Hans und Reiner inspizierten das Obergeschoss der Uptones-Villa. Sie entschieden sich gegen den Balkon:
„Der Winkel ist zu spitz, da ist immer ein Baum im Bild."
Starmans Zimmer war die bessere Wahl: freies Sichtfeld, und die Kamera würde man vom Zoo aus nur sehen, wenn man ein Fernglas hatte und wusste, dass da eine war. Um viertel vor vier standen sie in den Startlöchern. Killer und Hans beobachteten das Gelände um das Pfauengehege mit Feldstechern.
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Tom und Nikos saßen im Wohnzimmer von Herrn Tsikos. Der Zeiger der Kuckucksuhr – Herr Tsikos war ein Fan des Schwarzwalds, wo er einige Jahre das Hotelgewerbe erlernt hatte – bewegte sich im Schneckentempo.
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Dave schlenderte den Hauptweg des Zoos entlang. Sein Herz pochte. In zehn Minuten würde er verhaftet werden. Wenn alles gutging.
Ein Mann mit Journalistenvisage und Trenchcoat überquerte Arm in Arm mit einer viel jüngeren, blonden, schlanken Frau die Brücke über den Regent's Canal. Interessiert schauten sie den Pfauen und anderen Vögeln zu.
Nur wenige Besucher verirrten sich an dem diesigen, kühlen Oktobertag in diesen abgelegenen Teil des Zoos. Zwei Wärter harkten in dem Gehege Blätter zusammen. Ein langes, schmales Hausboot tuckerte langsam den Kanal hinauf Richtung Camden. Zwei Angler, die schon einige Fische in einem Eimer hatten, saßen stumm auf Klapphockern.
Oberst Steltzner passierte die Brücke einige Minuten nach Dave. Sein Partner hatte ihm geraten, die Übergabe nicht selbst vorzunehmen. Er hatte sich aus zwei Gründen entschieden, es dennoch zu tun: außer seinem einzigen Mitwisser traute er niemandem, und dessen Gesicht war einfach zu bekannt. Er war immerhin Staatssekretaär und einige Male in der Zeitung abgebildet, weil er an den Verhandlungen über den Rückzug der Briten aus Libyen beteiligt war. Außerdem glaubte er nicht, dass der Junge aus Newcastle ein falsches Spiel trieb. Die Geldgier war ihm geradezu ins Gesicht geschrieben.
Gerda stupste die Visage an:
„Chef, hinten links, auf der Bank neben dem Gebüsch, das ist der Kurier."
Hans erspähte Steltzner als erster:
„Reiner, er kommt die Treppe rauf. 40 Meter östlich von Dave."
Reiner erfasste ihn und fing an zu filmen.
Dave sah den Oberst mit einem braunen Aktenkoffer die Treppe zum Gehege heraufsteigen. Für kurze Zeit verlor er ihn aus dem Blick, aber dann war er auf dem asphaltierten Weg zu dem Aussichtspunkt mit den Erklärungstafeln.
Der Journalist musterte verstohlen den Mann mit der Aktentasche. Er berechnete den Winkel zwischen der Villa und dem Gehege. Sie standen perfekt. Er müsste im Hintergrund zu sehen sein. Verliebt, soweit das ging, lächelte er Gerda zu. Sie lächelte zwangsverliebt zurück. Der Oberst passierte die beiden und dachte im Stillen, „so ein alter Knacker und so eine Hübsche. Und die Visage. Schotte oder sowas. Und jetzt küsst er sie auch noch."
Dave stand von der Parkbank auf und trat auf den Weg. Der Oberst sah ihn. Sie gingen aufeinander zu, und als sie auf gleicher Höhe waren, wechselte der Aktenkoffer den Besitzer.
Einer der beiden Zoomitarbeiter in der Volière sprach ein paar Worte zu seiner Schubkarre.
Dave und der Oberst gingen in entgegengesetzte Richtung, der Soldat entlang des Geheges nach Westen, Dave in Richtung der im Osten gelegenen Treppe. Steltzner passierte gerade einen großen Haufen toter Zweige, offenbar der Herbstschnitt, als dieser plötzlich erplodierte. Vier schwarz gekleidete Gestalten mit Maschinenpistolen sprangen heraus und warfen ihn zu Boden. Im Fallen sah er, wie Dave von einer identischen Truppe angegriffen wurde. Dann sah er nichts mehr. Der Asphalt roch dank verrottender Blätter säuerlich-faulig.
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Die richtigen Leute Band 4: Das Ende der Angst
Historical FictionNachdem die Gruppe um Tom und Nikos alle Abenteuer des Sommers 1971 heil überstanden hat, erlebt Dave nach seiner Rückkehr ins Internat in Sandhurst ein Déjà-Vu: Er wird wieder erpresst. Dave findet sich in Situationen wieder, die ungleich gefährlic...