. Nur ein Mensch außer Naia wusste das er hier war und es reichte völlig, das es bei Jacob blieb. So tat Arran das, was er am wenigsten wollte. Er umarmte sie kurz, ehe er sich abwandte und in ihr Zimmer verschwand. Er hatte kaum die Tür geschlossen, da hörte er sie die Eingangstür öffnen. „Naia." War die Begrüßung von Jacob. Kurz war es still. Sicher umarmte Cesco die Blonde. Es war eine erdrückende Stille. „Sollen wir?" Unterbrach sie Jacob. „Oh Dios. Eine Tasche?" Fragte Cesco überrascht. „Endlich. Du verreist?" Man hörte seine Erleichterung in dieser Frage. „Ja Cesco. Ich brauche Abstand von Milestone. Vom Cafe." Schritte erklangen und selbst bis zu Arran war das Geräusch des Schmatzers zu hören. „Bien bien!" Sagte Cesco erfreut. „Josefa hätte das gewollt. Ich werde mich um alles kümmern. Hab keine Angst." „Danke Cesco." Erwiderte die Blonde dankbar, aber sicher auch mit Schuld in ihrer Brust. Niemand log einen so aufrichtigen Mann wie Cesco einfach ins Gesicht ohne Gewissensbisse zu bekommen. „Cesco. Naia. Wir sollten los." Unterbrach Jacob die Beiden und rettete Naia damit. Damit sie es nicht genauer erklären musste und damit noch weiter zu lügen hatte. „Si si. Vamos. Gehen wir." Die Tasche wurde angehoben. Arran verwettete seinen Arsch darauf das Jacob die Tasche an sich genommen hatte. Schritte erklangen und wenig später wurde es ruhig. Ihre gemeinsame Zeit war vorbei. Sie war so unglaublich kurz gewesen und doch ein Anreiz es wieder zu erleben. Er hatte es immer gewusst. Das er seine Familie und sein Zuhause vermisste, doch jetzt erst spürte er, wie sehr.

Arran wartete bis einige Zeit vergangen war, ehe er selbst zur Tür schlich. So unauffällig, wie er konnte, öffnete er sie einen Spaltbreit und huschte hindurch. Er war kaum draußen, da schloss er sie und kletterte um das Haus herum und die Feuerleiter hinauf. Er würde einen anderen Weg, als der Rest, wählen. Als er das Dach erreichte, blieb er stehen. Der Dachschuppen. Obwohl sieben Jahre vergangen waren, standen dort noch immer die selbstgebauten Liegen. Es klebten seine Sticker am Eingang und er wusste, dort waren noch immer seine Sachen. Naia hatte sich sogar die Mühe gemacht und die Liegen noch einmal frisch lackiert. Dafür hatte er jetzt keine Zeit, ermahnte er sich selbst und so wandte er den Blick ab. Es war noch früh am Morgen und nur wenige Menschen auf den Straßen. So sah niemand, wie er von einem Hausdach zum nächsten sprang. Er entfernte sich ein ganzes Stück vom Cafe, ehe er eine andere Feuerleiter fand und diese hinabrutschte. Er hatte fast den Hof erreicht, als ein Hund lauthals zu kläffen begann. Arran ignorierte den Hund einfach und sprang vom Ende der Leiter hinüber auf einer Mauer. Fast schon frech blickte er zu dem Tier hinab mit einem Blick voller Selbstüberzeugung. Dann aber hüpfte er von der Mauer und steckte seine Hände in die Brusttasche. Er war ein Verbrecher, doch in diesem Moment fühlte er sich mehr wie einer, als je zuvor. Er wirkte, als kam er von einem Einbruch, doch das war egal. Die Menschen würden ihn in Ruhe lassen. So lief er unbehelligt bis zum Friedhof. Schon von weiten konnte er die trauernde Menge sehen. Ganz vorne Jacob, Cesco und Naia. Neben einer alten Gruft stoppte er. Diese verbarg ihn ein wenig und trotzdem bot es ihm genug Sicht. Er hatte schon lange den Glauben verloren, dennoch verschränkte er die Hände in Nanas Ehren. >Es tut mir leid.< Sprach er ihr leise in Gedanken zu, während der Priester eine ergreifende Rede über eine einzigartige Frau hielt. >Du hast damals einen Idioten in dein Haus gelassen Nana. Du hast einem dummen Esel deine Enkelin anvertraut. Sicher hättest du laut geschimpft, würdest du sehen wie ich mich hier hinten versteckt halte. Ich war ein solcher Idiot.< Wie gerne wäre Arran nun ein Teil der anderen. Seine einzige Sorge der Verlust Nanas.


Er stellte sich so viele Fragen, bis er eine Bewegung in den Augenwinkeln sah. Als ginge ein Alarm in seinem Kopf los, wurde sein Blick kalt und unnahbar. Seine Augen verengten sich misstrauisch. Dort nicht weit von ihm entfernt, stand ein Mann mit Sonnenbrille. Arran trug selbst eine. Jeder, der mit Sonnenbrille auf einer Beerdigung war, hatte etwas zu verbergen. Und dann trug der Kerl auch noch einen teuren schwarzen Anzug. Einen, den sich sicher niemand in Sunburn leisten könnte. Arrans Aufmerksamkeit lag einen Moment zu lange auf dem Mann. Erst jetzt erkannte er die Männer, die die gesamte Beerdigung zu umranden schienen. Wie hatte er das übersehen können? Es war zu spät. Ein Lauf drückte sich in seinen Rücken. „Kein Mucks. Keine Bewegung und schön die Hände dorthin wo ich sie sehen kann." Flüsterte ihm jemand leise zu. Arran hatte keine Wahl. Langsam zog er die Hände aus seiner Tasche und hob sie rechts und links neben sich hoch. Dort wo die Frau sie sehen konnte. Auch ohne das sie sich vorstellte, wusste Arran, das sie nicht zu El Lirio gehörte. Der Mann im Anzug, der noch immer langsam Richtung Trauernde lief, sagte Arran alles. Nanas Sohn. Naias Onkel. Der Kerl, der sie nicht kriegen durfte. Er war hier und er war gefährlich. War das Las Floras? Jene, von denen er noch nie gehört hatte? Nein. Als arbeitete sein Gehirn plötzlich auf Hochtouren, erkannte er bei einem der Schützen den Totenkopf auf der gezogenen Waffe. Los Mortes. Die Toten. War Naias Onkel ein Hochrangigier bei Los Mortes? Allein das war ein weiterer Grund für Arran, das ihr Onkel sie nicht in die Finger bekam. Er würde sie nicht an Los Mortes verlieren. Seine Mutter war schon durch diese Schweine gestorben. Doch eines war klar. Er war bei Los Mortes berüchtigt. Das er noch lebte, bedeutete, das die Frau hinter ihm nicht wusste wer er war. Und es bedeutete er war Tod, sobald sie es durchschaute. Er spürte wie sie mit einer Hand seinen Rücken abtastete. Sie suchte bei ihm nach einer Waffe und sie wurde schnell fündig. Er hatte immer eine Pistole versteckt. „Oh. Unartiger Junge. Wolltest du wen erschießen?" Säuselte sie ihm amüsiert ins Ohr. Er rührte sich nicht, darauf bedacht kein Wort zu sagen. Ein Wort und es könnte aus sein. „Ganz schön schweigsam." Erkannte sie langsam. Ihre Finger glitten unter seinen Hoodie und umschlagen den Lauf der Waffe. Er spürte es. Sie war sich zu sicher. Sie unterschätzte ihn. In dem Moment, als ihre Aufmerksamkeit für den Bruchteil einer Sekunde der Waffe galt, wirbelte er um sie herum und aus der Schussbahn ihrer Waffe. Ein Schuss löste sich, doch es durchlöcherte nur seinen Hoodie. Arran stoppte nicht. Mit seinem angewinkelten Arm, hatte er ihre Schusshand von sich fort geschoben. Während er seine freie Hand anhob. Von oben packte er ihren Ellbogen und drückte ihn nach unten. Der Ruck zog sie näher zu ihm heran. Hin zu seinem Ellbogen. Es war ein Schritt nach vorne und der Einsatz seiner Körperkraft. Mit Wucht schlug er seinen Ellbogen in ihr ungeschütztes Gesicht. Sie musste bereits Sternchen sehen, doch er war erbarmungslos. Er nutze die Drehbewegung und drehte sich einfach mit ihr um die eigene Achse. Es war der Wurf im richtigen Moment. Ihr Kopf knallte ungebremst gegen die Gruftwand. Blackout. Schädelfraktur. Sofort ging er in die Hocke. Entriss der bewusstlosen seine Waffe und zog seine Sporttasche mit sich hinter einen Grabstein. Keine Sekunde zu spät, da prallte eine Kugel am Stein ab und bohrte sich in die Erde direkt neben ihm. Ein anderen Los Mortes hatten ihn bemerkt, obwohl die Frau einen Schalldämpfer auf ihre Waffe geschraubt hatte. Wenigstens die Trauernden hatten es nicht wahrgenommen. Ein Klavier hatte zum Ave Maria angestimmt und eine Frau mit einer unglaublichen Stimme zog die Aufmerksamkeit aller auf sich. Sein Blick wurde wütend. Konnten sie Nana nicht einmal diesen Moment der Stille gönnen? Ihr diese Beerdigung lassen. Er hob bereits die Waffe um der Frau den Gnadenstoß zu geben, doch er stoppte und zog die Hand zurück. Eine zweite Kugel schoss an ihm vorbei. Verfehlte ihn knapp. Wer auch immer da mit einer Pistole so genau zielte, er verstand sein Handwerk. Doch hatte Arran sich nicht geschworen jemand zu werden, den Naia verdient hatte? Es war sicher niemand, der einen Mord aus Rache beging. Arran hatte keine Wahl. Innerlich sprach er zu Nana ein Stoßgebet, ehe er seine eigene Waffe in die Höhe hob.


Sein roter Himmel - Su Cielo RojoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt