Kapitel 21.1

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Nana und Summer saßen bereits mit einem Wein am Esstisch, als die zwei Jugendlichen endlich das Haus erreicht hatten. „Ihr kommt spät." Stellte Summer fest und ihre Augen wanderten zur Uhr. Arran sah ebenfalls hoch. Na den Kampf konnte er jetzt endgültig vergessen. Die Wiederholung würde er auch nicht mehr sehen können. „Wir mussten einen Umweg fahren." Sagte er kurzerhand, ehe er sich in Bewegung setzte. Er hatte nach dem ganzen Gestrampel einen Bärenhunger. Hinter ihm folgte Naia und schon die halbe Strecke hatte er ihren Magen knurren gehört. „Ein Umweg?" Fragte Summer besorgt und auch Nana stellte ihr Weinglas ab. „Dónde? Wo?" Fragte Nana sofort und Arran zuckte mit dem Kopf, als würde die Himmelsrichtung alles erklären. „Ecke 6.te." Die Gesichter der beiden Frauen verdunkelten sich sofort. Die 6.te. Jeder in diesem Raum wusste was das bedeutete, doch nur die älteren Frauen nahmen es ernst. Für Naia und Arran gehörte es zum Alltag. Nicht zu spät heim, nie alleine. Weiche großen Ansammlungen aus. Weiche Gefahren aus. Als Einheimischer hatte man längst ein Gefühl dafür entwickelt was und wem man ausweichen musste. Doch was die Frauen daran besorgte war die Nähe zu ihrem Viertel. „Die Stadt wird unsicherer." Prophezeite Nana düster. „Ihr müsst vorsichtiger sein! Atencíon!" Fügte sie mit Nachdruck hinzu und Arran setzte sich mit seinem Teller an den Tisch. „Das weiß ich doch. Bin doch extra einen Umweg gefahren." Er schaufelte sich Tortilla auf den Teller, während er in den Augenwinkeln sah wie ernst Nana und seine Mam dreinblickten. Langsam blickte er zu Naia und auch sie sah besorgt aus. Es kam nicht oft vor das Nana eine so düstere Aussage von sich gab. Normal war sie wie Naia und sagte das Viertel könne alles regeln. „Nicht mehr lang dann habt ihr euren Abschluss. Nicht wahr?" Fragte Summer um das Thema zu wechseln. Doch Arran kannte die Wahrheit. Seine Mutter hoffte etwas zu hören. „Wir haben noch nichts gehört." Antwortete Naia und Arran schnaubte kurz. „Du schaust doch jeden Tag in den Briefkasten Mam. Du machst mich nervöser als ich sein müsste." Sie hatten sich bereits mit ihrem Zwischenzeugnis bei den Unis um Stipendien beworben. Schon als Kinder hatten sie es sich versprochen und sie wollten es noch immer. Zusammen ins Ausland und studieren. Raus aus dem Viertel und irgendwann auch Summer und Nana ein schönes Leben finanzieren für alles, was sie für ihn und Naia getan hatten. Alles was noch fehlte waren die Zusagen. „Haltet eure Noten!" Warf Nana ein und Arran seufzte hörbar. „Ist ja gut. Ich weiß. Ich lerne doch und Naia auch." „Und deswegen sind wir stolz auf dich." Sagte Summer mit dem Stolz in der Stimme von dem sie sprach. Sie stand auf und drückte ihm einen Kuss auf die Schläfe, während er sich leicht weglehnte. „Langsam zu alt dafür, mi nino?" Fragte Nana amüsiert. „Kann ich nichtmal in Ruhe essen?" Er sah auf und funkelte alle an. Er hatte doch heute alles richtig gemacht. Warum wollten sie ihn alle ärgern? „Komm wir essen oben!" Sagte Naia plötzlich und stand auf. Griff nach ihrem Teller und lief einfach zur Tür. Nana und Summer sahen sie völlig perplex an, doch Arran war dankbar. Sofort griff er auch nach seinem Teller und folgte ihr. Eine kühlere Nachtluft empfing die Beiden während sie die Feuerleiter hochstiegen und sich vor Arrans Nachtloft setzten. Mit Paletten hatte er sich einfache Stühle dort hin gebastelt. Eine Idee von Jacob.

Endlich hatten sie einen Moment um in Ruhe zu essen. Schweigend, weil es keine Worte brauchte, vertilgten sie ihre riesigen Portionen von Nanas Tortilla, ehe sie sich satt zurücklehnten. Nach einem heißen Tag war die Nacht eine angenehme Abwechslung. Hier in ihrer Stadt war es immer warm und so genossen sie jede noch so kühlere Nacht so gut sie konnten. Nachdenklich glitt Arrans Blick hoch, ehe er die Sterne betrachtete. Hier in ihrem Viertel waren es nur wenige Straßenlampen, die die Gassen erhellten. Wenig Licht, das den Blick auf den Himmel störte und so konnten sie ein Meer an Lichtern über sich bewundern. „Sag mal Arran." Fragte Naia plötzlich. Arran kippte nur leicht den Kopf um zu seiner besten Freundin zu blicken, doch diese sah wie er hinauf zum Himmel. „Meinst du wir werden im Ausland einen genauso schönen Himmel finden?" Kurz dachte er darüber nach, ehe ein Lächeln über seine Lippen glitt. „Solange wir zusammen gehen, habe zumindest ich meinen eigenen Himmel dabei. Oder nicht? Mi Cielo." Er lachte und Naia griff unter sich um ihm eines der Kissen an den Kopf zu werfen. Er wich ihm spielend aus. „Burro rojo!" Warf sie ihm als Beschimpfung gleich hinterher, ehe sie sich mit verschränkten Armen zurücklehnte und wieder hoch in den Nachthimmel blickte. „Aber es stimmt." Sagte er plötzlich in die entstandene Stille hinein. „Es ist egal wohin wir gehen werden. Es wird schon gut werden. Wie hast du früher immer gesagt. Zusammen hat man weniger Angst." Er sah zu ihr und sie zu ihm zurück. Aus Naias Trotz war ehrliche Freude geworden. „Una familia." Flüsterte Naia und Arran nickte. „Una familia." Was mehr würde er brauchen, als seine Familie?


Sein roter Himmel - Su Cielo RojoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt