33 Sonntag, 30. Januar 1972

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Die Nacht war lang, viel zu aufgedreht waren sie, um ins Bett zu gehen. Sie erzählten von ihren eigenen Auftritten, Geschichte reihte sich an Geschichte, und erst als die ersten Hohenberger aufstanden, betteten sie sich zur Nachtruhe.

„Wollen wir ein bisschen reiten?"

„Ach, hier hast Du auch Pferde?" spöttelte Georg.

„Ich nicht, aber ein Nachbar hat ein paar Fjordpferde. Wollen wir?"

„Klauen wir die, so wie Dave erzählt hat?" fragte Martin

„Das geht am Wochenende nicht, da müssen wir schon fragen, aber bis jetzt hat er noch nie nein gesagt."

Der Nachbar gab ihnen Zaumzeug, Sättel lehnte Tom dankend ab. Dann gingen sie zu der Wiese am Waldrand. Die Pferde kamen sofort neugierig zum Zaun. Sie rissen einige saftige Grasbüschel aus und fütterten die Tiere. Die Bestechung funktionierte, und wenige Minuten später ritten sie durch den Wald. Die Hauptwege waren voller Spaziergänger, aber Tom kannte Pfade, auf die sich selten jemand verirrte. Die gutmütigen Norweger trugen sie auf die Spitze des höchsten Bergs der Umgebung, auf dem ein stählerner Aussichtsturm stand.

„Ganz schön viele Bäume," fand Georg.

„Und alle so grün." Martin zog es ins Warme.

Kaum waren sie wieder zuhause, als das Telefon klingelte.

Es war Basilis, der Tom kurz und knapp mitteile:

„Thomas hat ihn erwischt."

„Nur den Boten oder den Mann dahinter?"

„Beide."

„Schönen Gruß von Martin und Jürgen, die sind gerade hier."

„Gruß zurück. Hab's eilig, muss zu Thomas. Bis bald."

Tom, Martin und Jürgen führten einen Freudentanz auf. Aus Sophias letztem Brief wusste Tom, dass Georgios nach seiner Rückkehr aus Kreta ein anderer war. Er hatte lange mit Nikos und Basilis gesprochen und sollte in Kürze seinen ersten Kurierauftrag übernehmen. Im Sommer sollte er ein paar Wochen bei Petros verbringen. Und nun war auch sein Kontakt nach Ostberlin endgültig gekappt.

„Ihr habt einen ostdeutschen Spion verhaften lassen? Was ist passiert?" wollte Georg wissen. Martin gab ihm eine kurze Zusammenfassung, schönte aber Georgios' Rolle heftig, der in seiner Erzählung vom Verräter zum Agentenfänger mutierte.

„Ihr arbeitet mit den Engländern zusammen? Nicht gerade das sozialistischste aller Länder."

„Aber manchmal ganz hilfreich, Georg. Bilski hat uns vorgeführt, wie Realpolitik manchmal aussehen muss."

„À propos Bilski. Können wir Tagesschau gucken? Er hält heute eine Rede, kommt vielleicht in den Nachrichten."

„Du magst ihn, nicht?"

„Ja. Er ist ein Fuchs, wenn's ums Verhandeln geht, aber er ist wirklich ein netter und ehrlicher Mensch."

Der Fernseher musste erst warmlaufen, aber pünktlich mit dem Gong war das Bild da. Der Sprecher sah ernst in die Kamera und las die furchtbaren Nachrichten emotionslos vom Blatt ab. Tom, Martin und Jürgen wurden blass. Sie starrten auf den Bildschirm und versuchten zu verstehen, was dort gezeigt wurde. Die Bilder von Soldaten mit Helmen und Schilden, von Panzerwagen, von Barrikaden, einer Menschenmenge, die sich darauf zubewegte, von rennenden Männern, Frauen und Kindern, von Körpern, die in den Straßen von Derry lagen.

„Diese verdammten Dreckschweine," murmelte Tom.

„Sie schießen einfach in die Menge, das gibt es doch gar nicht. Mit denen will Barry verhandeln? Ist doch total sinnlos." Auch Martin war erschüttert.

Die richtigen Leute Band 4: Das Ende der AngstWo Geschichten leben. Entdecke jetzt