9 Im Wald: Bäume

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Es war ein grauer Tag. In der Nacht hatte es geregnet. Tom und Sophia wären am liebsten liegen geblieben, aber in der Küche warteten schon die anderen. Nikos hatte Neuigkeiten:

„Papa Michael hat gestern Abend noch angerufen. Wir treffen uns mit ihm in Thessaloniki. Er will mitkommen, es hat wohl doch Probleme gegeben. Anscheinend kannst Du nicht im Kloster wohnen, Samir, aber Papa Michael meinte, die Familie mit dem Gestüt würde Dich für ein Jahr aufnehmen. Du wirst aber im Kloster unterrichtet. Papa Michael kennt einige Leute dort und will uns helfen, eine Lösung zu finden."

Er drängte zum Aufbruch. Mit dem Landrover und dem Pferdeanhänger konnten sie nicht sehr schnell fahren, und er wollte vor Einbruch der Dunkelheit da sein. Viele Pausen konnten sie sich nicht leisten, so viel stand schon fest.

Salam ließ sich anstandslos in den Hänger locken. Samir holte seine beiden Taschen. Phil hatte die Aufgabe übernommen, ihn einzukleiden, wofür Tom ihm dankbar war. Einkaufen gehörte nicht zu seinen Hobbies. Nikos hatte sie gewarnt, der Winter könnte im Norden sehr kalt werden. Als Samir seine gefütterte Hose, den Armeeparka und die dicken Schnürstiefel vorführte, war er nicht wiederzuerkennen.

Phil setzte sich wie selbstverständlich mit in den Rover.

„Hast Du wenigstens Deinen Eltern Bescheid gesagt?" fragte Nikos ihren Jüngsten.

„Ja sicher."

„Phil, wissen die, dass Du mit in den Norden fährst?"

„Die wissen, dass ich bei Euch bin. Und das bin ich doch."

Nikos schickte ihn zum Telefonieren ins Haus, während sich Samir von Georgios und Sophia verabschiedete.

„Ich hoffe, wir sehen uns wieder, schöner Mann," flötete sie.

„Ganz bestimmt, schöne Frau," zirzte Samir zurück, zog Sophia zu sich heran und küsste sie auf den Mund. Georgios fand, Abschiedsküsse sähen anders aus und ging dazwischen:

„Das reicht jetzt aber, sonst schimpft hinterher Tom!"

Der hätte keinen Grund gehabt, denn seine Ex schenkte ihm einen innigen Kuss, der erst von Phil beendet wurde:

„Sowas macht man im Bett und nicht vor der Tür!"

Es war fünf, als sie sich in einer Taverne 10 km vor Thessaloniki mit Papa Michael trafen, und sie hatten noch zweihundert Kilometer vor sich. Das war im Hellen nicht zu schaffen. Nach kurzer Rast fuhren sie weiter.

„Papa Michael, was ist passiert, dass Samir nicht im Kloster wohnen kann?" fragte ihn Nikos.

„Sie haben keine Genehmigung bekommen, weil er kein Christ ist. Aber sie dürfen ihn tagsüber unterrichten. Sie wollen für das Jahr 1200 Dollar haben, Ihr habt ja gesagt, dass der Junge Geld dafür mitbekommen hat."

„Und wo soll er wohnen?"

„Auf dem Gestüt. Er bekommt ein eigenes Zimmer und kann jeden Tag ins Kloster gehen. Es ist nicht weit, eine halbe Stunde. Ich kenne die Leute, er wird es gut haben."

„Kann es sein, dass Du in dem Kloster zur Schule gegangen bist?"

„Erraten, Tom. Deshalb kann ich Samir auch guten Gewissens dort hingeben. Samir, Du wirst in einem Jahr perfekt Griechisch sprechen und schreiben. Nach ein paar Wochen kannst Du auch an dem Unterricht der anderen Jungen teilnehmen, dann wird es hinterher nicht so schwer, wenn Du auf eine normale Schule gehst."

„Und die Leute von dem Gestüt, wie viel Geld wollen die haben? Ich meine, nicht nur für Samir, vor allem auch für Salam."

„Wir werden sehen. Hast Du denn überhaupt Geld, um ein Pferd zu unterhalten, das Du nur ein paar Tage im Jahr siehst?"

Die richtigen Leute Band 4: Das Ende der AngstWo Geschichten leben. Entdecke jetzt